Koch: „Das Ziel ist außerhalb von Europa wachsen“
Der Bilfinger-Berger-Chef erklärt im Interview mit der WirtschaftsWoche, wie er dem Dienstleistungs- und Baukonzern eine Umbenennung und neue einheitliche Unternehmenskultur verordnet. Kosten: 15 Millionen Euro.
WirtschaftsWoche: Herr Koch, wer sitzt in der Kommission, die den Leitantrag für den CDU-Bundesparteitag Ende 2012 formuliert: der Manager oder der Politiker Roland Koch?
Koch: Da sitzt der Manager Koch, der aber nicht zu verhehlen beabsichtigt, dass er weiterhin ein Mitglied der CDU ist…
…der aber keine Ämter mehr hat…
…und keine mehr haben wird.
Was bringt der Manager in die Kommission ein? Zum Beispiel eine Änderung des Wertpapierübernahmegesetzes, um Bilfinger vor einer feindlichen Übernahme wie bei Hochtief zu schützen?
So sinnvoll das wäre – ich glaube nicht, dass der CDU-Bundesparteitag sich mit diesem Thema befasst.
Ihr neuer Großaktionär, der Finanzinvestor Cevian, sucht meist intensiv Einfluss auf die Unternehmen, die er im Fokus hat.
Nach allem, was ich bis jetzt erfahren konnte, gibt es keinen Anlass für öffentliche Aufregung. Es gibt mit unseren Kapitalinvestoren – ob sie nun 2, 5 oder 15 Prozent haben – ein Einverständnis über die strategischen Perspektiven des Unternehmens: die Verdoppelung des Ertrages hin zu Margen um die sechs Prozent bei einer 50-prozentigen Steigerung des Umsatzes. Am Markt gilt das als ambitioniert, aber erreichbar. Diese Ziele konkret anzuvisieren ist Angelegenheit des Vorstands und nicht der Aktionäre.
Cevian forderte, bei der Hauptversammlung im Mai einen Aufsichtsratssitz zu bekommen. Sie haben abgewiegelt.
Wir können nicht beliebig über Mandate von Aufsichtsräten verfügen. Aber dass jemand mit einem relevanten Aktienanteil entsprechende perspektivische Vorstellungen hat, verstehe ich. Darüber gibt es eine einvernehmliche Diskussion.
Ein hoher Streubesitz und volle Kassen bergen die Gefahr einer Übernahme? Hat Bilfinger ein Abwehrteam?
Zur guten Unternehmensführung gehört, dass wir auf alle Entwicklungen vorbereitet sind. Ich bin aber kein Anhänger von permanenten Vorbereitungen zur Abwendung von Übernahmen. Würde die Summe der einzelnen Teile des Unternehmens viel höher bewertet als das Unternehmen insgesamt, dann verhindern Abwehrmaßnahmen nicht ein Übernahmeinteresse. Wir konzentrieren uns darauf, unsere Strategie zu realisieren. Wenn wir das erfolgreich machen, werden unsere Aktionäre Interesse an der Unabhängigkeit von Bilfinger haben.
Sie wollen den Konzern stärker vernetzen, umbenennen und das neue Erscheinungsbild auf alle Töchter übertragen. Ist Bilfinger zu wild gewuchert?
Wir bringen heute 600 Millionen Euro Leistung in Amerika, ohne dass einmal das Wort Bilfinger fällt. Die Reputation des Unternehmens in Europa wird in den USA nicht sichtbar. Gelegentlich begegnen sich Bilfinger-Mitarbeiter auf Baustellen ohne zu wissen, dass sie für denselben Konzern arbeiten. Das ist erklärbar, aber das darf es auf Dauer nicht geben. Man soll künftig die ganze Bandbreite von Bilfinger erkennen und seine vielfältigen Kompetenzen als ein Unternehmen wahrnehmen können – überall auf der Welt. Die Umsetzung wird rund sechs Monate dauern. Im Frühjahr 2013 ist das weitgehend abgeschlossen.
Was kostet der neue Bilfinger-Auftritt?
Das gesamte Strategieprogramm kostet 2012 und 2013 insgesamt 15 Millionen Euro für Vernetzung und Rebranding. Da sind IT-Investitionen, Computerprogramme oder Schulungskosten dabei, die Synergien bringen, aber auch Visitenkarten, Pkw-Beschriftung, Werbekampagne.
Wie viel Eigenständigkeit bleibt den einzelnen Unternehmen?
