Ein starkes Hessen braucht starke Flughäfen
Herr Landtagspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die erste Plenarwoche nach unserer Sommerpause ist aus Sicht der Hessischen Landesregierung der richtige Zeitpunkt, um sich mit der Bedeutung und der Situation der beiden wichtigen, zentralen Einrichtungen für den Flugverkehr im Norden und Süden, nämlich dem Frankfurter Flughafen und dem Flughafen in Kassel, zu beschäftigen. Diese Projekte sind deshalb von Bedeutung, weil sie für unser Bundesland Hessen in einer außergewöhnlichen Weise unsere Wirtschaftskraft, unseren Erfolg, das Einkommen unserer Bürgerinnen und Bürger sowie unsere Zukunftschancen bestimmen.
Das gilt sowohl für den Frankfurter Flughafen mit einem Potenzial, das bei einem Ausbau über die 70.000 Menschen, die heute dort arbeiten, hinausgeht; zumindest für die unmittelbare Region geht es messbar um weitere 40.000 Arbeitsplätze. Das gilt auch für die Region Nordhessen, die den Flughafen Kassel-Calden zur Stabilisierung ihrer regional erfolgreichen Entwicklung benötigt und ebenfalls einige Tausend Arbeitsplätze daraus erschließen kann.
Ich gebe diese Regierungserklärung heute ab, weil es jenseits der grundsätzlichen Aspekten drei konkrete Punkte gibt, die die Verhaltensweise der Landesregierung und die politische Diskussion mitbestimmen können:
Erstens: Nach dem eindeutigen und außerordentlich begrüßenswerten Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs zum Planfeststellungsbeschluss zum Flughafen Kassel-Calden ist klar, dass die Landesregierung und das Regierungspräsidium ordentlich und solide gearbeitet haben; sonst hätte das Gericht nicht so entschieden. Es war aber auch notwendig, Konsequenzen zu ziehen durch eine Veränderung des Gesellschaftsvertrags, wie sie bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags für diesen Zeitpunkt vereinbart war, sodass das Land Hessen nunmehr 68 Prozent anstelle der bisherigen 50 Prozent der Gesellschafteranteile übernimmt.
Zweitens: Anfang August ist die Frist, die der Verwaltungsgerichtshof in Kassel der Hessischen Landesregierung und den anderen Verfahrensbeteiligten zur Stellungnahme in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren über den Sofortvollzug des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens gegeben hat, abgelaufen. Damit ist nunmehr ein Zeitpunkt erreicht, zu dem die Argumente zwischen der Genehmigungsbehörde und der Verwaltung einerseits und den Klägern andererseits ausgetauscht sind und es zu einer abschließenden Entscheidung durch die entsprechende Kammer des Gerichts kommen wird.
Drittens: Unmittelbar vor der Sommerpause hat das hessische Kabinett in Konsultationen mit den Fraktionen dieses Hauses für das Forum Flughafen und Region als Nachfolgeeinrichtung des Regionalen Dialogforums für den Frankfurter Flughafen eine gesicherte Zukunft entschieden. Damit ist das deutliche Signal gesetzt worden, mit den Anwohnern in der Region auch zukünftig einen Dialog zu führen, der bei allen Chancen, aber auch Belastungen, die ein solcher Flughafen mit sich bringt, ein vernünftiges und transparentes Miteinander gewährleistet.
Ich denke, alle drei Wegmarken sind wichtig für die Diskussion, die wir über die wirtschaftliche Entwicklung unseres Bundeslandes führen und die wir in den vergangenen Tagen und Wochen natürlich besonders intensiv geführt haben. Bevor ich auf einige der wichtigen Punkte im Zusammenhang mit den drei Fragestellungen eingehe, die ich erwähnt habe und die näher zu beleuchten sind, will ich noch einmal kurz darauf hinweisen, dass sich die außergewöhnliche Wirtschaftskraft unseres Bundeslandes letzten Endes nicht nur in dem für den Hessischen Landtag leidvollen Phänomen des Länderfinanzausgleichs niederschlägt, sondern auch in dem für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes positiven Element, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes höher ist als in jedem anderen deutschen Bundesland.
Diese Tatsache und der Aspekt, dass wir insgesamt als ein Land mit einem besonderen Maß an Wohlstand gelten, hängen entscheidend damit zusammen, dass uns die Zentralität unseres Bundeslandes besondere Chancen eröffnet. Es handelt sich um eine Zentralität, die historisch ist, die uns angesichts der globalen Herausforderungen in besonderer Weise neue Dimensionen erschließen kann, die uns aber auch, wenn wir diese Herausforderung nicht annehmen, in einen Rückstand versetzen wird, den wir nicht wieder aufholen können.
Meine Damen und Herren, ich möchte dies am Beispiel des Frankfurter Flughafens etwas plastischer machen. Die Summe der Arbeitsentgelte, also die Monatsgehälter und die dazugehörigen Sozialbeiträge, für die 70.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die unmittelbar in der umzäunten Region des Frankfurter Flughafens arbeiten, betrug 3,9 Milliarden Euro im Jahre 2007. Das sind etwa zwölf Prozent des gesamten Entgelts, das im Bundesland Hessen an Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgezahlt wurde. Arbeitnehmer, die am Frankfurter Flughafen in den unterschiedlichsten Firmen arbeiten, haben einen durchschnittlichen Jahresverdienst von 50.000 Euro. Der durchschnittliche Arbeitnehmer in unserem Bundesland Hessen hat einen Verdienst von rund 37.000 Euro – und auch das ist im Vergleich der Bundesländer eine durchaus beachtliche Zahl; denn, ich habe bereits eingangs gesagt, es ist die beste Zahl aller Bundesländer.
