Geburtstagsfeier des Dalai Lama am 28. Juli 2005 im Wiesbadener Kurhaus
Rede von Ministerpräsident Roland Koch anlässlich der Geburtstagsfeier des Dalai Lama am 28. Juli 2005 im Wiesbadener Kurhaus
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
„Ich bin ein einfacher Mönch“, so habe ich es oft in dem Beginn der Bemerkungen seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, in den vielen vergangenen Jahren gehört. Deshalb fällt es mir etwas schwer mit der Einleitung, aber ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, ich bin jetzt und in diesem Augenblick nur ein einfacher Bürger dieses Landes, und nicht formell der Ministerpräsident, denn dies ist eine Veranstaltung von Freunden des Dalai Lama für einen Freund, den Dalai Lama. Es ist eine Bürgerinitiative, es ist ein Zeichen von all denen, die heute hier im Saal sind, von vielen, die daran mitgewirkt haben, die es organisiert, die es finanziert haben, die ihre Ideen dabei gehabt haben. Nicht ein staatlicher Akt, sondern ein Akt der Freundschaft, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag zu sagen, und das möchte ich gerne in aller Namen tun.
Nun ist das kein Verstecken in den Fragen der Politik, und in dem Besuch der vergangenen zwei Tage schon ist dafür vieles, denke ich, in der notwendigen Deutlichkeit gesagt worden. Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass das was uns – jeden von uns hier im Raum – hinter der Persönlichkeit des Dalai Lama zusammenführt, was uns die Motivation gibt, ihn zu unterstützen, nicht alleine erklärt werden kann mit der Rationalität von Staaten und ihren Interessen. Wenn Regierungen nüchtern abwägen, ob sie Befreiungsbewegungen und Wünsche auf Selbstbestimmung in einzelnen Teilen eines Landes besonders interessiert, kommen sie häufig zu dem etwas überraschenden Ergebnis, solange wir nicht in unseren Entscheidungen gestört werden, stören wir auch keine andere Regierung in ihren Entscheidungen. Wenn es also nur um die nackte Vernunft von Macht geht, dann ist das zu wenig. Wenn es um die Macht der Macht geht, kann man eine Regierung vielleicht beeinflussen, wenn man Druck auf sie ausübt, bis hin zu Gewalt. Was der Dalai Lama von uns verlangt, durch sein Leben und sein Vorbild, ist, dass wir Gewalt durch Sympathie ersetzen. Wenn man sich entschließt, nicht gewaltsam Regierungen zu zwingen, muss man die Sympathie der Welt solidarisieren, um Regierungen zu überzeugen. Und deshalb, wenn wir Bürger, wir Menschen, in einem Land, nicht die Kraft finden und den Mut finden, hinter der Sache zu stehen, wenn wir glauben, wir könnten es Regierungen überlassen, dann hat der Dalai Lama verloren. Das hat er nicht verdient, das würde schon alleine reichen, aber das hat sein Volk nicht verdient, und ich bin davon überzeugt, das hat die Welt nicht verdient, weil sein Volk auch ein Stück beispielhaft kämpft dafür, ob man seine Rechte, seinen Selbsterhalt, seine Sprache, seine Religion, verteidigen kann mit der Waffe der Sympathie der Menschen und ohne Anwendung von Gewalt. Und deshalb sind wir hier zusammen heute.
Nun, eure Heiligkeit, Sie machen es uns auch leicht. Sie gehören – und dies ist eine besondere Gabe – zu den Menschen, die einen Raum betreten, oder wie heute morgen eine relativ große Wiese, und sehr schnell haben alle oder fast alle das persönliche Gefühl, Sie sprechen nur mit ihm oder ihr. Beginnend bei denen, die helfen und aufbauen, die in der unmittelbaren Umgebung sind, bis zu denen, die zuhören. Irgendwie glaubt jeder, die anderen seien gerade nicht da. Das ist sicherlich eine besondere Gabe, eine Fähigkeit, die Sie nutzen, die Sympathie, Menschen auch zu binden. Nun könnte man damit viel Unheil anrichten, oder man kann damit viel Gutes tun. Was Sie hier sehen, was Sie heute morgen im Wiesbadener Kurpark gesehen haben, was Sie auf den Straßen dieser Stadt, aber vor einigen Wochen auch in den Straßen Berlins gesehen haben, das ist der Erfolg dieser Art, Sympathie zu provozieren, sie geradezu herauszufordern, und damit eine Basis dafür zu schaffen, dass Menschen beginnen sich zu engagieren, obwohl sie es nicht müssen. Beginnen sich zu engagieren, obwohl manche darüber nachdenken, ob es vielleicht sogar klüger wäre, es nicht zu tun, und damit dieses Band entsteht, das für Sie und Ihr Volk in Tibet und im Exil so wichtig ist. Sie haben das an vielen Stellen in der Welt erlebt, und ich denke, wenn wir heute über unsere Sympathie hier sprechen, gehört auch dazu zu erwähnen, dass das indische Volk und die indische Regierung in großer Übereinstimmung zwischen Regierung und Volk, Ihnen nunmehr seit 46 Jahren eine Heimat zu geben versuchen, und mit Dharamsallah und mit vielen der Siedlungen, die die tibetischen Bürger inzwischen in Indien haben, die Möglichkeit zu geben, die kulturellen Traditionen zu erhalten, indem sie dort sind, dort bleiben können, aber indem es auch Schulen gibt, indem Menschen Unterkunft haben, Beschäftigung bekommen, und nicht nur Gäste, sondern durchaus Freunde in Indien sind. Und ich denke, dafür könnten Bürger unseres Landes auch Ihnen mitgeben, dass wir der indischen Regierung und dem indischen Volk dafür sehr dankbar sind, weil, sonst wäre alles, was Sie hier tun, nicht möglich.
