Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem Hamburger Abendblatt ABENDBLATT: Mindestlohn, Pendlerpauschale, Betreuungsgeld welche dieser Aufrege-Themen sollten aus der Sicht eines hessischen Wahlkämpfers am schnellsten gelöst werden? ROLAND KOCH: Es ist das Wichtigste, dass die Menschen sehen, wo Union und SPD noch ihre eigene Linie haben. Die Union muss sich abgrenzen von einer SPD, die den erfolgreichen Reformkurs komplett zurückdrehen will. Wenn die Union an der Stelle ihre Haltung aufgibt, wird das ihre Wähler extrem irritieren. Die Union unter Angela Merkel will und wird Kurs halten. ABENDBLATT: Dann muss Ihnen die ablehnende Haltung der Kanzlerin zum Mindestlohn gefallen… KOCH: Die Kanzlerin hat gesagt, wir seien bereit, das Entsendegesetz für die Postdienstleister zu öffnen. Wir wollen nämlich nicht, dass ausländische Billigst-Konkurrenz den deutschen Markt attackiert. Niemand aber hat gesagt, dass wir einen Mindestlohn wollen, damit die Post ihre bestehenden, voll erwerbstätigen deutschen Wettbewerber zerstört und damit Tausende Jobs vernichtet. Wir werden uns an die Regeln halten, und die besagen: Für mindestens 50 Prozent der Arbeitnehmer gilt der Tarifvertrag. Wenn die SPD bereit ist, den Mindestlohn auf die Vollzeittätigen anzuwenden, dann ist dieser Tarifvertrag erfüllt, denn über 50 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in dem Gewerbe sind bei der deutschen Post tätig. Wenn die […]
Hessens Ministerpräsident im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ ABENDBLATT: Im neuen Berliner Hauptbahnhof gibt es einen Hinweis mit der Aufschrift: „400 Meter von hier regiert das Volk, www.Bundestag.de.“ Entspricht diese Aussage noch der politischen Realität in unserem Lande? ROLAND KOCH: Ich glaube, dass man in der Diskussion über politische Akzeptanz und Führung unterscheiden muss zwischen dem Gefühl der allermeisten Bürger, dass sie gerne in unserem Land leben und alles in allem zufrieden sind, und der Frustration darüber, dass manche Dinge sie belasten, verängstigen oder ärgern. Meine Einschätzung ist, dass die Grundverankerung der demokratischen Struktur stabil ist und die Bürger mehrheitlich davon überzeugt sind, dass das parlamentarische System zu ihrem Nutzen und nicht zu ihrem Schaden arbeitet. ABENDBLATT: Keine Sorge also um unsere Demokratie? KOCH: Nein. Dennoch darf uns die aktuelle Entwicklung nicht gleichgültig sein. Die Distanz zwischen dem Bürger und jenen, die Politik machen, ist gewachsen. Das macht mir schon Sorgen. ABENDBLATT: Was sind die Gründe dafür, dass sich nach jahrzehntelanger demokratischer Erfolgsgeschichte der Wind in der Bundesrepublik so dreht? KOCH: Wir erleben in Deutschland einen zentralen Veränderungsprozess. Nicht alles, was geschieht, verbessert die eigene Situation. Es müssen mehr Risiken übernommen werden, von manch Liebgewonnenem müssen wir uns auch verabschieden. […]