Aber dem nicht genug. Wenn wir uns die Struktur dieses Flughafens anschauen, müssen wir feststellen, dass dem Wert nach 40 Prozent des deutschen Exports über den Luftfrachtverkehr abgewickelt werden und dass von diesem Luftfrachtverkehr wiederum 60 Prozent vom Frankfurter Flughafen ausgehen. Von den insgesamt 3,5 Millionen Tonnen Fracht werden allein in Frankfurt 2,1 Millionen Tonnen abgefertigt und verschickt. Das heißt, die Wohlstandsfrage unseres Landes, die Wohlstandsfrage unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, hängt in einer entscheidenden Größenordnung davon ab, ob der Frankfurter Flughafen seine Leistungsfähigkeit behält und ausbauen kann, oder nicht.
Die Gutachten, die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erstellt worden sind, haben festgestellt, dass durch den Ausbau des Flughafens perspektivisch im Jahr 2020 mit einem Wertschöpfungsgewinn von rund 13,3 Milliarden Euro jährlich gerechnet werden könne. Das bedeutet, dass das wirtschaftliche Wachstum des Umfeldes, der Region in Höhe von sieben Prozent allein von der Frage des Flughafens bestimmt wird. Da das mehr als die Hälfte des gesamten Wachstums unseres Bundeslandes ist, haben Sie eine grobe Vorstellung davon, wie wirklich singulär wir in Bezug auf die weitere Entwicklung von diesem Flughafen abhängig sind.
Wir haben es am Beispiel des Frankfurter Flughafens in den letzten Jahrzehnten gemeinsam und in großer politischer Übereinstimmung geschafft, daraus nicht nur einen Flughafen zu machen, sondern die Zentralität des Raumes Rhein-Main zu nutzen, dass in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Flughafen gleichzeitig einer der größten Bahnhöfe sowie eines der größten Straßenverkehrskreuze Europas zusammengeführt werden konnten.
Wir haben am Frankfurter Flughafen nämlich nicht nur 50 Millionen Passagiere, wir haben auch mehr als sieben Millionen Bahnreisende, und wir haben mehr als 124 Millionen Kraftfahrzeuge, die an diesem Knotenpunkt in der Mitte Europas jährlich ankommen, abgehen und in beachtlichem Maße miteinander verbunden sind. Nicht zuletzt ist diese – wie die Fachleute das nennen – Intermodalität, das heißt die Verbindung der drei Elemente Schiene, Straße und Flugverkehr, weltweit in dieser Form und Größenordnung einzigartig. Dieser Flughafen nimmt unter den Zukunftsherausforderungen der Vereinbarkeit verschiedener Wege nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Ökologie eine positive und vorbildhafte Rolle ein.
Meine Damen und Herren, der Frankfurter Flughafen ist ein Weltflughafen, den es in unserer Bundesrepublik logischerweise kein zweites Mal gibt. Dort fliegen allein 60 Prozent des Frachtverkehrs des Exportweltmeisters ab. In seiner Dimension hat der Flughafen Kassel-Calden für die nordhessische Region eine vergleichbare Aufgabe.
Die nordhessische Region ist in den letzten Jahren eine der wachstumsstärksten Regionen der Bundesrepublik Deutschland geworden. In den Entscheidungen vieler Unternehmen, die Bedingungen Nordhessens bezüglich der Ausbildung der Bürgerinnen und Bürger und auch der noch vorhandenen Arbeitskräfte zu nutzen, spiegelt sich zugleich ein Vertrauensvorschuss wider. Der Vertrauensvorschuss bezieht sich zum einen darauf, dass es gewährleistet wird, dass die nordhessische Region zu einem angemessenen Verbindungs- und Vernetzungsplatz in der Mitte Deutschlands und Europas wird. Denn durch die Fehlentscheidungen in den Neunzigerjahren sind viele Straßenverkehrsverbindungen noch immer nicht vorhanden.
Zum Zweiten besteht der Vertrauensvorschuss darin, dass in einer angemessenen, für die Wirtschaftskraft dieser Region notwendigen Form der Flugreise-, Geschäfts- und Frachtverkehr in dem zentralen Bereich von Kassel und Nordhessen möglich wird. Diesen Vertrauensvorschuss muss die Landespolitik einlösen, wenn sie will, dass sich die nordhessische Region erfolgreich weiterentwickelt.
Meine Damen und Herren, manche Argumente sind nicht nur politische Argumente, sondern sie sind am Ende juristische Argumente. Zum Glück ist es in unserem Land so, dass all diese politischen Diskussionen am Ende in einer rechtsstaatlichen Debatte vor einem Gericht mit einer Entscheidung enden. Das gilt z. B. auch für die Frage, die, wie ich gelesen habe, heute wieder in Anträgen eine Rolle spielt: Wir brauchen den Verkehrslandeplatz Kassel-Calden doch gar nicht, weil es doch noch andere Flughäfen in der Gegend gibt.
