Europa braucht eine Bankenunion
Von Roland Koch, veröffentlich am 10.07.2022 in Focus Money
„Deutschland bleibt als Finanzplatz abgeschlagen. Banken in Amerika sind heute doppelt so profitabel. Das hat Konsequenzen für uns alle“
Am 17. Juni sind wichtige Hoffnungen für einen besseren europäischen Bankenmarkt in Luft aufgegangen. Die Euro-Gruppe konnte sich auf keinen weiteren Arbeitsplan zur Schaffung der Bankenunion verständigen. Die Hauptverantwortung dafür müssen sich wohl Deutschland und Italien teilen. Der noch vom Finanzminister Olaf Scholz geplante Weg zu einem europäischen Markt der Bankdienstleistungen ist gescheitert.
Warum ist das wichtig? Schauen wir uns dazu nur die Daten des Vergleichs der großen Wirtschaftsräume an. Die durchschnittliche europäische Großbank weist eine Eigenkapitalrendite von 4,6 Prozent aus, die durchschnittliche Großbank in den USA oder Asien liegt bei 9,8 Prozent. Die Marktkapitalisierung der zehn größten Banken der USA ist rund doppelt so hoch wie die der zehn größten Banken in der Euro-Zone. Das hat Konsequenzen, die wir nicht zuletzt bei den steigenden Marktanteilen der US-Investmentbanken im europäischen Geschäft sehen.
Aber auch in Europa ist der Wettbewerb für Bankdienstleistungen im direkten Kundengeschäft nach Ländern isoliert. Sicherlich hat es in den letzten Jahren wichtige Fortschritte gegeben. Es gibt eine deutlich vereinheitlichte Aufsicht, es gibt einen wirksameren Abwicklungsmechanismus. Aber das Fehlen einer gemeinsamen Einlagensicherung macht das Fusionieren oder den lokalen Wettbewerb von Banken mit Kundeneinlagen schwer, meist unmöglich. Das reduziert den Wettbewerb und die Wachstumschancen.
Der Bankenplatz Frankfurt und Deutschland insgesamt würden zu den großen Profiteuren eines einheitlichen Kapital- und Bankenmarkts gehören. Schlimmer, ohne diese Chancen der Konsolidierung sind die großen deutschen Banken in keiner guten Ausgangssituation. Zwei schwere Brocken behindern eine europäische Einigung.
Da sind die hohe Belastung besonders italienischer Banken mit italienischen Staatsanlei-hen und der Wunsch Deutschlands, die Sparkassen nicht in den europäischen Haftungsverbund zu integrieren. Nach wie vor scheint es so zu sein, dass die beiden betroffenen Regierungen aus jeweils innenpolitischen Gründen keine Zugeständnisse machen wollen. Das geht jetzt seit Jahren so.
In einer idealen Welt müssen auch Staatsanleihen zum Haftungsschutz mit Eigenkapital unterlegt werden und alle Kundeneinlagen sind europaweit mit einem einheitlichen Mechanismus gesichert. So funktioniert ein gemeinsamer Markt. Die einzige Lösung besteht in einer von den beteiligten Staaten abgesicherten behutsamen Übergangslösung. Das bedeutet konkret, die Unterlegung mit haftendem Eigenkapital bei Staatsanleihen muss mit einem Prozent des Anleihenwerts beginnen und in 50 Jahren zum vollen Wert anwachsen. Andererseits muss die Beteiligung der nationalen Institute (Volksbanken und Sparkassen) am Haftungsverbund schrittweise erfolgen und solange der Verbund nicht vollständig realisiert ist, treten die betroffenen Nationalstaaten mit klaren Reduzierungsschritten übergangsweise in die Haftung ein.
Durch die Juni-Entscheidung ist der einheitliche europäische Markt für Banken wieder auf die lange Bank geschoben worden. Dies ahnend, hat der ehemalige Bundesbankpräsident und frühere Verwaltungsratsvorsitzende der UBS schon vor einem Jahr einen „regulatorischer Paukenschlag“ hin zu einer freiwilligen europäischen Bankenunion angeregt. Axel Weber schlägt eine EU-Bankenunion vor, der Banken freiwillig beitreten können, wobei sie aber eben nicht gezwungen sind. Damit entfallen die jetzigen Streitpunkte. Banken, die dann dem neuen EU-Recht unterliegen, werden primär von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt. Sie dürften nach seinem Vorschlag zudem ihr gesamtes Spektrum an Bankdienstleistungen EU-weit anbieten, von Bankkonten über Zahlungsdienste bis hin zur Kreditvergabe und der Vermögensverwaltung. Das führt auch zu einem freiwilligen Haftungsverbund, wie wir ihn für die deutschen Banken kennen. Vielleicht würde es den europäischen Ländern sogar möglich sein, für diese großen Banken eine eigenständige Insolvenzordnung zu schaffen.
Auf die Dauer wäre die Attraktivität dieser Banken so groß, dass der Sog ausreicht, um dauerhaft einen leistungsfähigen Bankenmarkt zu schaffen. Darüber muss jetzt geredet werden.