Roland Koch im Interview mit dem „Handelsblatt“
Handelsblatt: Herr Ministerpräsident, nach der Unternehmenssteuerreform werden Sie, wieder im Team mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, das Konzept für die Erbschaftssteuerreform entwickeln. Was sind dabei Ihre Ziele?
Koch: Erstens steht fest, dass es weiterhin eine Erbschaftssteuer geben wird. Zweitens folgt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zunächst die Verpflichtung, dass Grundbesitz für die Erbschaftsteuer nach aktuellen Preisen bewertet werden muss. Die Folge, dass die Gesamtsumme des Erbes dadurch rechnerisch leider meistens höher ausfallen wird, wollen wir abmildern. Und bei der Unternehmensnachfolge wollen wir sicherstellen, dass niemand wegen der Erbschaftsteuer seinen Betrieb aufgeben muss. Unter diesen Vorgaben wollen wir eine möglichst gleichmäßige Besteuerung schaffen. Dies sehen Peer Steinbrück und ich gemeinsam so. Für die Union ist wichtig, dass keine zusätzliche Geldquelle für den Staat erschlossen wird.
Handelsblatt: Wie wollen Sie in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgehen?
Koch: Peer Steinbrück und ich haben bei der Unternehmensteuerreform gute Erfahrungen damit gemacht, erst einmal alle Fakten und Zahlen auf den Tisch zu legen und darüber eine sachliche gemeinsame Beurteilung zu finden. Danach beginnt dann der schwierigere Teil. Ich bin fest davon überzeugt, dass es gerechtfertigt ist, ein kleines Vermögen, das Menschen sich erarbeitet haben, zu schützen, und dafür Sorge zu tragen, dass ein Unternehmen nicht an der Erbschaftsteuer scheitert.
Handelsblatt: Wie wollen Sie das Problem lösen, dass nach dem Verfassungsgerichtsurteil künftig alle Privilegien, also gerade die für Immobilien und Betriebsvermögen, mit dem Gemeinwohl begründet werden müssen?
Koch: Zunächst einmal möchte ich den Finanzministern der Länder für ihre mutigen Vorarbeiten danken: Sie haben sehr deutlich gezeigt, dass es bei der Bewertung nicht länger zu Verschonungen kommen darf. Wenn wir also darüber hinaus nichts veränderten, würde es automatisch zu mehr Steuereinnahmen kommen. Finanziell entstehen so Spielräume für die eingangs skizzierten Entlastungen.
Handelsblatt: Wie wollen Sie diese verfassungsfest begründen?
Koch: Ich halte es für sehr wichtig, dass zum Beispiel der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel gesagt hat: Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen, auch die Steuersätze. Wenn alles vorurteilsfrei auf dem Tisch liegt, können wir verschiedene Varianten entwickeln und sie dann daran messen, ob sie die Schmerzgrenze der einen oder der anderen Partei überschreiten.
Handelsblatt: Die Länderfinanzminister sind zwischenzeitlich sehr stark von der Idee abgerückt, Unternehmenserben über zehn Jahre schrittweise von der Erbschaftsteuer zu befreien…
Koch: Dieses Abschmelzmodell ist keineswegs vom Tisch, auch wenn sich die Unterscheidung zwischen produktivem und nichtproduktivem Betriebsvermögen als problematisch erweist. Es gibt durchaus Alternativen, wie sich echtes Betriebsvermögen von Scheinbetriebsvermögen trennen lässt. Fälle beispielsweise, in denen ein Betriebsinhaber privates Kapitalvermögen im Vorgriff auf die Betriebsübertragung kurzfristig einlegt, lassen sich durch Einlage- und Entnahmefristen herausrechnen. Ich halte es nach wie vor für ein gerechtes Modell, die Erbschaftsteuer dann zu erlassen, wenn Arbeitsplätze erhalten werden.
Handelsblatt: Aus den Ländern hört man, dass noch keine Unternehmensnachfolge an der Erbschaftsteuer gescheitert sei, und es daher keinen Handlungsbedarf gebe …
Koch: Ich bezweifle, dass die Finanzämter überhaupt von den Fällen erfahren, in denen Betriebe aus Sorge vor der Erbschaftsteuer geschlossen, verlagert oder verkauft werden. Dass eine massive Erhöhung Folgen hätte, ist selbstverständlich. Ich halte die Entlastung von Unternehmenserben daher für dringend geboten.
Handelsblatt: Die Landtagswahlkämpfe im Jahr 2008 wirken lähmend auf die große Koalition im Bund. Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie zu einer Erbschaftsteuer-Einigung mit den Sozialdemokraten finden, die Sie ja gleichzeitig in Hessen bekämpfen müssen?
Koch: Die Sozialdemokraten sind immer unser Konkurrent. Peer Steinbrück und ich sind uns einig, uns vom zeitlichen Umfeld wenig beeindrucken zu lassen. Wir werden eventuell zwei oder drei Varianten vorlegen, aus denen dann der Koalitionsausschuss entscheiden soll.
Handelsblatt: Gerade die Erbschaftssteuer eignet sich aber hervorragend, ideologische Gegensätze aufzubauen.
Koch: Wenn die SPD glaubt, Emotionen daraus schlagen zu können, muss sie sich aber auch klar machen, dass die neue Immobilienbewertung dramatische Folgen haben kann: Im schlimmsten Fall könnte der gesamte privat finanzierte Mietwohnungsbau zusammenbrechen. Davon wären dann sehr viele Menschen betroffen. Das wollen weder Christ- noch Sozialdemokraten.
Handelsblatt: Was trauen Sie der großen Koalition ab 2008 generell noch zu?
Koch: Beide Parteien müssen im nächsten Bundestagswahlkampf deutlich machen, dass die vier Jahre große Koalition etwas bewirkt haben. Der öffentliche Eindruck ist noch immer der, dass Politik nichts bewirken kann, auch wenn das nicht stimmt, wenn man an die Entwicklung des Arbeitsmarktes oder der Staatsfinanzen denkt. Nach diesen vier Jahren wird jedes Lager deutlich machen, dass es in anderer Konstellation natürlich schnellere Gestaltungsschritte gehen kann als in der großen Koalition. Es wäre aber falsch, diese Debatte bereits vor der Halbzeit der Legislaturperiode zu führen.
Das Interview führte Donata Riedel.