Messe Frankfurt, 13. Oktober 2009
Ich freue mich, dass die Buchmesse wieder beginnt. Sie ist für viele in dieser Region, für viele in Deutschland und in der ganzen Welt mehr als nur ein wirtschaftliches Ereignis, sondern auch ein emotionales Erlebnis.
Ich bin in dieser Region aufgewachsen. Ich erinnere mich – seit mehr als drei Jahrzehnten glaube ich keine verpasst zu haben – hier durch die Säle zu streifen, Bekanntes und Unbekanntes zu sehen, Manches zu entdecken, was man nie gesucht hat, den Diskurs zu erleben, den aktuellen Stand der intellektuellen Auseinandersetzung im eigenen Land; und viel mehr noch, da man sonst vielleicht nicht so genau hinschauen kann, will oder es jedenfalls tut. Das ist die Buchmesse für diejenigen, die nicht die Fachbesucher sind. Sie hat etwas zu tun mit Kreativität, mit knisternder Spannung, mit neuen Gedanken und mit alten Konflikten. Und zugleich ist sie für uns, die Regierung des Bundeslandes Hessen, auch ein Wirtschaftsfaktor. Ein großer und bedeutender Wirtschaftsfaktor. Nicht nur die Menschen, die hier zu Gast sind, sondern das Gewerbe der Buchwelt – all das, was mit geistigem Eigentum, auch mit Wohlstand verbunden ist und verbunden sein kann.
An keinem Platz der Welt – darauf sind wir stolz – kann man diesen Wohlstand stärker sehen und stärker mehren als während der Tage der Buchmesse. So ist es eine doppelte Herausforderung und eine doppelte Chance, die wir immer wieder miteinander haben: Neues zu erfahren, sich selbst auf den Prüfstand zu stellen, sich nichts entgehen zu lassen und gleichzeitig Freiheit, Eigentum und Wohlstand in eine Verbindung zu bringen, wie nur wenige Menschen auf der Welt diese Chance haben – im Vergleich zu denen, die sich mit der Literatur, mit dem Inhalt und mit dem Buch in seiner Form beschäftigen.
Deshalb denke ich, mit dem Willkommen sollten auch zwei Botschaften verbunden sein. Die eine ist eine Botschaft an alle, die sich mit diesem Wirtschaftsbereich beschäftigen. Das ist die Botschaft zu sagen: Wir wollen, dass Eigentum auch Eigentum bleibt. Wir wissen noch nicht so ganz genau, wie das in Zukunft geht, denn wir wissen nicht ganz genau, wie sich die Zukunft entwickelt. Und wir sehen, dass elektronische Medien und Erreichbarkeit rund um die Welt zu jedem Zeitpunkt, mit allem, was man einmal eingestellt hat, die Unlöschbarkeit eines Rechtsverstoßes, eine große Herausforderung sind. Aber jeder, der schreibt und denkt, und jeder, der sein Denken aufschreibt, soll wissen, dass die Politik eines Rechtsstaats will, dass er das Eigentum an seinem Denken nicht verliert; dass er sogar von seinem Denken leben kann.
Frankfurt am Main mit seiner Internationalität, von der es lebt, ist ein Platz, an dem die geistige Auseinandersetzung stattfindet. Dazu gehört das Buch, die Buchmesse, und dazu gehören die Gastländer. Und deshalb freuen wir uns, dass China unser Gastland ist. Wir freuen uns, dass eine so stolze und große Kulturnation unser Gast ist – um mit dem, was sie bei nüchterner Betrachtung länger als wir mit unserer Geschichte zu bieten hat, auch zu wetteifern.
Dass Gastländer nicht einfach sind, hat sich in aller Regel schon bemerkbar gemacht. Und das ist gut so. Denn es gibt ja in Wahrheit nichts Einfaches auf dieser Welt. Warum sollten es Gastländer sein? Es ist so, dass es Konflikte auf dieser Welt gibt. Warum sollen wir an ihnen vorbeisehen? Aber es gibt eine Tradition dieses Platzes und dieser Buchmesse, die ermöglicht, Gedanken aufeinanderprallen zu lassen. Darin besteht die Herausforderung, dass alle gemeinsam die innere Kraft – und die ist wechselseitig – haben, Gedanken aufeinanderprallen zu lassen.
Wir können hier keine Vorschriften machen. Wir reden hier nicht über eine neue Weltordnung. Wir reden nicht einmal über alle Sorgen der Politik. Und, sehr verehrter Herr Vize-Staatspräsident, auch Sie wissen aus dem, was Sie auf dem Weg hierher gesehen haben: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit einer besonderen Zuneigung mit dem Schicksal des tibetischen Volkes. Und genau deshalb sage ich Ihnen, ich bin froh, dass China hier ist. Wir wollen mit einem stolzen großen China sprechen. Denn nur mit einem stolzen großen China haben auch die Kulturen in dieser Nation ihre Zukunft. Und nur wenn wir das Selbstbewusstsein aller und den Respekt vor allen Beteiligten akzeptieren, wissen wir, dass wir etwas erreichen können. Jeder an seiner Stelle auf der Welt.
Das ist für uns nicht immer einfach, und das ist für unsere Gäste nicht immer einfach. Unsere Gäste sind ja auch für uns nicht immer einfach und wir nicht für unsere Gäste. Das ist die Buchmesse. Man kann das aufschreiben, man hat es als Bestand. Menschen in hundert Jahren werden es aus der Bibliothek herausnehmen, in die Hand nehmen und dann lesen, was die Spannungen dieser Zeit waren.
Die Herausforderung, die wir dabei haben, ist, ob wir mit dieser Spannung ernsthaft und ehrlich umgehen können. Ernsthaft heißt, zu wissen, dass der andere es auch gut meint. Und ehrlich heißt, dem anderen seine Meinung nicht zu ersparen und dafür zu kämpfen, dass die Freiheit der Meinung überall auf der Welt Geltung hat. Das ist eine Botschaft auf dieser Buchmesse, zu der ich Sie herzlich in Frankfurt am Main begrüße!
Es gilt das gesprochene Wort.
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