Hessens Ministerpräsident im Interview mit dem Wiesbadener Kurier
Wiesbadener Kurier: Herr Koch, selbst die Bundeskanzlerin wusste angeblich nichts von der Entscheidung, dass General Motors Opel nun doch behalten will. Hat sich die Politik von dem US-Konzern vorführen lassen?
Roland Koch: General Motors hat sich nicht als verlässlicher Gesprächspartner erwiesen. Dort kann man sich nicht auf eine kontinuierliche Untemehmensstrategie verlassen. Das ist eine bittere Erfahrung. Unabhängig davon: Die Politik muss weiter alles tun, um für die Beschäftigten und die industrielle Infrastruktur das Bestmögliche zu erreichen. An gemachten Zusagen darf es künftig nicht mehr den geringsten Zweifel geben. Das Gesprächsklima ist schwieriger geworden. Aber die politisch Verantwortlichen dürfen jetzt nicht ihre Verärgerung auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der deutschen Opel-Unternehmen austragen.
Wiesbadener Kurier: Der US-Präsident versichert, auch er und seine Administration hätten vorher nichts von der GM-Entscheidung gewusst, obwohl sie Haupteigner des Konzerns sind. Ist das wirklich glaubwürdig?
Koch: Darüber lässt sich nur spekulieren. Nach allen Informationen, die wir haben, war selbst das hauptamtliche Management von General Motors bis zuletzt der Auffassung, dass es ein anderes Ergebnis geben wird. Das Verhalten des Board von GM gegenüber der im Land weilenden Kanzlerin war allerdings ein starkes Stück.
Wiesbadener Kurier: Wie lässt sich verhindern, dass Opel-Standorte in Deutschland geschlossen werden?
Koch: Wir erwarten sehr schnell von General Motors eine schlüssige Konzeption für die Weiterentwicklung der Standorte und des Gesamtunternehmens Opel Europa. GM muss in den nächsten Wochen liefern und nicht erst zu Beginn des nächsten Jahres. Die Leistungsfähigkeit der deutschen Werke ist auf jeden Fall unverzichtbar für das europäische Geschäft von Opel. General Motors wäre gut beraten, wenn es Opel Europa mehr Freiheiten und Eigenständigkeit ließe. Wenn das nicht gelingt, wird es schwierig, ein zukunftsfähiges Konzept zu finden.
Wiesbadener Kurier: Nach dem Treffen von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla mit den Ministerpräsidenten der Opel-Länder: Was kann die Politik jetzt noch für Opel tun?
Koch: Die alte Opel-Task-Force ist auch die neue Task Force. Wir sind jetzt wieder am Anfang. Bundesregierung und Landesregierungen werden jetzt weiter alles tun, um die Opel-Standorte und die Arbeitsplätze zu erhalten. Die Konzernführung fordert weitreichende Zugeständnisse der Opel-Mitarbeiter und droht mit Insolvenz. Ich habe selten solch weitreichende Zugeständnisse der Mitarbeiter erlebt wie bei Opel. GM muss sich mit den Mitarbeitern einigen. Erpressungsversuche sollte das Management lassen. Das hilft niemandem. GM hat ein vollständig ausgehandeltes Rettungskonzept kaputt gemacht, um selbst zu übernehmen. Da kann und wird das Ziel ja sicher nicht die Insolvenz von Opel sein.
Wiesbadener Kurier: Müssen sich die Opelaner auf den Abbau von Arbeitsplätzen einstellen?
Koch: Die Arbeitnehmervertreter von Opel haben immer klar erklärt, dass sie wissen, dass die Umstrukturierung von Opel nicht ohne Arbeitsplatzverluste gehen wird. Wir erwarten, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Es wäre aber fahrlässig, jetzt den Eindruck zu erwecken, als werde es keinen Arbeitsplatzabbau bei Opel geben.
Wiesbadener Kurier: Wird es staatliche Hilfen für General Motors zur Stabilisierung der Opel-Standorte geben?
Koch: Als erstes muss das Unternehmen den Übergangskredit pünktlich zurückzahlen. Außerdem muss die Liquidität von Opel gewährleistet werden. Natürlich kann General Motors Anträge auf staatliche Hilfe stellen. Anträge würden aber kritisch geprüft, weil es um Steuergeld geht und ein Konzept tragfähig sein muss. Wir erwarten einen eigenen Beitrag von GM als Investor.
Das Interview führte Andreas Herholz.