Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat von CDU und CSU. Aus heutiger Sicht wird er spätestens Ende des kommenden Jahres der nächste deutsche Bundeskanzler sein. Das ist die beste Option, die unser Land in diesen Zeiten wählen kann.
Deutschland ist die politische Orientierung verloren gegangen. Das ist in den letzten drei Jahren geradezu physisch zu spüren und hat Parteien jenseits und am Rande unserer Verfassung gefährlich stark werden lassen. Dabei gibt es durchaus auch eine Mitverantwortung der Union, die gemeinsam mit FDP und SPD den Kurs unseres Landes sehr lange gestaltet und dabei auch offensichtliche Fehler gemacht hat.
Die in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit Händen zu greifende Verunsicherung der Union und die unbestreitbare Verunsicherung bei der Aufarbeitung dieser Zeiten ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, die gleichfalls zutiefst verunsichert ist.
Es ist die Chance der Union aus CDU und CSU, Verunsicherung in neue Sicherheit zu wandeln. Es ist Chance und Risiko der verbliebenen und nach wie vor lebendigen Volkspartei. Gelingt es ihr, durch Führung die Unterstützung für mutige Eindeutigkeit zu gewinnen, gelingt es ihr, einen glaubwürdiger Plan für die Zukunft zu entwickeln. Genau das hatten die Kritiker bei den ersten beiden Wahlrunden zum CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz nicht zugetraut – und genau diese Herausforderung hat er seit seiner Wahl im Januar 2022 mit großem Erfolg gemeistert.
Die von ihm geführte gemeinsame Bundestagsfraktion ist geschlossen, motiviert und in ihrer Oppositionsrolle unbestritten erfolgreich. Dass dennoch viele Beschlüsse im Parlament gemeinsam, also auch mit Unterstützung der Union, gefasst wurden, zeigt die staatspolitische Verantwortung. Wir haben eben nicht die fast religiöse Abgrenzung wie zurzeit in den USA, und das ist gut so.
Gleiches gilt für die Partei. Statt der Unkenrufe von Spaltung standen am Ende eines ehrlichen und mutigen Programmprozesses Carsten Linnemann, Serap Güler und Mario Voigt gemeinsam für ein neues Grundsatzprogramm der Mitte, das einstimmig beschlossen wurde. Es hat verloren gegangene Verlässlichkeit von Sozialer Marktwirtschaft, der Rolle der Familie, der Herausforderungen der Migration und die Anforderungen an unsere Verteidigungsfähigkeit wieder hergestellt. Friedrich Merz kann nun die Partei in einem grundsätzlichen Konsens in den Wahlkampf führen. Ganz nebenbei mussten sich alle die Augen reiben, die ihn für einen Egomanen hielten und sich anschließend gerne mit dem Teamspieler fotografieren ließen. Natürlich trauern einige Angela Merkel nach, und einige wenige suchen andere Herausforderungen; es wäre komisch, wenn es anders wäre. Aber der neue Kurs schafft neue Motivation.
Bleibt zur Herstellung völliger politischer Wettkampffähigkeit die personelle Seite. Friedrich Merz ist nicht der einzige Politiker mit der Fähigkeit zum Kanzler in der Union. Selbstverständlich könnten starke Ministerpräsidenten wie Markus Söder und Hendrik Wüst (in alphabetischer Reihenfolge) das ebenso für sich in Anspruch nehmen. Journalisten glauben dann gelegentlich, den Rest erledigen Meinungsbefragungen. Aber in dieser Falle der opportunistischen Beweglichkeit hatte die CDU sich ja gerade eingerichtet, als es ihr schlecht zu gehen begann. Mit dieser Logik wären jedoch weder Kohl noch Merkel, wahrscheinlich nicht einmal Adenauer und Erhard in die Ämter gekommen. Die Entscheidung von Friedrich Merz, die finale Einigung über den Kanzlerkandidaten erst ein Jahr vor der regulären Bundestagswahl zu suchen, war für den innerparteilichen Frieden wichtig, und die zutage getretene Disziplin aller ist ein weiterer Pluspunkt. Dennoch ist angesichts des Zerfalls der gegenwärtigen Regierung eine klare und kämpferische personelle Zuspitzung längst überfällig und hätte den Wahlkämpfern in den neuen Bundesländern geholfen.
Friedrich Merz hat bis heute alle ihm gestellten Aufgaben erfüllt. Wenn er jetzt nominiert ist, wird die CDU geschlossen hinter ihm stehen und die CSU trotz aller legitimen Ambitionen nicht wieder eine Spaltung der Schwesterparteien wie vor vier Jahren in Kauf nehmen. Jetzt wartet auf den Kanzlerkandidaten Friedrich Merz die größere Herausforderung, die ihn voll in Anspruch nehmen wird.
