Das Versagen bei Bildung und Gesundheit
Von Roland Koch, erschienen am 06.08.2022 in Focus Money
„Noch mehr Milliarden für Schulen und Gesundheitssystem sind nicht die Lösung: Die Politik muss endlich an die Ineffizienzen ran!„
Wovon leben Unternehmensberater? Sie schaffen es immer wieder, die Qualität vorhandener Produkte und Dienstleistungen bei gleichzeitiger Reduzierung der Herstellungskosten zu erhöhen.
Zumindest in zwei zentralen Feldern der Daseinsvorsorge scheitert die öffentliche Verwaltung bei dieser Aufgabenstellung. Ich will mit diesen Bemerkungen nicht für zusätzliche Beauftragung von Beratungsunternehmen werben, sondern dies nur als Ausgangspunkt für die Suche nach den Gründen eines weiträumigen Staatsversagens machen.
Die beiden zentralen Felder des Versagens sind die Bildungs- und die Gesundheitspolitik. Sie sind existenziell für eine friedliche und erfolgreiche Gesellschaft, sie sind offenbar nicht ausreichend erfolgreich und finanziell für den Steuer- (und auch den Beitrags-)Zahler ein Fass ohne Boden.
Wahrscheinlich bestätigt mir jeder Leser diesen Befund gefühlsmäßig. Aber man kann es auch in Zahlen fassen. 1993 unterrichteten in Deutschland 713 000 Lehrer 9,1 Millionen Schüler, 2020 waren es fast eine Million weniger Schüler, aber über 100 000 Lehrer mehr. Wenn man die aktuellen Forderungen der Bildungspolitiker liest, liegt wie eh und je offenbar das ganze Heil in „mehr Personal“. Aber mit all dem zusätzlichen Personal der letzten Jahrzehnte ist weder die soziale Durchlässigkeit von Schule noch die Exzellenz in der Spitze besser geworden. Schulversagen und Schüler ohne Abschluss sind immer noch Eintrittskarten in lebenslange Frustration.
Wir geben heute für das Gesundheitswesen 441 Milliarden Euro aus, die jährlichen Steigerungen sind dramatisch. Und ja, wir haben auch lebensrettende Fortschritte gemacht, sowohl in den Behandlungstechniken als auch und vor allem bei den Medikamenten. Aber wie lange wartet man auf einen Termin beim Facharzt, wie oft liegen Patienten auf den Gängen der Krankenhäuser und sind nicht mehr Kliniken als je zuvor chronisch pleite? Fragt man die Gesundheitspolitiker nach Lösungen, lautet die Antwort: „Wir brauchen mehr Geld.“ Heute kann man verbindlich sagen, dass das hier geforderte Geld nicht vorhanden sein wird. In den kommenden Jahren werden angesichts der Größenordnung der Sektoren auch sie von Einsparmaßnahmen nicht verschont werden können. Ist das wirklich eine Katastrophe?
Unternehmensberater, gerade auch noch die mit amerikanischen Namen, waren in Unternehmen nie beliebt. Wenn im Auftrag der Chefs junge Erbsenzähler durch alle Abteilungen schwirren, dann ist klar, dass bessere Qualität zu geringeren Kosten gesucht wird. In Demokratien ist die Abwehr solcher Schritte besser zu organisieren als in der letztlich rein zahlengetriebenen Unternehmenswelt. Da ist von „Ökonomisierung der Bildung“ die Rede und von „Profitgier an wehrlosen Kranken“. Also nehmen Politiker ineffiziente Systeme um des Friedens der Wiederwahl hin und sponsern die Ineffizienz mit weiterem Geld und Personal. Nichts wird dabei besser, nur teurer.
Natürlich muss das nicht so sein. Wer in so manche private Schule geht, sieht individuelles Lernen mit moderner Technik, kombiniert mit persönlicher Zuwendung in Kleingruppen. Man trifft auf Lehrkräfte, die der neuen Welt zugewandt sind, nach Erfolgen in Lernleistung und sozialer Integration bezahlt werden, von unnötiger Verwaltungsarbeit befreit sind. Wann werden die Ärzte im Krankenhaus durch moderne Technik von endloser Zeit für Dokumentationspflichten befreit? Man könnte schon seit einem Jahrzehnt eine elektronische Patientenakte haben, die die in Deutschland üblichen Doppeluntersuchungen verhindert, aber eben auch ärztliche Leistung transparent macht. Die Trennung zwischen niedergelassenem Arzt und Krankenhaus hat sich in Zeiten der Hochleistungsmedizin schon lange als wenig brauchbar erwiesen. In den inzwischen „zweigeteilten“ Notaufnahmen wird das ganze Elend greifbar.
Unternehmensberater können Politik nicht ersetzen. Aber Politik muss die unbequeme Aufgabe angehen, von eingesessenen Interessengruppen und von oft unkündbaren Mitarbeitern Wandel zu verlangen, und ihnen gleichzeitig die Regeln für modernes Arbeiten geben. Auch staatlich finanzierte Institutionen müssen sich daran gewöhnen, immer bessere Leistungen zu immer niedrigeren Kosten zu erbringen.
Deutschlands Wohlstand beruht ja auf der Erkenntnis, dass das möglich ist.