Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der Rheinischen Post
Rheinische Post: Werden Sie Weihnachten noch Ministerpräsident sein, oder sitzt dann Andrea Ypsilanti auf Ihrem Stuhl?
Koch: Wenn Frau Ypsilanti sagen sollte, sie trete an, dann bin ich zu sehr Demokrat, als dass ich sagen würde: Das klappt sowieso nicht. Es gab ja auch nach dem sehr knappen Ausgang der Landtagswahl schon eine Phase im Februar, in der ich meinem Kabinett gesagt habe: Sorgt für eine ordentliche Übergabe.
RP: Haben Sie sich aufgegeben?
Koch: Natürlich nicht. Wenn Sie mich nach der Prognose fürs Jahresende fragen, antworte ich: Das ist unkalkulierbar wie beim Roulette in der Spielbank Wiesbaden.
RP: Also Fifty-Fifty-Chance für Schwarz und Rot, für Koch und Ypsilanti?
Koch: Ypsilanti hat die Wahl zwischen Feigheit und möglicherweise politischem Selbstmord. Es lebt sich unbequem in einer Sackgasse. Dort steckt sie nämlich und nicht etwa an einer Weggabelung. Wer wie sie mit hoher Geschwindigkeit in eine Sackgasse rast, überlegt am Ende, ob er nicht auch durch die Mauer kommen kann. Aber: Verliert Ypsilanti, weil in geheimer Abstimmung im hessischen Landtag nicht sicher ist, welchen Loyalitäten welcher Abgeordnete aus dem Lager von SPD, Grünen und Linkspartei wirklich folgen wird, ist sie politisch erledigt. Gewinnt sie mit SPD-, Grünen- und Kommunistenstimmen das Regierungsamt, ist die von der Bundes-SPD für den Herbst geplante Operation „Kanzlerkandidat Steinmeier“ im Ansatz zerstört. Steinmeier und Steinbrück stehen für eine andere SPD als die nach links weit offene Frau Ypsilanti. Steinmeier hätte die Möglichkeiten, eine Kandidatur Ypsilantis zu verhindern. Wenn sie kandidiert, kann er sich als Kandidat alle Beteuerungen schenken, es nicht auch mit Rot-Rot-Grün zu versuchen.
RP: Ihr Nach-Wahl-Bemühen um Sympathiewerbung bei den Grünen war aber doch auch ein Rohrkrepierer?
Koch: Die Grünen stehen für uns erst wirklich zu konstruktiven Gesprächen bereit, wenn das linke Ypsilanti-Projekt kaputt ist. Grün fürchtet nämlich eine neue politische Dolchstoßlegende durch die SPD.
RP: Wie geht es in Hessen politisch weiter, wenn Ypsilanti doch nicht im Spätherbst zur Ministerpräsidenten-Wahl antritt oder wenn sie antritt und scheitert?
Koch: Dann wird man schauen, ob neue Konstellationen möglich sind, konkret: ob zum Beispiel die Grünen bereit sind, mit CDU und FDP zu verhandeln.
RP: Was sagen Sie zu SPD-Finanzsenator Sarazzins „Zieht-euch-Pullover-an“-Rat in der Debatte um die Heizkosten-Explosion? Sind wir ein Volk von Jammerlappen?
Koch: Die Deutschen sind risiko-, nicht chancengeprägt. Aber es gibt Menschen, die objektiv in Schwierigkeiten sind. Und auch dies stimmt ja: Menschen, die bislang im Wohlstand lebten, müssen auch Sorge darum haben dürfen. Zu Sarazzin: Ein Politiker sollte sich genau überlegen, ob bei seinen Worten der Erkenntnis- oder der Verletzungswert höher ist. Bei Sarazzin ist Letzteres der Fall.
RP: Warum sind Sie eigentlich so defensiv, wenn es um drastische Steuerentlastungen geht?
Koch: Wir haben auf absehbare Zeit nicht das Entlastungspotential von 28 Milliarden Euro, wie das die CSU behauptet.
RP: Jetzt reden Sie wie ein Sozialdemokrat.
Koch: Überhaupt nicht. Ich bin zum Beispiel der Ansicht, dass der Staat die Menschen nicht gegen alle Widrigkeiten des Lebens schützen kann und es weder versprechen noch versuchen sollte. Wir in der CDU werden nicht gewählt als Partei, die für die Sicherung vor Notstand steht, wir werden gewählt, damit wir Wohlstand schaffen.
RP: Sie sind wieder auffallend in Sachen Kampf gegen Jugendkriminalität unterwegs. Das war doch der vermeintliche Wahlkampfschlager, der Sie beinahe politisch den Kopf gekostet hätte. Ist Roland Koch nicht lernfähig?
Koch: Die Sache ist im Januar tatsächlich nicht glücklich gelaufen. Dennoch bleibt Jugendkriminalität natürlich als bedrängendes Problem und Phänomen auf der Tagesordnung meiner Landesregierung.
RP: Also Knüppel-aus-dem-Sack gegen junge Kriminelle?
Koch: Eindimensionale Antworten sind falsch. Wir brauchen und wir verfolgen in Hessen eine Kombination aus Härte des Staates und vielfältigen staatlichen und privaten Angeboten zur möglichst frühzeitig ansetzenden Vorbeugung, beispielsweise in der neuen Jugendarrestanstalt Friedberg. Der Staat muss jungen Kriminellen einerseits schon wegen der Opfer zeigen, dass er sich nicht alles gefallen lässt, andererseits gerade diesem gefährdeten Personenkreis mehr Wege aufzeigen und anbieten, um den kriminellen Kreislauf zu beenden. Ich möchte, dass Hessen bei Jugendkriminalität weiterhin unter dem Bundesdurchschnitt bleibt.
Bildung
// Energie
// Finanzen
// Flughafen Frankfurt
// GM
// Interview
// Opel
// Schule
// Steuerpolitik
// Wirtschaft