Ich will nun zitieren, dass der Verwaltungsgerichtshof in Kassel ausdrücklich festgestellt hat, dass „der Ausbau des Verkehrslandeplatzes Kassel-Calden geeignet ist, die Sicherheit des Luftverkehrs und die Anbindung der Region an den nationalen und internationalen Kontakt zu verbessern“, und „dass die Ausbaumaßnahmen zu einer besseren und sicheren Abwicklung des Flugverkehrs beitragen.“ Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner festgestellt, dass „ein konkreter Bedarf an Luftverkehrsdienstleistungen nachgewiesen ist.“
Auch die immer wieder vorgetragene Begründung, andere Flughäfen könnten das tun, ist ausdrücklich erwähnt. Ich zitiere erneut: Eine Verweisung der Fluggäste auf andere Flughäfen würde sämtliche Ziele verfehlen, die – neben der Bedarfsdeckung – mit dem Ausbau des Flughafens in Bezug auf den Standort Kassel-Calden berechtigterweise angestrebt werden. Diese Ziele können nur verwirklicht werden, wenn der Bedarf nicht irgendwo, sondern gerade in der Region Kassel gedeckt wird. Die Forderung, das Projekt aus diesen Erwägungen heraus aufzugeben, würde nicht auf einen bloßen Abstrich an der Zielvollkommenheit hinauslaufen, sondern bedeuten, dass auf ganz wesentliche Planungsziele verzichtet werden würde.
Deshalb sage ich: Die regionalökonomischen Auswirkungen dieses Flughafens sind inzwischen weitgehend – jedenfalls außerhalb dieses Hauses – unumstritten. Es gibt die gemeinsame Erklärung der kommunalen Gesellschafter der Flughafen GmbH Kassel vom 30.11.2004, die nach unserer Auffassung – wir sind Mitgesellschafter – nach wie vor uneingeschränkt Geltung hat. Dort heißt es: Nordhessen ist eine strukturschwache Region. Die kommunalen Gesellschafter sehen mit Sorge, dass Nordhessen ohne Einbindung in das innereuropäische Luftverkehrsnetz im Wettbewerb mit anderen europäischen Regionen um Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft weiter zurückfallen wird.
Ich sage ausdrücklich: Ich stimme dem Landrat des Landkreises Kassel zu, der sagt: Der Flughafen ist kein Prestigeobjekt für ein paar nordhessische Politiker. Vielmehr ist der geplante Umbau des alten Verkehrslandeplatzes zum Gewerbegebiet für die Region nördlich von Kassel von allergrößter Bedeutung. Und für den Flughafen gilt: Nicht mehr der Tourismus, also Ferienflüge nach Mallorca oder Teneriffa, stehen im Mittelpunkt des Projekts, sondern die zentrale Funktion des Flughafens für die Wirtschaft. Diese Einschätzung teilt die Hessische Landesregierung ausdrücklich.
Die rechtlichen Voraussetzungen für den Bau des Flughafens sind inzwischen gegeben. Die Bundesregierung hat die Entscheidung vorsorglich, in Übereinstimmung mit der Landesregierung, der Europäischen Kommission zur Notifizierung vorgelegt. Angesichts vielfältiger Entscheidungen der Europäischen Kommission in anderen Sachen dieser Art gehen Landesregierung und Bundesregierung gemeinschaftlich davon aus, dass auch hier ein positives Ergebnis erzielt wird.
Ich will einfügen: Kollegen der Sozialdemokraten haben in einem Antrag darauf hingewiesen, es gebe keinen Betreiber für den Flughafen. Ich will hier nur sagen: Die Gesellschafter des Flughafens, alle miteinander, sind sich darüber einig, dass der derzeitige Betreiber, die Flughafengesellschaft, dies weiter tun wird, bis ein Zustand des Neubaus des Flughafens erreicht ist, zu dem es angemessen ist, mit Bietern darüber zu diskutieren, wer das günstigste Angebot für den Betrieb eines dann in absehbarer Zeit zu bauenden Flughafens abgibt. Es geht alles ein bisschen wie beim Kartoffelessen der Reihe nach. Erst kommt das Planungsrecht, dann kommt der Bau, und dann kommt der Betrieb. So werden die Gesellschafter das auch miteinander abwickeln.
Das Land Hessen ist in der Vergangenheit mit einem Anteil von 50 Prozent an der Flughafengesellschaft Kassel, über die ich spreche, beteiligt gewesen. Die anderen Gesellschafter – die Stadt Kassel, der Landkreis Kassel und die Gemeinde Calden – haben je 16,6 Prozent der Anteile gehalten. Bereits mit der im April 2004 abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung zum Flughafenausbau hatten die Gesellschafter vereinbart, die Beteiligungsverhältnisse zum Zeitpunkt des Baubeginns neu zu ordnen.
Nachdem nun der Verwaltungsgerichtshof den Planfeststellungsbeschluss für rechtmäßig erklärt hat, halten die Gesellschafter die zügige Umsetzung dieser Vereinbarung für geboten. Danach sollen in Zukunft das Land Hessen 68 Prozent der Anteile, die Stadt und der Landkreis Kassel je 13 Prozent der Anteile und die Gemeinde Calden sechs Prozent der Anteile erhalten. Hierbei – das räumen wir ein – haben wir insbesondere die finanzielle Leistungsfähigkeit des kleinsten Partners, der Gemeinde Calden, berücksichtigt. Die Veränderung der Gesellschaftsanteile hat zur Folge, dass die Verteilung der auftretenden Betriebsverluste ab dem 1. Januar 2009 ebenfalls nach dem neuen Schlüssel erfolgen wird.