Merz ist eine der ganz wenigen prägnanten politischen Figuren in Deutschland. Jedes Wort, jede Mimik und jede Geste dürften beobachtet werden, die Offenheit, in der er kritische Themen anspricht, polarisiert. Das gilt für Wirtschaft, Verteidigung und Migration, die drei Themen, die – in welcher Reihenfolge auch immer – die Bundestagswahl entscheiden werden, gleichermaßen. Angela Merkel hatte seit 2004 die rhetorische Formel des „Ich will“ und „Ich werde“ zum Standard gemacht, um ihre Entschlossenheit zu zeigen. Friedrich Merz formuliert mit analytischer Präzision und entschlossener Körpersprache, er wird eher darauf achten, damit nicht als apodiktisch und arrogant zu gelten. Sein Mittel der Integration und des Bauens von Brücken ist nicht das lange Schweigen, sondern die Fähigkeit, im ausgelösten Streit nach einem gemeinsamen Nenner zu suchen, auch wenn er sich im Kompromiss ein Stück zurücknimmt.
In einer sich dramatisch verändernden geopolitischen Lage schauen die Wähler der großen Demokratien immer mehr nach innen. Das sehen wir gerade in den USA, das haben wir beim Brexit der Briten gesehen, und in vielen europäischen Nachbarländern ist es auch nicht anders. Die deutsche Politik muss diese neue Befindlichkeit auch in Deutschland ernst nehmen und beantworten. Aber kaum ein Land der Welt ist von gemeinsamen multinationalen Strategien mehr abhängig als Deutschland. Wir brauchen für unseren Wohlstand die Märkte der Welt und für unsere Verteidigung die Solidarität unserer Bündnispartner. Noch sind wir eine wirtschaftliche Großmacht, eine geopolitische und gar militärische können und wollen wir nicht werden. Es liegt am deutschen Bundeskanzler, durch persönliche Autorität nach innen und nach außen Führung in der internationalen Welt im deutschen Interesse auszuüben. Kohl war ein Meister darin, auch Angela Merkel hat diese Rolle erlangt, Scholz ist daran gescheitert. Merz wird wohl schnell mit Frankreich, Polen, den Briten und den USA die Basis gemeinsamer strategischer Interessen finden. Eine konsistente europäische Verteidigung und eine Erweiterung des europäischen Wirtschaftsraums über die politische Union hinaus erfordern schnelle neue Initiativen. Merz wird man abnehmen, dass er das international Notwendige auch zu Hause erklären und durchsetzen kann und will.
Alle Autorität wird aber davon abhängen, die wirtschaftlichen Risiken Deutschlands schnell zu begrenzen und einen marktwirtschaftlichen Weg zu einer möglichst klimagerechten modernen Industriegesellschaft zu finden. Das wird ohne harte Korrekturen das staatswirtschaftlichen Subventionskurses à la Habeck nicht gehen. Wie schon zu Erhards Zeiten erfordert das auch den Mut, den Bürgern Preissignale, etwa über die CO2-Abgabe, zuzumuten und gleichzeitig das Vertrauen zu erlangen, dass niemand überfordert wird und wir das Ziel gemeinsam erreichen können. Merz steht für eine leistungsfähige Industriegesellschaft, für Wettbewerb und Innovation ohne ängstliche Scheuklappen, aber auch für Anstrengung und Respekt vor Leistung. Viele werden von seinem unbedingten Willen zur Modernisierung überrascht und aufgeschreckt sein. Er ist mit seiner Lebenserfahrung nicht geduldiger geworden.
Merz ist seit sehr vielen Jahren ein erfolgreicher Mann der Wirtschaft, übrigens auch und gerade bei Blackrock, dem Garanten der amerikanischen Rentenzahlungen. Ideologisch Verblendete bringen ihn immer mit Blackstone, der „Heuschrecke“, in Verbindung. Aber weit gefehlt, Merz hat Erfolg, weil er den langfristigen Erfolg über die kurzfristige Spekulation stellt, schon immer. Andererseits scheint Olaf Scholz geradezu danach zu gieren, Merz als regierungsunerfahrenen Außenseiter darzustellen. Natürlich ist das gegenüber dem langjährigen Europaabgeordneten, Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der größten Regierungsfraktion ein ziemlicher Unfug.
Aber eines ist sicher richtig, Merz konnte im letzten Jahrzehnt Abstand gewinnen. Er hatte das Hamsterrad der Tagespolitik verlassen und agiert immer wieder außerhalb der eingetretenen Pfade. Genau das ist sein Vorteil, denn der notwendige Kurswechsel zu pragmatischer Wirtschaftspolitik im Geiste Ludwig Erhards erfordert die Fähigkeiten eines Sanierers. Schwächen schnell beseitigen, Stärken wieder zulassen und Dinge wieder einfach machen, dass ist der Start. Kein anderer Politiker in Deutschland hat gegenwärtig die Vorbildung und die intellektuelle und emotionale Stärke. Deshalb braucht Deutschland Merz.
Friedrich Merz ist aus freien Stücken und eigener Initiative in die Politik zurückgekehrt – aus Verantwortung gegenüber unserem Land. Nur seine Beharrlichkeit hat ihn an die Spitze kommen lassen. Natürlich könnte er in seinem Lebensalter einfach Opa und Ehemann sein. Nach seinen wirtschaftlichen Erfolgen muss er sich nichts mehr beweisen. Aber er weiß, dass in unserem Land und in seiner Partei vieles nicht gut gelaufen ist. Er traut sich zu, das gemeinsam mit seinen Mitstreitern zu ändern. Er macht dem Land ein Angebot. Deutschland kann wählen und es sollte froh sein, ein solches Angebot zu haben.
Erschienen im Cicero am 17.09.2024
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