Nun weiß ich aus eigener Erfahrung, dass die indische Regierung das manchmal etwas gelassener sieht als viele andere in der Welt, dass sie sich gewöhnt hat an den Umgang, auch an Druck und Gegendruck, und dass sie sehr wohl weiß – auch sehr wohl weiß – was sie daran hat, dass Sie in diesem Land leben. Sie haben heute Morgen eine eindrucksvolle Beschreibung Ihrer Vorstellungen und Ideen gegeben. Die Mehrheit der Menschen hier, die Ihnen heute alles Gute wünscht, ist nicht buddhistisch. Dies ist ein christliches Land, obwohl Sie in einem unserer Gespräche dieser Tage zu Recht gesagt haben, so richtig religiös sind vielleicht viele gar nicht mehr, aber wenn es Prägungen gibt, dann kommen sie aus dem Christentum. Und trotzdem kann ich mir eigentlich vorstellen, und viele waren ja heute Morgen dabei, dass es eigentlich einen Satz gibt, den Sie gesagt haben, den alle, die auch des christlichen Glaubens sind, unterschreiben können. Und ich habe die Hoffnung, dass eigentlich in Wahrheit auch alle die moslemischen Glaubens sind, ihn unterschreiben können, dass es eben ein Versuch ist, aus der Position eines religiösen Führers, der Sie sind, zu beschreiben, was das intern Menschliche ist. Das intern Menschliche, als von innen heraus kommende Friedfertigkeit, als das von innen herauskommende Streben nach Glück, das uns allen gemein ist, aber auch als die Herausforderung an uns selbst, in widrigen Zeiten des Lebens, das Schöne ein bisschen heller scheinen zu lassen, als das, was uns belastet. Die Fähigkeit, aus Trauer auch wieder Hoffnung zu machen, und die Fähigkeit, aus Ärger über den Anderen auch wieder Freude über sein Dasein zu machen. Wenn diese, eigentlich banal klingenden Regeln, von allen eingehalten würden, hätten wir weniger an Konflikten, hätten wir keine Bürgerkriege, und hätten wir auch eine chinesische Regierung, die in Freundschaft und Gelassenheit ist…..und die einen religiösen Führer umarmen könnte.
Das heißt, diese Werte des Lebens, und das Leben dieses Volkes, sie kommen zusammen in einer Person. Das ist die Rolle in der Tradition des Dalai Lama, aber es ist auch etwas, was gelebt werden muss. Und wir, wir freuen uns, dass der Dalai Lama es lebt. Und wir glauben, dass er damit nicht nur eine Freude für sich selbst ist, was ja legitim ist, sondern auch für sein Volk und für die Menschen auf der Welt. Auch für die, die hier in Deutschland sind. Und das ist der Grund für die große Sympathie, die Ihnen überall auf den Kontinenten begegnet.
