Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der „Hannoversche Allgemeine Zeitung“
Hannoversche Allgemeine Zeitung: Die Mitte ist ein statischer Begriff. Braucht unser Land mehr Ruhe?
Roland Koch: Unser Land braucht weitere Reformen, mit der Verlässlichkeit, dass sie mehr Wohlstand für jeden Einzelnen ermöglichen. Und unser Land braucht einen breiten Konsens über diese Bereitschaft zur Veränderung. Es gelingt uns zusehends – auch mit diesem Parteitag -, dafür den Boden zu bereiten.
Hannoversche Allgemeine Zeitung: Sie haben die CDU zur Schutzmacht der Arbeitnehmer ausgerufen. Ernten Sie da gelegentlich Gelächter?
Koch: Kein bisschen. Es ist dies die klassische Aufgabe der CDU seit Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“, auch für die ganz normalen Leute da zu sein. Das bedeutet nicht, dass es den Unternehmen nicht gut gehen soll. Im Gegenteil: Unternehmen, denen es schlecht geht, werden keine Arbeitnehmer haben, die ihre Arbeitsplätze behalten, die an Erträgen der Zukunft oder gar am Unternehmen beteiligt sind. Eine Gesellschaft, die erfolgreich sein will, muss erfolgreich sein für ihre Arbeitnehmer, muss sie mitnehmen in Veränderungen, die noch vor uns stehen.
Hannoversche Allgemeine Zeitung: Nun gibt es bei der Post einen Mindestlohn von 9,80 Euro. Andere Branchen werden folgen. Warum ist das besser als ein flächendeckender Mindestlohn von 7,50 Euro?
Koch: Ein flächendeckender Mindestlohn kann viele Herausforderungen nicht berücksichtigen. Deshalb würde er – in welcher Höhe auch immer – immer mehr Arbeitsplätze kosten, als er bringt. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Post haben im Rahmen der Tarifautonomie schlechte Bedingungen geschaffen. Da sind Fehler gemacht worden. Aber der Staat muss auch die Kraft haben, sich am Ende nicht in einen Tarifvertrag einzumischen, der ihm nicht gefällt.
Hannoversche Allgemeine Zeitung: 9,80 Euro sind schlechte Bedingungen?
Koch: Es war nicht klug, dass der Post-Arbeitgeberverband einen so hohen Mindestlohn angeboten hat. Jetzt kostet er die ersten Arbeitsplätze. Und es war noch weniger klug, dass die anderen Unternehmen im Bereich Post nicht rechtzeitig einen eigenen Arbeitgeberverband gegründet haben und Tarifverträge geschlossen haben. Dann wäre die Lage heute anders. Man darf nicht alles vor der Tür der Politik abkippen, was eigenes Versäumnis ist.
Hannoversche Allgemeine Zeitung: Sie wollen dem internationalen Kapitalmarkt Regeln beibringen. An dieser Zielstellung ist schon mal ein Bundesfinanzminister gescheitert. Er hieß Lafontaine.
Koch: Lafontaine hatte Spinnereien von gemeinsamen Währungsregimen im Kopf, die es in einer freien Welt nicht gibt. Wir reden über internationale Standards für Unternehmen, wenn Staatsunternehmen in Deutschland unternehmerisch aktiv werden wollen. Wir reden über Dinge, die wir im nationalen Recht machen können. Wir sollten nicht naiver sein als unsere amerikanischen, britischen oder französischen Partner, die über Schutzmechanismen vor gefährlichen Übernahmen verfügen.
Hannoversche Allgemeine Zeitung: Die CDU scheint die SPD in die linke Ecke schieben zu wollen. Wird das auf Dauer mit SPD-Chef Beck, dem pragmatischen Landesvater aus Mainz, gelingen?
Koch: Ich kann nicht nachvollziehen, warum sich die SPD als Kopie der Linkspartei verkaufen will. Das ist ein schwerer strategischer Fehler. Dafür wird die SPD mit vielen Wählerstimmen bezahlen. Ich verhehle nicht, dass ich die Absicht habe, davon zu profitieren. Wir bieten uns bodenständigen SPD-Wählern, die den Linkskurs nicht mitmachen wollen, als Alternative an.
Hannoversche Allgemeine Zeitung: Die FDP schwächelt. Wenn es in Hessen für Schwarz-Gelb im Januar nicht reichen sollte, würden Sie dann Rot-Rot einer Großen Koalition vorziehen?
Koch: Wenn es eine linke Mehrheit im hessischen Landtag gäbe, würde die auch genutzt werden – egal, was ich darüber denke. Aber, wenn ich mir die Daten anschaue, werden wir wohl gut in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass es keinen rot-rot-grünen Mehrheitsblock im hessischen Landtag gibt.
Das Interview führte Michael M. Grüter