Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
FAS: Herr Ministerpräsident, Sie wollen 1500 Milliarden Euro Schulden in fünfzig Jahren abbauen. Bürden Sie damit der nächsten Generation nicht noch mehr auf als sie jetzt schon schultern muss?
Koch: Der Vorschlag, mit den Schuldenfonds das Problem zu lösen, ist der größte Gefallen, den man der nächsten und der übernächsten Generation tun kann. Denn all diese Schulden sind ja in der Vergangenheit längst entstanden. Es geht jetzt darum, einen so verbindlichen Schlussstrich zu ziehen, dass in der Zukunft keine neuen Schulden hinzukommen, und die Last der Vergangenheit so zu verteilen dass sie erträglich wird, ohne der nächsten Generation Gestaltungschancen abzuschneiden.
FAS: Sie verlangen einen „radikalen Schnitt“, verschieben aber die Einrichtung des Fonds, der die Gesamtschulden von Bund und Ländern aufnehmen soll, ins Jahr 2015. Geht es nicht schneller?
Koch: Ich halte es für unrealistisch, einen früheren Zeitpunkt verbindlich zu machen. Und ich will, dass alle mitmachen. Die Länderhaushalte sind ja in erster Linie Personalhaushalte. Ich möchte nicht, dass die Bildungsaufgaben und die innere Sicherheit gegen den Schuldenabbau ausgespielt werden, man muss beide Ziele vereinbar machen. Das wäre auf diesem Weg möglich.
FAS: Sie wollen alle Schulden von Bund und Ländern in einen Topf werfen, der dann gemeinsam bedient wird. Worin besteht der Vorteil gegenüber dem jetzigen eigenverantwortlichen Schuldenmanagement?
Koch: Zunächst einmal ist der Fonds ein sichtbares Instrument des Schlussstrichs, nämlich die Verpflichtung, dass die Lasten der Vergangenheit dort eingeschlossen werden und es keine Möglichkeit gibt, neue Lasten dazuzupacken. Die Zusammenführung solcher großen Kreditmengen verbessert natürlich auch die Chancen eines optimalen Verwaltens. Der Bund hat heute schon, weil er mehr Schulden hat, günstigere Zinsen. Gemeinsam können wir das noch verbessern und damit Geld zur Verfügung haben, das uns hilft, auch Schwächen einen solchen Einstieg in eine schuldenlose Zukunft zu ermöglichen.
FAS: Nach Ihrem Konzept muss der Bund mindestens drei Milliarden Euro jährlich zur Finanzierung der Tilgungsraten zuschießen. Wir wollen Sie den Bundestag davon überzeugen?
Koch: Ein dauerhafter Bundeszuschuss in der Größenordnung von drei bis vier Milliarden ist die Vorrausetzung dafür, dass die 16 Landesparlamente den Mut aufbringen, in ein absolutes Verschuldungsverbot einzuwilligen. Einige Länder sind in einer sehr schwierigen Situation. Aber damit könnten wir einen Abschluss erreichen. Insgesamt ist er Betrag überschaubar. Es werden ja auch bei der Gründung des Schuldenfons, etwa 2014, Mittel aus der bisherigen Solidarabgabe frei. Es wäre en lohnendes Ziel, sie in den Schuldenabbaufonds zu investieren. Ohne diese Mittel wird es nach meiner festen Überzeugung zu einem solchen Pakt nicht kommen. Nicht wegen Hessen, die bekommen davon nichts, sondern wegen der Schwächeren, die das sonst nicht leisen können.
FAS: Herrn Steinbrück haben sie davon aber noch nicht überzeugt. Wie sind die ersten Reaktionen auf Ihren Vorschlag in der Kommission ausgefallen?
Koch: Herr Steinbrück würde seine Aufgabe als Bundesfinanzminister völlig falsch verstehen, wenn er nicht der Allerletzte in der Republik wäre, der einem solchen Vorschlag zustimmt. Aber das ist manchmal das Schicksal von Finanzministern. Ich sehe eine sehr große Bereitschaft, über diesen Vorschlag nachzudenken. Sicher gibt es noch viele Fragen und Bedenken, aber ich glaube, es verbreitet sich der Gedanke, dass man nicht eine so große Anstrengung unternehmen kann, wenn nicht eine Verbindlichkeit entsteht, dass auch das Ziel erreicht wird. Die jährliche Neuverschuldung einfach zu halbieren wird dazu führen, dass wieder neue Ausflüchte gesucht werden, wie man die Verschuldungsgrenze möglichst weiträumig definiert. Nur eine klare Null gibt uns eine Zukunft, und die erfordert einen harten Schnitt.
FAS: Haben Sie den Eindruck, dass in der Föderalismuskommission noch der Wille besteht, zu einer Lösung der Staatsverschuldung zu kommen?
Koch: Der Wille ist da. Es gibt aber auch die Sorge der Länder, dass der Bund eine Regelung für sich trifft und die Länder, auf sich gestellt, das Problem nicht mehr lösen können. Also es müssen da alle aufeinander zugehen. Die Kommissionsvorsitzenden, Günther Oettinger und Peter Struck, haben das hinreichend klargemacht. Jetzt liegen sehr unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch die alle Themen wie Schuldenfonds oder Zinsbeihilfen oder Neuverschuldungsgrenze enthalten. Ich habe versucht, sie in einer möglichst klaren und auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbaren Weise zusammenzuführen.
Das Interview führe Stefan Dietrich.