Für unsere Investitionsplanung im Hessischen Landtag hat das die konkrete Folge, dass die Beträge beim Landkreis und der Stadt Kassel sinken und dass für das Land Hessen demnach in Zukunft insgesamt 119 Millionen Euro des Bauvolumens – das sind elf Millionen Euro mehr als nach der bisherigen Aufteilung – zu tragen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle – das beobachten viele – muss auch klar sein: Dies ist eindeutig eine Entscheidung, die der Hessische Landtag als Haushaltsgesetzgeber treffen muss. Der Unterschied zwischen den Flughäfen Frankfurt und Kassel-Calden bleibt nämlich erheblich. Frankfurt ist der einzige Flughafen in Deutschland, der aus eigenen Mitteln geschaffenes Planungsrecht in Baumaßnahmen umsetzen kann. Kein anderer Flughafen in Deutschland ist dazu in der Lage. Alle benötigen die öffentlichen Investitionen und die dafür notwendigen Infrastrukturzuschüsse. Das gilt auch für Kassel-Calden. Wer immer in Zukunft in Hessen über Haushaltspläne verhandelt, muss positiv zu Kassel-Calden stehen; sonst hat die nordhessische Region bezüglich ihrer Anbindung an das deutsche und europäische Flugverkehrsnetz nicht die geringste Chance, auf Augenhöhe zu kommen.
Ich hoffe, dass nach den vielen Entscheidungen, die der Hessische Landtag in der Vergangenheit getroffen hat, auch in Zukunft sichergestellt ist, dass Kassel-Calden nicht der Spielball anderer politischer Interessen wird.
Der Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Frankfurt ist am 18.12.2007 erlassen worden und war Gegenstand hinreichender Diskussionen unter uns im Hessischen Landtag.
Die Gelegenheit der streitenden Parteien zur Stellungnahme vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel ist am 4. August abgelaufen. Damit ist es der Hessischen Landesregierung, wie auch immer sie Stellung nehmen wollte, nicht mehr möglich, neue Argumente vorzulegen.
In der öffentlichen Diskussion – deshalb ist es ein Gegenstand, der hier auch der Erörterung bedarf – gibt es immer wieder die Frage, ob Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses in einer solchen Phase noch möglich seien. Nach Auffassung der Hessischen Landesregierung kann das als ausgeschlossen betrachtet werden. Denn auch eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses – wie das Juristendeutsch heißt, für das ich mich entschuldige – „von Amts wegen“ ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.
Das Hessische Verwaltungsverfahrensgesetz enthält in den §§ 48 und 49 Regelungen über die Rücknahme rechtswidriger und den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte. Der Planfeststellungsbeschluss vom 18.12.2007 ist nicht rechtswidrig – das hat auch noch niemand behauptet –, so dass eine Rücknahme nach § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht in Betracht kommt. Im Übrigen, nur für Neugierige: Auch für den Fall der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes wäre ein Ausgleich von Vermögensnachteilen gegeben; erst recht natürlich für die Rückabwicklung eines rechtmäßigen.
Auch ein Widerruf nach § 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist ausgeschlossen. Nach § 49 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt – begünstigend für die Flughafengesellschaft –, wie es ein solcher Planfeststellungsbeschluss ist, nur unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden, die hier nicht vorliegen. Es gibt eine ganz weite Formulierung in § 49 Abs. 2 Nr. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, dass ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden kann, „wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde“. Bei allem Respekt – verschiedene politische Umstände sind keine nachträglich eintretenden Tatsachen im Sinne des Wortlautes.
Um auch das sehr deutlich zu sagen: Damit wäre auch jedem Prozessbevollmächtigten des Landes Hessen bei gesetzestreuer Arbeit verboten, Erklärungen über beabsichtigte Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses in einem gerichtlichen Verfahren abzugeben.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat inzwischen bestimmte Vorarbeiten durch die Fraport AG gebilligt, indem er in fünf Eilverfahren Teilentscheidungen getroffen hat, durch die die Eilanträge insoweit zurückgewiesen worden sind, dass nach diesen Entscheidungen die Fraport AG jetzt bereits bestimmte Arbeiten, wie Kartierungs- und Vermessungsarbeiten, Baugrunduntersuchungen sowie ökologische Vermeidungs- und Minimierungsarbeiten, durchführen kann. Damit dies auch auf fremden Grundstücken geschehen kann – denn der Wald ist im Augenblick Eigentum der Gemeinde Kelsterbach –, hat das Regierungspräsidium in Darmstadt die Fraport AG durch Beschluss in den Besitz eingewiesen. Nach diesem Beschluss darf die Fraport AG seit dem 21. Juni die fremden Grundstücke betreten und dort die vorgesehenen Maßnahmen durchführen.
Meine Damen und Herren, das Gericht hat im Übrigen angekündigt, über die Eilanträge insgesamt vor dem Februar des Jahres 2009 entscheiden zu wollen.
