Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir alle kennen in unseren Regionen Planungsverfahren, bei denen – bei allem Respekt vor sachlichen Problemen und bei aller Rücksichtnahme auf unterschiedliche Interessen – keinem Bürger mehr zu erklären ist, warum der Akt der staatlichen Gewalt, eine Genehmigung auszusprechen oder zu verwehren, sehr lange Zeit in Anspruch nimmt.
Beim längsten Verfahren in meinem Wahlkreis – zu einer Umgehungsstraße – liegt die Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens im Jahr meiner Geburt; es altert somit sichtbar. Viele Bürger verbanden mit dieser Straße in ihrem gesamten Leben, von der Kindheit bis zur Rente, die Erwartung, dass der Staat Abhilfe für sie schaffe. Aber sie haben nie ein Ergebnis erhalten, nicht einmal das Ergebnis, dass die Straße nicht gebaut wird. Nur die Hoffnung ist jeweils prolongiert worden.
Die Partner der großen Koalition, die die Bundesregierung bilden, haben verabredet, sich Gedanken darüber zu machen, wie man unabhängig davon, dass die Abwägung unterschiedlicher Rechtsgüter im Planungsverfahren notwendig ist, zu rascheren Entscheidungen kommt.
Es war richtig, die Beschleunigungsmaßnahmen, die im Zusammenhang mit der deutschen Einheit eingeführt worden sind, über den 31. Dezember des vergangenen Jahres hinaus zu verlängern. Das ist aber nur der Anfang einer notwendigen Diskussion.
Am 4. November des vergangenen Jahres hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, den die Hessische Landesregierung ausdrücklich begrüßt. Wir sind allerdings der Auffassung, dass die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Maßnahmen nicht weit genug gehen. Das Ziel, dass die derzeitige Dauer der Planungsverfahren zu unterschiedlich großen Projekten perspektivisch mindestens halbiert werden muss, kann damit nicht erreicht werden. Wir müssen uns die Frage stellen, weshalb wir Planungsrechte geschaffen haben, die zu solch langwierigen Verfahren führen, dass sie am Ende nicht beherrschbar bleiben. Jeder von uns kann Beispiele für große Planungsverfahren nennen.
Im Rahmen der Beratung in den Ausschüssen besteht sicherlich Gelegenheit, über den vorliegenden Gesetzentwurf, die Vorstellungen der Bundesregierung sowie die im Haus bereits bekannten Vorstellungen anderer Landesregierungen zusammen zu diskutieren. Ich hoffe, dass wir dann zu einem Kompromiss kommen.
Ich will nur auf wenige Aspekte hinweisen, in denen unser Gesetzentwurf über den Stand der Beratung im Deutschen Bundestag hinausgeht.
Erstens. Wir in der Bundesrepublik Deutschland haben uns entschieden, in allen Verfahren prinzipiell das Raumordnungsverfahren in seiner Umfänglichkeit anzuwenden. Das wird im Zusammenhang mit dem europäischen Recht zunehmend schwierig. Die Europäische Kommission legt an das Raumordnungsverfahren vergleichbare Maßstäbe an wie an das normale Planungsverfahren in anderen Ländern Europas. Dort ist das normale Planungsverfahren aber das Planfeststellungsverfahren. Wenn wir ein Verfahren nicht mehr oberflächlich betreiben können, wie es bei der Raumordnungsplanung früher der Fall war, dem sich ein detailliertes Planfeststellungsverfahren anschloss, schaffen wir bürokratische Hürden. Wir haben es praktisch mit zwei Planfeststellungsverfahren hintereinander zu tun – mit allen Anhörungs- und Erörterungsrechten und immer tieferer auch rechtlicher Prüfung durch die Gerichte. Das kann nicht sinnvoll sein.
Es muss möglich sein, die landesplanerische Stellungnahme – die auch in Zukunft Bedeutung hat – in das Planfeststellungsverfahren einzufügen. Dann müssen wir ein gesamtes Verfahren nicht mehr abwickeln; vielmehr unterliegen alle Argumente, die in einem einheitlichen Verfahren vorgetragen werden, einer einheitlichen juristischen Überprüfung. Das führt zu einem beträchtlichen Zeitgewinn, ohne dass ein Bürger davon abgehalten wird, seine Einwendungen geltend zu machen, und ohne dass landesplanerische Zielsetzungen außer Acht gelassen werden.