Eine relativ große. Eine Kooperation sollte man nicht erzwingen. Die Mitarbeiter sollten das aus Eigeninteresse tun und darin Chancen sehen, das Geschäft zu verbessern. Heute ist die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Tochterunternehmens zu sehr auf dieses beschränkt. Wir brauchen verbindliche Regeln im Konzern, wie man Margen errechnet, Risiken teilt, Projekte gemeinsam angeht. Wir können besser organisch wachsen, indem wir mehr Austausch pflegen. Dazu gehört das Bewusstsein, ein Unternehmen zu sein. Viele Mitarbeiter werden staunen, was alles Bilfinger ist.
Wie lange wird es dauern, bis 60 000 Bilfinger-Leute das Prinzip verstehen?
Das beginnt mit den Geschäftsführungen in den Unternehmen. In Deutschland haben wir die ersten Bilfinger Business Days hinter uns, in denen sich Teilkonzerne zwei Tage lang präsentieren und andere zu gemeinsamen Projekten einladen.
Wie weit geht der Bauanteil noch zurück?
Absolut werden wir bei 1,4 bis 1,5 Milliarden Euro Umsatz im Ingenieurbau bleiben. Das ist die notwendige kritische Masse – auch um junge Leute dafür zu begeistern, bei uns anzufangen. Der Bauanteil wird aber bald unter den heutigen 20 Prozent liegen, weil der Rest des Unternehmens schneller wächst.
In welchen Regionen wollen Sie die Milliarde Euro investieren, die Ihnen noch für Zukäufe zur Verfügung steht?
Da wir je 25 000 Mitarbeiter in Deutschland und im weiteren Europa beschäftigen und nur 10 000 außerhalb Europas, müssen wir vor allem dort wachsen. Uns interessieren Indien, Südostasien und Nordamerika. Wir folgen dabei den Kunden. In Indien etwa wollen sie nach ihnen bekannten Standards arbeiten können, etwa bei Arbeitssicherheit im Gerüstbau.
Setzen Sie trotz des Entscheidungsstaus in Berlin noch auf die Energiewende?
Das darf man nicht allein unter dem deutschen Gesichtspunkt betrachten. Wir können aus alten Kohlekraftwerken mit schlechten Emissionswerten und ungenügender Effizienz moderne, leistungsfähige Kraftwerke machen – und das geht in Rumänien, Polen oder Bulgarien unabhängig von der deutschen Energiewende.
VW-Chef Martin Winterkorn hat 2011 zehn Mal so viel verdient wie Sie. Sollten die Managergehälter begrenzt werden?
Ich finde es gut, dass die Unternehmen selbst nachdenklich werden, welche Wirkung ihre Gehälter auf die Gesellschaft haben. Sie müssen aber auch versuchen, im internationalen Wettbewerb die besten Talente zu bekommen, und aufpassen, dass sie ihren Managern auch ausreichende Anreize bieten. Schon das zeigt, dass das Thema für staatliche Regulierung ungeeignet ist. Der Gesetzgeber sollte die Finger davon lassen. Die Unternehmen sollten sich aber des sozialen Spannungsfelds bewusst sein, in dem sie leben, und sie können sich selbst Regeln geben. Bei Bilfinger beispielsweise sind alle Erfolgsprämien gedeckelt, das gilt auch für mein Gehalt.
Stehen wir in der Staatsschuldenkrise kurz vor der Lösung oder am Abgrund?
Wir sind vom Abgrund deutlich weiter weg als noch vor sechs oder acht Monaten. Die Herausforderungen in den Ländern, die jetzt massiv sparen müssen, sind aber dramatisch, und die nötige Anpassung wird viele Jahre dauern. Entscheidend aber ist: Die Schritte, die nunmehr in Europa unternommen werden, erfolgen vielen vielleicht nicht schnell genug, aber sie gehen alle in die gleiche Richtung.
Die Wahl in Frankreich und der Regierungssturz in Den Haag zeigen: Sparpolitik gerät immer stärker unter Druck.
In Wahlkämpfen wird immer polarisiert. Das tatsächliche Regierungshandeln ist dann aber etwas anderes – das werden wir auch in Frankreich sehen, falls der sozialistische Kandidat François Hollande die Präsidentschaftswahl gewinnen sollte. Frankreich lebt unter dem harten Diktat der Zahlen wie alle anderen Euro-Länder auch. Europa verfügt jetzt über Strukturen, solidarisch Hilfe leisten zu können. Das bedeutet nicht, dass mit einem Fingerschnipsen die Krise beseitigt ist, aber die Hysterie sollten wir den Kapitalmärkten überlassen.