Natürlich ist in diesen Tagen insbesondere die Frage der Abwägung bezüglich des Nachflugverbotes und seiner wenigen Ausnahmen immer wieder Gegenstand der öffentlichen Diskussion, und natürlich konzentrieren sich auch die Debatte, die wir führen, und die Erwägungen über das gerichtliche Verfahren, das sicher noch viele andere Aspekte hat, in einer besonderen Weise darauf.
Die Genehmigungsbehörde hat hier nach langer Abwägung einen angesichts der intensiven Diskussion über die Bedeutung des Nachflugverbotes und auch die Bedeutung dessen, was an Zusagen dafür geschehen ist, ganz bestimmt nicht einfachen Weg eingeschlagen, einen Kompromiss zu suchen, der letztlich mit den 17 genehmigten Nachtflügen, die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegen, ein sehr präzises Ergebnis gefunden hat. Dabei bleibt es aus Sicht der Landesregierung eine schmerzliche Erkenntnis, dass ohne einige wenige Ausnahmen ein Verbot rechtlich nicht haltbar wäre. Aber diese Auffassung ist inzwischen wiederum – ich habe hierzu schon mehrfach Gerichtsentscheidungen vorgetragen – durch eine weitere gerichtliche Entscheidung bestätigt worden.
In seinem Urteil vom 24. Juli 2008 hat das Bundesverwaltungsgericht zum Flughafen Leipzig-Halle erneut seine Rechtsprechung der letzten zwei Jahre bestätigt, dass ein Nachtflugverbot für die gesamte Nacht bei einem Verkehrsflughafen nicht verhängt werden darf, wenn ein entsprechender Nachtflugbedarf anderweitig nicht bewältigt werden kann. Jede andere Entscheidung als die getroffene hätte zu mehr Nachtflügen und nicht zu weniger Nachtflügen auf dem Frankfurter Flughafen geführt.
Die Hessische Landesregierung ist im Übrigen – das will ich ausdrücklich sagen – durchaus stolz darauf, dass der EU-Kommissar für Umwelt, Herr Dimas, in diesen Tagen den Frankfurter Flughafen und sein Genehmigungsverfahren als ein Beispiel für eine ausgewogene Berücksichtigung verkehrs- und umweltpolitischer Aspekte in der europäischen Politik bezeichnet hat. Meine Damen und Herren, auch das spricht für die Arbeit der Genehmigungsbehörde.
In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich sagen: Die Landesregierung begrüßt, wie sich in den Debatten der letzten Monate in diesem Haus Positionen durchaus angenähert haben. Der Vertreter der SPD-Fraktion hat in der Sitzung am 4. Juni 2008 gesagt – ich zitiere Herrn Kollegen Walter –: Ich glaube, dass dieser Planfeststellungsbeschluss so, wie er erlassen worden ist, eine hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit in sich trägt. Ich glaube, dass in der Situation, in der wir vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses waren, in der Tat ein Planfeststellungsbeschluss ohne Nachtflüge rechtswidrig gewesen wäre.
Ich erhoffe mir, dass dieser Konsens, jedenfalls unter den großen politischen Kräften dieses Hauses und den Kollegen der FDP, auch in Zukunft erhalten bleibt.
Wir haben eine etwas spannende Phase gehabt – ich will das gleich dazusagen –, weil Frau Kollegin Ypsilanti im Landtagswahlkampf gesagt hat: „Wir wollen das rechtlich alles prüfen lassen, ob das stimmt, was die Landesregierung dort sagt.“ Die Landesregierung begrüßt, dass Kollege Frankenberger mitgeteilt hat, dass ein im Auftrag der SPD-Fraktion erstelltes Rechtsgutachten – das ich nicht kenne, sondern nur die Zusammenfassung von Herrn Frankenberger – zu dem Ergebnis kommt, dass die Landesregierung noch Korrekturen vornehmen könne; allerdings würden diese theoretisch denkbaren Korrekturen das Ausbauverfahren voraussichtlich um Jahre zurückwerfen.
Die Positionierung, dass man das machen könne, ohne ein neues Planfeststellungsverfahren zu beginnen, hält die Landesregierung für falsch. Allerdings, wenn es um Jahre zurückgeworfen ist, meint der Anwalt möglicherweise auch, dass man in der Tat ein neues Planfeststellungsverfahren beginnen kann. Wenn das die gemeinsame Überzeugung ist, ist das auch eine gute Begründung dafür, warum auch die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion ein solches Verfahren im Interesse der wirtschaftlichen Bedeutung des Frankfurter Flughafens nicht wollen und nicht wollen können.
Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass das nicht der Konsens im Hause ist. Wenn Herr Kollege Schaus für die Linkspartei sagt, nach dem Banner, das jetzt in dem rechtswidrig errichteten Hüttendorf im Kelsterbacher Wald hängt, gilt: „Im Bannwald darf es keinen weiteren Ausbau des Flughafens geben“, dann widerspricht das diametral dem Grundkonsens der bisher im Landtag für Regierungstätigkeiten verantwortlichen Parteien von CDU, FDP und SPD.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den Rahmenbedingungen, die ich geschildert habe, ist es eine der zentralen Fragestellungen gerade für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu vertreten oft vorgegeben wird. Denn um deren Arbeitsplätze geht es, die es zu einem beträchtlichen Teil, gerade auch die einfacheren Arbeitsplätze, nur deshalb gibt, weil es diesen Flughafen in seiner Dimension gibt und weil es die Wachstumsbeziehungen gibt.
