Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der Zeitschrift „Bunte“
Bunte: Wie rede ich Sie jetzt eigentlich richtig an? Als Herr geschäftsführender Ministerpräsident?
Koch: Sie können einfach Herr Koch zu mir sagen. Aber wenn Sie mich lieber mit dem Titel anreden wollen, dann ganz normal Ministerpräsident.
Bunte: Warum haben Sie nach der Wahl nicht hingeschmissen?
Koch: Ich habe zuletzt vor fünf Jahren einen Amtseid geschworen und eine Aufgabe übernommen, die mir über all die Zeit sehr viel Freude macht. Bei der darf man dann, wenn’s schwierig wird, nicht einfach sagen: „Ich habe keine Lust mehr.“ Vielleicht bin ich da ein bisschen preußisch angehaucht. Zudem hat Hessen eine Verfassung, die es mir in dieser komplizierten Lage nicht erlaubt davonzulaufen. Ich lasse das Land nicht im Stich.
Bunte: Aber es gab Momente, in denen Sie über Rücktritt nachgedacht haben?
Koch: Natürlich war das Wahlergebnis, der Wahlabend, das Auf und Ab, eine der schwierigsten Situationen in meinem Leben. Wenn man sieht, dass man sein Ziel nicht erreicht, dass viele Abgeordnete nicht mehr in das Parlament zurückkehren können, dann denkt man auch darüber nach, ob nicht die richtige Reaktion wäre, selbst zu sagen: „Das war es dann für mich.“ Doch die Entscheidung meiner Partei war eindeutig: „Wir wollen das gemeinsam machen und zwar mit dir.“ So stelle ich mich der Verantwortung auch mit Leidenschaft und Engagement.
Bunte: Wo nehmen Sie das her?
Koch: Aus der Erfahrung, dass ich Politik freiwillig mache. Ich mache es, weil ich es so will.
Bunte: Aber Spaß macht das Regieren nicht mehr so recht, oder?
Koch: Es macht mir nach wie vor Spaß, den Wettbewerb um den richtigen Weg des Landes mitzugestalten. Das ist an bestimmten Tagen wunderbar, mit großen Siegen und Erfolgen verbunden. Und es ist an anderen Tagen auch bitter. Übrigens empfinde ich die schwierige Lage des Landes auch als eine besondere Herausforderung. In der Demokratie liegen das Auf und Ab sehr nah beieinander. Politiker müssen beides aushalten können. Schönwetter-Demokraten, die nur dabei sind, wenn alles wunderbar läuft, und davon laufen, wenn es kritisch wird, kann eine Demokratie auf Dauer nicht vertragen.
Bunte: Geben Sie sich dem Auf und Ab der Gefühle richtig hin?
Koch: Ja, natürlich. Ich bin da nicht anders als jeder andere Mensch, der gern und lieber Erfolge feiert, als Misserfolge verarbeiten zu müssen. Ich kann mich auch unglaublich ärgern. Über mich und über die Welt, über andere… alles zu seiner Zeit. Aber am Ende muss man versuchen, in seinem Handeln nach außen ein einigermaßen nüchterner Mensch zu bleiben.
Bunte: Musste Ihre Frau Sie in den vergangenen Wochen aufbauen?
Koch: Die Tatsache, dass meine Frau und ich seit inzwischen mehr als drei Jahrzehnten zusammen alle guten und schwierigen Tage erlebt haben, ist eine unglaublich wichtige Grundlage. Meine Frau ist weniger in Kenntnis der Akten als der Gefühlswelt der Menschen ein wichtiger Seismograf für mich.
Bunte: Und sagt sie nicht mal: „Mensch, Roland, werd doch wieder Anwalt!“?
Koch: Sie hat nie zu mir gesagt: „Du musst unbedingt Politiker werden.“ Sie wäre in keiner Weise beunruhigt, wenn ich morgen früh wieder Anwalt wäre. Aber sie sagt auch: „Du musst machen, was du für richtig hältst.“
Bunte: Bis wann sollte eine Regierung stehen?
Koch: Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Monaten Zeit. Die Regierung kann auf der Basis des gültigen Haushalts ordentlich ihre Arbeit machen. Aber spätestens im Februar, März nächsten Jahres werden wir wissen, ob wir einen Haushalt für 2009 verabschieden können. Wenn eine Mehrheit einen Haushalt zusammen verabschiedet, sollte sie auch gemeinsam regieren. Und wenn das Parlament keinen Haushalt verabschiedet, dann entsteht eine neue Lage.
Bunte: Bereitet Ihnen die Ungewissheit manchmal schlaflose Nächte?
Koch: Nein. Ich weiß, was ich hier tue. Ich weiß, dass es ein Beruf ist, der viele Unwägbarkeiten mit sich bringt. Aber ich bin mit mir im Reinen und deshalb schlafe ich bestens.
Bunte: Gelingt es Ihnen, total abzuschalten?
Koch: Relativ einfach. Wenn ich zu Hause oder mit Freunden unterwegs bin, dann bin ich sehr schnell in der Lage, die Politik zu vergessen. Ich kann die Tür geistig hinter mir zumachen. Ich bin kein Getriebener in der Politik.
Bunte: Was sagen Sie zur geplanten Hochzeit von Helmut Kohl?
Koch: Ich werde ihm herzlich gratulieren und freue mich für die beiden. Helmut Kohl hat viel für unser Land getan. Er hat dabei auch viel persönlich geopfert. Alle sollten sich darüber freuen, wenn die beiden glücklich sind.
Bunte: Das Dekolleté der Kanzlerin bei der Eröffnung der Oper in Oslo sorgte für Aufregung. Ihre Meinung?
Koch: War doch ein schönes Ereignis, oder…?
Das Interview führte Tobias Lobe.