Koch: „Noch glimpflich davongekommen“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem Wiesbadener Kurier
Wiesbadener Kurier: Herr Koch, schwarz-gelbe Mehrheit, aber die Union erzielt nur ihr zweitschlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik. Ist das nicht ein hoher Preis?
Roland Koch: Das war der notwendige Preis dafür, dass es nicht weiter bergab geht. Die CDU hätte bei einer Fortsetzung der Großen Koalition zunehmend das Vertrauen großer Wählerschichten verloren. Wir sind aber im Vergleich zur SPD noch glimpflich davongekommen. Die Sozialdemokraten haben viel bitterer dafür zahlen müssen. Es war aber auch für uns eine existenzielle Frage, aus der Großen Koalition herauszukommen. Das ist uns noch rechtzeitig gelungen. Bei den Erststimmen liegt die CDU weiterhin bei rund 40 Prozent. Da müssen wir auch wieder bei den Zweitstimmen hin. In einer bürgerlichen Koalition werden wir uns wieder stabilisieren.
WK: Die Union will bei den Koalitionsverhandlungen Tempo machen.
Koch: Wir müssen jetzt unbedingt die Wachstumskräfte der Wirtschaft stärken. Dazu gehört eine Steuerentlastung. Die Spielräume dafür sind aber nicht besonders üppig, zumal die Bürgerinnen und Bürger im nächsten Jahr bereits um zehn Milliarden Euro entlastet werden. Das wird auch die FDP einsehen. Hier muss Klarheit herrschen. Alle Zahlen müssen auf den Tisch. Es hat keinen Sinn, das wochenlang vor sich herzuschieben. Neben der Steuerfrage gibt es aber noch weitere Herausforderungen für die schwarz-gelbe Regierung. Es geht vor allem darum, Deutschland schneller zu machen.
WK: Bleibt es dabei: Erst werden die Inhalte geklärt, dann die Personalien?
Koch: So gehen vernünftige Menschen in der Politik miteinander um, und so werden auch wir das machen. Erst muss der Koalitionsvertrag stehen, dann kommt das passende Personal dazu.
WK: Wird die schwarz-gelbe Regierung, wie angekündigt, die Laufzeiten von Atomkraftwerke verlängern?
Koch: Aus unserer Sicht eindeutig ja! Dazu haben sich ja alle drei Partner auch gegen Widerstände bekannt. Die Bedingungen für die Verlängerung von Laufzeiten sind klar: Die Gewinne der Stromkonzerne müssen für die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien genutzt werden. Außerdem sollten die Stromkunden entlastet werden.
WK: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff fordert eine genaue Analyse des Unions-Ergebnisses und ein Programm, um wieder die 40-Prozent-Marke zu erreichen.
Koch: Wir werden uns noch im Oktober zusammensetzen und uns das Wahlergebnis genauer ansehen. Natürlich muss es das Ziel der CDU sein, über 40 Prozent zu kommen. Wichtig ist aber zunächst, die Koalitionsverhandlungen mit der FDP erfolgreich zu führen und eine gute Regierung zu bilden. Wir müssen jetzt Leistung zeigen und unser Programm umsetzen.
WK: Wird es unter Schwarz-Gelb auch Einschnitte bei sozialen Leistungen geben müssen?
Koch: Die CDU wird der Garant in der schwarz-gelben Koalition dafür sein, dass es sozial fair in diesem Land zugeht. Es wird selbstverständlich keinen Kahlschlag geben. Natürlich muss auch geprüft werden, ob und wie das Sozialsystem noch verbessert und optimiert werden kann. Alle in der Gesellschaft müssen das, was sie leisten können, zu den Konsolidierungsanstrengungen beitragen. Leistung und Solidarität gehören dabei zusammen. Dinge, wie eine Änderung des Kündigungsschutzes, wird es jedoch nicht geben.
WK: Die CSU ist weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben. War es ein Fehler, auf Distanz zur FDP und auch zur CDU zu gehen?
Koch: Die CSU muss ihr Wahlergebnis selbst analysieren. Aber klar ist: Die CSU ist immer noch in einem Prozess der Findung und des Übergangs. Die Kollegen arbeiten sicher daran, dass dieses Ergebnis eine Ausnahme bleibt.
WK: Sie haben vor der Wahl gesagt, Sie gehen nicht nach Berlin und bleiben hessischer Ministerpräsident. Gilt das auch nach der Wahl?
Koch: Ja, ich bleibe in Hessen.
WK: Wer wird Hessen dann künftig in einer neuen Bundesregierung vertreten und am Kabinettstisch sitzen?
Koch: Wir haben einen starken Vertreter am Kabinettstisch. Das ist Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Es gibt keinen Anlass, das zu ändern.
Die Fragen stellte Andreas Herholz.