Die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger bei der Diskussion über die Entwicklung des Flughafens ist für uns alle von besonderer Bedeutung. Ich bin deshalb froh, dass wir mit dem Forum Flughafen und Region eine angemessene Nachfolge für das Regionale Dialogforum gefunden haben.
Die drei Säulen Expertengremium, Konvent und Information der Bürger durch das Umwelthaus werden jetzt gestaltet werden müssen. Ich bin froh, dass es mit der Deklaration vom 12. Dezember 2007 und den Vorbereitungen des Anti-Lärm-Pakts kombiniert werden konnte. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit weiß, dass dies nicht nur theoretische Vorstellungen und Zukunftsprognosen sind, sondern dass gerade der erste Teil der im Regionalen Dialogforum gemeinsam und, wie ich anerkenne, unter dem Vorsitz der Deutschen Flugsicherung – was ein wichtiger Schritt ist – beschlossenen Maßnahmen jetzt in der Realisierung ist.
Schon im Augenblick werden mehr und mehr Verfahren umgestellt, um dauerhaft dazu zu kommen, dass für den Landeanflug in der Nachtzeit ein Verfahren gilt, das technisch CDA-Verfahren heißt, Continuous Descent Approach, indem die Maschinen nicht mehr, um von einer Flughöhe zur nächsten zu kommen, jeweils die Triebwerke wieder auf Schub stellen und deshalb lauter machen, sondern indem sie mit möglichst leisen, nämlich fast auf Leerlauf stehenden Triebwerken den gesamten Weg der Landung gehen. Dieses Verfahren, das bisher in Deutschland nicht zugelassen war, wird jetzt in Frankfurt erprobt und wird in Zukunft zu einer Lärmverminderung beitragen.
Noch wichtiger ist, dass es ein Verfahren gibt, das Offset Approach heißt, das Ende dieses Jahres – so hoffen wir – in eine Realisierung gehen kann. Dieses versetzte Anflugverfahren soll ermöglichen, dass die Flüge nicht so lange vor einer Landebahn schon auf gerader Linie zur Bahn sein müssen, was wiederum konkret zur Folge hat, dass besonders stark belastete Ballungsräume wie etwa Offenbach und Mainz bei diesem Anflugverfahren in Zukunft nicht mehr direkt überflogen, sondern umflogen werden können.
Wer auf der Welt ein bisschen geflogen ist, der weiß, dass das in anderen Ländern der Welt längst Standard war. In der Bundesrepublik Deutschland war es bisher nicht zugelassen. Es wird am Frankfurter Flughafen musterhaft erprobt werden, und ich bin ganz sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise sehen: Regionaler und kontinuierlicher Dialog, wie wir ihn zugesagt haben, ist nicht nur eine theoretische Größe, sondern hat gerade beim aktiven Lärmschutz praktische Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren, nicht zuletzt weil Anträge mit der Regierungserklärung verbunden worden sind, will ich darauf hinweisen, dass die Sicherheitskontrollen auf dem Frankfurter Flughafen – wenn wir im konkreten Verfahren sind und über die gesamte Bedeutung des Flughafens reden – für uns alle eine besondere Herausforderung darstellen. Zum einen ist es eine technisch und polizeilich unglaublich aufwendige Aufgabe, bei einem so riesigen Flughafen mit 70.000 Beschäftigten, die tagein, tagaus dort hineingehen, eine vollständige Sicherheit zu gewährleisten.
Es ist aber auch eine Aufgabe, die in einem Wettbewerb der internationalen Flughäfen unter dem Druck der Fluggesellschaften und unter Kostengesichtspunkten steht und bei der wir gemeinsam mit der Fraport AG nach wie vor der Auffassung sind, dass wir diese Tätigkeit keinem internationalen oder europäischen Ausschreibungsverfahren unterwerfen sollten, das uns das Risiko bringt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr zu den Löhnen und Gehältern beschäftigen zu können, die wir als Arbeitgeber für angemessen halten, um die Sicherheitsaufgaben am Frankfurter Flughafen tatsächlich zu übernehmen.
Deshalb bleibt das unter den europäischen Bedingungen keineswegs einfach zu erreichende Ziel, entweder sicherzustellen, dass es durch andere geeignete Maßnahmen nicht zu diesen Ausschreibungen, sondern zur Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Frankfurter Flughafen kommt, oder aber dass eine Landesgesellschaft errichtet wird, die vergleichbar zu dem ist, was am Münchner Flughafen unter anderen rechtlichen Bedingungen vor einer ganzen Reihe von Jahren etabliert worden ist.
Das ist eine zusätzliche Verantwortung des Landes, würde es dazu kommen. Wir sind dazu bereit, sie zu übernehmen. Aber wir erwarten vom Bund, dass er gegenüber Europa das Notwendige tut, um sicherzustellen, dass wir an dieser Stelle eine Sicherheit zu einem angemessenen Lohn für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben können.