Vor zehn Jahren haben viele Freunde aus Amerika und Europa, mit vielen ihrer buddhistischen Religionsführer der verschiedenen Teile der Welt, Ihren 60. Geburtstag in Delhi gefeiert. Wir haben es geschafft, dass es in Wiesbaden fast so heiß ist, wie es in Delhi am 6. Juli 1995 war. Aber natürlich, es ist auch ein Versuch zu zeigen, dass die Freundschaft und Sympathie über den Kontinent, über den indischen Subkontinent hinausgeht. Dass sie hier in Europa genauso vorhanden ist, und dass Sie sich darauf genauso verlassen sollen. In dieser Welt wird in diesen Tagen, wenn man Zeitungen liest, über die Frage spekuliert, ob es aus der Sicht der chinesischen Regierung eigentlich besser wäre, mit den weiteren Gesprächen über die Zukunft des tibetischen Volkes auf die Zeit nach dem Leben des Dalai Lama zu warten, oder schon zu seinen Lebzeiten die Integrationskraft zu nutzen, zu friedlichen Vereinbarungen zu kommen. Es muss schon bei aller religiösen Verwurzelung, die Sie haben, und mit der Sie mit Ihrem eigenen Leben umgehen, ein ziemliches ungewöhnliches Gefühl sein, als ein Mensch da auf der Welt zu sein, über den viele andere nachdenken, ob man eigentlich warten soll, wie alt er wird. Und deshalb sind hier auch ein paar Freunde zusammen, die jedem, den es auf der Welt interessiert, ob er in Regierung ist, privat, oder sonst wo, die sagen, also wir wollen, dass Sie noch ganz lange leben. Wir glauben, dass das auch gut ist für das tibetische Volk, und dass das gut ist für den Frieden in der Welt. Und wir glauben, dass alle, die damit rechnen, dass es friedlicher würde, wenn Sie nicht so lange leben, sich irren. Und, dass auch selbst die, die Sie nicht so mögen, darauf hoffen sollten, dass Sie noch möglichst lange gesund sind und leben, und Ihren Beitrag zum Frieden in der Welt leisten.
Ja, und deshalb haben sich einige Bürger dieses Landes zusammengetan, und gesagt, wir wollen bei allem Respekt für das tägliche Neugeborensein des buddhistischen Führers, doch nicht ganz vergessen, dass er jetzt 70. Jahre alt geworden ist. Und wir wollen nicht ganz daran vorbeigehen, ihm Danke zu sagen. Und wir wollen ihm sagen, dass wir ihm Gesundheit wünschen, und dass er die Gelassenheit, von der er predigt, immer selber behält, und dass er die Last trägt, die auf seinen Schultern ruht. Und dass er weiß, dass mit aller Schwäche, die jeder Einzelne von uns hat, wir alle ein bisschen uns bemühen, einfach durch unsere schlichte Existenz, und unsere Freundschaft, ihm ein wenig zu helfen, diese Last zu tragen.
Ich weiß aus unseren langen Begegnungen, wie wichtig Ihnen diese Freundschaft und das gemeinsame Tragen der Last ist. Ich weiß, wie klar Sie sehen, dass all ihre Wirkung über die ich spreche, nicht reichen würde, wenn es nicht so viele Freunde gäbe. Und deshalb war die Frage, was schenkt man, nicht auf ein Geschenk im körperlichen Sinne zu beschränken. Inzwischen sind Sie stolzer Besitzer von zwei Ferngläsern, der zwei weltbedeutenden Hersteller von Ferngläsern in unserem Bundesland. Sie sind also mit Weitblick ausgestattet über Jahrzehnte hinaus, und könnten Delhi in Zukunft direkt aus Dharamsallah im Auge behalten. Aber was wir Ihnen eigentlich schenken wollten, ist das hier. Nicht die Stühle und die Plätze und die Halle und diese gute Organisation, die perfekte Hilfe von vielen, die sich mit solchen Veranstaltungen auskennen und die Plakate und alles in der Stadt, nein, was wir Ihnen schenken wollten sind die Menschen, uns, indem wir Ihnen zeigen, dass Sie diese schwere Last auf den Schultern nicht alleine tragen müssen, sondern dass Sie in diesem 70. Lebensjahr, das Sie jetzt vollendet haben, immer darauf zurückblicken können. Sie haben viel gesammelt an Geschenken, an Menschen, die Sie gewonnen haben, die ohne Sie vom tibetischen Problem wahrscheinlich gar nichts wüssten, und ohne Sie keine Regierung der Welt sich mehr um das tibetische Problem kümmern würde. Aber dass Sie diese Last tragen, indem Sie Menschen haben, die helfen wollen. Hier die Tausend im Saal, die 20.000 heute Morgen, die 14.000 in dem Geburtstagsbuch aus dem Internet, und die Hunderttausende, die an Fernsehkanälen, in Zeitungen, und an anderen Stellen hier in Deutschland und in Europa in diesen Tagen bei Ihnen sind.
Wir wünschen Ihnen alles Glück der Welt, weil wir glauben, dass Sie ein Stück zum Glück der Welt beitragen können.