Zweitens. Wir schlagen vor, dass der derzeit pflichtgemäß durchzuführende Erörterungstermin künftig dem Dispositionsrecht der Planfeststellungsbehörden unterstellt wird. Erörterungstermine sind sinnvoll, wenn es darum geht, Kompromisse, Vergleiche, Lösungen individueller Fragestellungen im gemeinsamen Gespräch von Planungsbehörde, Antragsteller und betroffenen Dritten zu finden. Bei vielen Umgehungsstraßen oder einzelnen Projekten im Baubereich ist das möglich, hilfreich und zeitsparend.
Allerdings haben wir im Zusammenhang mit Flughäfen von Berlin bis Frankfurt festgestellt, dass Erörterungstermine zu Ritualen degenerieren können. Wenn alles das, was schriftlich vorgelegt worden ist, in täglichen Sitzungen von morgens bis abends mündlich wiederholt wird, dauern Großverfahren Monate bis zu einem Jahr. Das ist eine Überdehnung und letztlich eine Täuschung der Öffentlichkeit. Nur was schriftlich vorgelegt worden ist, kann Gegenstand der Erörterung sein. Es ist zu erwägen, abzuwägen, zu entscheiden und einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen. Der Zeitaufwand muss deshalb im Ermessen der Planfeststellungsbehörde liegen; denn er löst beachtliche Folgen aus: Bei Großverfahren sind die Wortprotokolle von 100 bis 300 Sitzungstagen noch einmal auszuwerten und zu kommentieren. Parallel dazu wird jede Einwendung erneut erörtert und selbstverständlich schriftlich beschieden. Ein solches Verfahren führt zu jahrelangen Verzögerungen, die nicht zwingend sind.
Drittens. Wann werden UVP-Verfahren angewandt, und was ist die Untergrenze? Im Straßenrecht gibt es bereits Erheblichkeitsgrenzen, bei anderen Planungsverfahren ist das nicht der Fall. Das muss vereinheitlicht werden; denn das ist bei Projekten, die nicht bereits auf Grund europäischen Rechts UVP-pflichtig sind, notwendig. Wegen des damit verbundenen Aufwandes ist es aber kein geeignetes Instrument für Bagatellverfahren.
Zwei letzte Punkte! Wir regen an, die Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen zu erweitern. Da die Fünfjahresfrist viele Schwierigkeiten auch hinsichtlich der Erzielung von Kompromissen auslöst, gibt es eigentlich keinen Grund, die Geltungsdauer eines erlassenen Planfeststellungsbeschlusses nicht auf zehn Jahre auszudehnen. Die Kollegen in Baden-Württemberg haben das schon vor einiger Zeit vorgeschlagen. Wenn ich richtig informiert bin, haben die Sachverständigen bei der Anhörung im Deutschen Bundestag nahezu übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass dies ein richtiger Schritt sei. Dieser Aspekt fehlt im Gesetzentwurf der Bundesregierung.
Noch etwas fehlt aus unserer Sicht im Gesetzentwurf der Bundesregierung und ist deshalb in die Erörterung einzubringen. In den letzten Jahren ist von der Bundesregierung unter anderen Vorzeichen eine Unsitte in das Fernstraßenrecht eingeführt worden. Das ist die Tatsache, dass es im Bundesfernstraßengesetz nicht nur einen vordringlichen Bedarf und einen weiteren Bedarf gibt, sondern darüber hinaus einen vordringlichen Bedarf mit Sternchen und einen vordringlichen Bedarf ohne Sternchen. Das war sozusagen ein politparlamentarischer Kompromiss, durch den der eine Partner der Regierung, der die Straße für notwendig hielt, dem anderen Partner Gelegenheit zum Nachdenken konzedierte. Das ist kein geordnetes Planungsrecht.
Da es eine solche Notwendigkeit unter Partnern nach meiner Einschätzung nicht mehr gibt, sollte man zu den Regeln des normalen Planungsrechts zurückkehren. Die Bundesregierung und der Bundesrat können sich im Gesetzgebungsverfahren entscheiden, ob eine Straße in den vordringlichen Bedarf gehört – dann muss sie gebaut werden – oder ob sie nicht in den vordringlichen Bedarf gehört; dann muss sie nicht gebaut werden. Ob sie gebaut werden darf, wird im Planfeststellungsverfahren entschieden. Wenn es ein ökologisches Risiko gibt, muss es im Planfeststellungsverfahren abgewogen werden. Aber ein Projekt erhält kein besonderes Gewicht durch ein Sternchen im Gesetz. Deshalb sollten wir zu sternchenlosen Gesetzen zurückkehren. Auch dieser Vorschlag ist in unserem Gesetzentwurf enthalten.
Ich bitte Sie um Ihr Wohlwollen, unseren Gesetzentwurf mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in den Ausschüssen des Bundesrates zusammenzuführen. – Vielen Dank.
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