Ich will zum Zweiten nur darauf hinweisen, dass für die Landesregierung in diesen Tagen natürlich auch der Emissionshandel bei Fluggesellschaften eine zunehmende Rolle spielt. Keiner in Deutschland ist davon mehr betroffen als wir, und es ist keine einfache Frage. Denn der Emissionshandel ist prinzipiell eine richtige Entscheidung.
Die Hessische Landesregierung, auch das Umweltministerium, hat die Handelbarkeit von
Emissionszertifikaten zu einem früheren Zeitpunkt erprobt und steht ihr außerordentlich positiv gegenüber, mehr als das viele andere in der Bundesrepublik gemacht haben.
Trotzdem muss klar sein: Eine solche Wettbewerbsveränderung muss so sein, dass sie nicht ausgerechnet die interkontinentalen Flughäfen in einer Weise trifft, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren geht. Das bedeutet, hier bedarf es interkontinentaler Absprachen, oder es bedarf einer Behutsamkeit der Einführung, die sicherstellt, dass Flüge von uns, also Frankfurt und in Wahrheit Europa, nicht in andere Regionen umgelenkt werden.
Damit lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen. Wenn ich über die einzelnen Fragen der Flughäfen Frankfurt und Kassel und ihrer Entwicklung gesprochen habe, rede ich über unseren Raum, über die Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung für die Menschen in dieser Region. In den letzten Jahren hat sich aber eines verändert: dass die Frage, ob wir im Wettbewerb mit anderen erfolgreich sein können oder nicht, nicht mehr eine Frage ist, an die sich manche noch erinnern, ob München oder Amsterdam schneller wächst, ob Frankfurt sich auf Platz eins behaupten kann oder irgendein anderer Flughafen Frankfurt überholt. Das ist alles wichtig, aber das sind inzwischen Fragen zweiter Ordnung. Die wirklichen Fragen des internationalen Flugverkehrs stellen sich durch die Globalisierung und das Gott sei Dank immer bessere und weitere Entwickeln anderer Regionen der Welt.
Wir haben in diesen Tagen alle viel nach China geschaut. Ich denke, man sollte es beachten. Die Zahl der Passagiere im chinesischen Luftverkehr betrug im Jahre 2006 rund 190 Millionen. Ein Jahr zuvor waren es noch 160 Millionen Passagiere. Im Jahr 2007 wird die Zahl weiter gewachsen sein, und alle gehen davon aus, dass spätestens im Jahre 2010 die Größenordnung zwischen 270 und 300 Millionen Flugpassagieren pro Jahr erreicht wird. In der gleichen Zeit wird es eine Steigerung bei der Luftfracht innerhalb von China um 80 Prozent geben.
Meine Damen und Herren, wenn das erst einmal im Flugzeug ist, spielt es sich natürlich nicht nur in China ab. So wie wir 40 Prozent unseres Exports über Luftfracht abwickeln, wird es jedes andere Land in Zukunft auch tun. Dann muss man wissen, wenn man sich derzeit die großen Ziele vom Frankfurter Flughafen aus anschaut, dass man auf gar kein asiatisches Ziel kommt. Da ist Spanien, da ist Italien, dann kommen irgendwann einmal die Vereinigten Staaten von Amerika. Asien hat derzeit am gesamten Frankfurter Luftverkehr einen Anteil von sechs Prozent. Wenn wir wollen, dass aus dieser Zahl in der Veränderung der globalisierten Welt und ohne Rückgang in anderen Regionen zwölf, 15 oder 18 Prozent werden – das muss es werden, wenn wir einigermaßen angemessen am globalen Wettbewerb teilnehmen
wollen –, dann sieht man, was die Entscheidung bedeutet, ob wir in den nächsten Jahren die Lande- und Startkapazitäten haben, damit es bei uns stattfinden kann. Denn wenn wir sie nicht haben, wird es irgendwo anders stattfinden.
Frankfurt hat den besseren Platz, die bessere Organisation, die zentralere Lage. Aber das ist nicht selbstverständlich. Noch mehr gilt es in einer zunehmenden Weise für den Wettbewerb, wer das Drehkreuz zwischen Europa und Asien wird. Wir haben eine endlos lange Zeit geglaubt, dass dies selbstverständlich Europa ist. Wiederum ist das keine Frage von Frankfurt allein, sondern von Europa. Jeder, der von Asien nach Amerika wollte, musste irgendwann in Europa landen. Von dieser Veranstaltung, dass man den Flug unterbricht, profitieren wir heute endlos. Fast alle, die aus Indien oder China in die Vereinigten Staaten wollen, landen in Frankfurt oder London zwischen.
Vor dieser Herausforderung werden natürlich auch in Zukunft die Menschen die Frage stellen, wo es am geeignetsten ist. Die Arabische Halbinsel ist auf dem Weg, das zu ihrem zentralen Nachfolgegeschäft für die Zeit nach den direkten Gewinnen durch das Erdöl zu machen. Was das praktisch heißt, kann man an wenigen Beispielen sehen.
Die Regierung des Emirates Dubai hat 2007 ein Strategiepapier vorgelegt, wonach bis zum Jahr 2015 insgesamt 82 Milliarden US-Dollar in den Luftfahrtsektor investiert werden sollen. In Flugzeugen heißt das zum Beispiel, dass die Fluggesellschaft Emirates für ein Land, das 1,4 Millionen Einwohner hat – weniger als der Umlandverband Frankfurt – in Zukunft rund 180 Flugzeuge haben wird. Sie hat 58 Großraumflugzeuge des Typs Airbus A 380 fest bestellt. Die Lufthansa hat für unser Land mit 80 Millionen Einwohnern 15 bestellt. Die Beschaffung allein der A-380-Flugzeuge wird 32 Milliarden Euro kosten.
Meine Damen und Herren, wer einmal in dieser Region war – wir nehmen diese Kontakte intensiv wahr – sieht auch: Zur Zeit hat der internationale Flughafen von Dubai eine Kapazität von 30 Millionen Passagieren. Die ist auch ausgelastet, aber die würde niemanden, der vom Frankfurter Flughafen kommt, erschrecken. Dieser Flughafen wird in den nächsten Jahren auf eine Passagierzahl von circa 60 Millionen Passagieren pro Jahr erweitert. Auch das könnte noch eine gewisse Gelassenheit auslösen.
Aber jeder weiß: Parallel dazu wird der Al Maktoum International Airport in Dubai gebaut, in Spuckweite von dem anderen Flughafen. Er befindet sich bereits in Bau und soll im Jahre 2015 fertig sein. Im Jahr 2015 wird er ausgestattet sein mit insgesamt sechs Landebahnen, von denen vier simultan genutzt werden können, und einer Gesamtkapazität von 120 Millionen Passagieren pro Jahr. Das wäre unter heutigen Bedingungen der potenziell größte Flughafen der Welt. Das ist ein Flughafen, der für den Schwerpunkt der interkontinentalen Vernetzung von Fracht mit einer daneben liegenden Freihandelszone gebaut wird.
Natürlich soll der Abu Dhabi International Airport im Emirat daneben, der derzeit eine Kapazität von rund fünf Millionen Passagieren hat, also kurz oberhalb von Frankfurt-Hahn, schon im Jahre 2015 bei einer Kapazität von 40 Millionen Passagieren liegen.
Von einigen weiteren Flughäfen der Region, die wir auch noch für groß halten würden, will ich gar nicht reden. Das bedeutet konkret: Im Jahr 2015 steht dem hoffentlich erweiterten Flughafen Frankfurt in der Konkurrenz ein Netz von Flughäfen am Golf mit einer Kapazität von über 200 Millionen Passagieren zur Verfügung. Ich sage ausdrücklich: Das kann alles durchaus auf Sand gebaut sein. Das Drehkreuz, das dort entsteht, ist künstlich. Diese Flughäfen haben kein Hinterland. Es macht wenig Sinn, dort ökonomische Strukturen zu vernetzen, z. B. Intermodalität herzustellen, wie das in Europa der Fall ist. Es gibt viele gute Gründe, mit Gelassenheit zu glauben, dass Europa stark genug ist, ein Knotenpunkt zwischen Asien und Amerika bleiben zu können. Aber so, wie es die Auffassung gibt, dass es keinen Flugverkehr in Frankfurt geben muss – Herr Walter (SPD) hat damals gesagt, man kann ihn auch nach Amsterdam schicken –, so stehen wir heute vor der Erkenntnis, dass man keinen transkontinentalen Flugverkehr in Europa mehr haben muss. Die Asiaten und die Amerikaner können das mittels eines Flughafens in der Mitte unter sich abwickeln.
Vor dieser Dimension werden wir dabei beobachtet, was wir mit unseren Flughäfen machen und wie schnell wir dies tun – in dem Wissen, dass es in einer globalisierten Welt keine Chance mehr gibt, allein mit regionalem Handel wirtschaftlich erfolgreich zu überleben, in dem Wissen, dass Spezialisten aus jedem Ort unseres Bundeslandes eine Chance haben müssen, ihr spezielles Wissen an jeden Platz der Welt bringen zu können. Die Frage, ob sie dies schnell oder nur langsam tun können, ob sie es aufgrund verengter Kapazitäten preiswert machen können oder teuer machen müssen, entscheidet über wirtschaftliches Wachstum, über Arbeitsplätze und über die Zukunftschancen junger Menschen.
Noch einmal: Wer heutzutage am Frankfurter Flughafen arbeitet, verdient, grob gerechnet, durchschnittlich 30 bis 40 Prozent im Jahr mehr, als wenn er an anderer Stelle arbeiten würde. Wer heutzutage in Hessen in der Nähe der Flughäfen arbeitet, verdient mehr als an jedem anderen Ort in der Bundesrepublik Deutschland. Wer heutzutage in der Bundesrepublik Deutschland arbeitet, gehört zu den Menschen mit den höchsten Einkommen in der Welt. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das beruht auf den politischen Rahmenbedingungen.
Wir sind ein Landtag. Wir machen keine Weltpolitik. Wir bestimmen nicht, an welcher Stelle Flughäfen gebaut werden. Wir können aber darüber entscheiden, ob wir unseren Bürgern die Chance geben, mit großer Aussicht auf Erfolg an diesem Wettbewerb teilzunehmen, oder ob wir ihnen diese Chance verwehren. In diesem Sinne wird die Hessische Landesregierung ihre Aufgabe weiterhin erfüllen.
Bildung
// Energie
// Finanzen
// Flughafen Frankfurt
// GM
// Interview
// Opel
// Schule
// Steuerpolitik
// Wirtschaft