Die Ludwig-Erhard-Stiftung in Bonn steckt in der Krise. Ein neuer Vorsitzender muss her. Wird der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch die Stiftung in ruhiges Fahrwasser führen können?
von Carsten Knop, Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Ein Arbeitstier.“ – „Etwas ruhiger geworden.“ – „Aber bei seinem Tempo kommt noch immer nicht jeder mit.“ Das sagt ein langjähriger Weggefährte über den früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Der soll am Freitag zum neuen Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung gewählt werden. Er tritt die Nachfolge des Publizisten Roland Tichy an, der an der Spitze der Stiftung zu einer Last geworden war.
Seine Hauptaufgabe in der Rolle kennt Koch, die Schwierigkeiten sind allzu offensichtlich: Die Stiftung, die eigentlich dazu dient, freiheitliche Grundsätze in Politik und Wirtschaft zu fördern und die Soziale Marktwirtschaft im Sinne des Stiftungsgründers Erhard zu stärken, muss wieder in ruhigeres Fahrwasser geführt werden.
Das ist gegenüber den Nebentätigkeiten des bisherigen Vorsitzenden Tichy zu sehr aus dem Blick geraten. Außerdem gilt es, das Haus finanziell neu aufzustellen und womöglich auch den Mitarbeitern emotional Halt zu geben.
Der ehemalige hessische Landesvater dürfte das schaffen; allerdings wird ihn überraschen, wie viel Zeit er für diese eher kleine Stiftung mit dem großen Namen wird aufbringen müssen. Langeweile hatte der 62 Jahre alte Koch dabei auch bis gestern nicht.
Er sitzt nicht nur in einigen Aufsichtsgremien wie etwa dem der UBS Europe, er kümmert sich nicht nur um einige ehrenamtliche Verpflichtungen wie zum Beispiel an führender Stelle um das Rheingau Musik Festival, er ist auch Professor an der Frankfurt School of Finance & Management – und lehrt dort Fragen des Managements in regulierten Märkten. So füllt sich der Kalender. Aber was dort eingetragen ist, könnte thematisch gut zur Stiftungsarbeit passen.
Ein Blick auf die Website der privaten Universität zeigt zum Beispiel, dass unter seiner Leitung erst vor wenigen Tagen eine „Frankfurter Regulierungskonferenz“ stattgefunden hat. Und die Antworten auf die Frage, wie man neu entstehende Märkte in der digitalen Plattformökonomie so reguliert, dass das Land einerseits innovativ und wachstumsstark bleibt, andererseits aber die berechtigten Wünsche der Gesellschaft an regulatorischen Eingriffen des Staates in Form allgemeingültiger Regeln sinnvoll erfüllt werden, hätten bestimmt auch den ehemaligen Bundeskanzler und Vater der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhard interessiert.
Warum Koch so viel Zeit brauchen wird? Das Amt des Stiftungschefs in Bonn erfordert einen erheblichen Einsatz für das Einwerben von Geld und neuer intellektueller Unterstützung. Zudem gilt es, der Stiftung so schnell wie möglich einen wieder besseren Ruf in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Das aber wird nicht allein aus dem Büro in der Bockenheimer Landstraße in Frankfurt gelingen. Außerdem wird es nötig sein, in der neuen Rolle auch eine Haltung zur politischen Einflussnahme zu finden, die – wenn man so will – etwas staatstragender ausfallen muss als zuletzt.
Als Vorsitzender der Stiftung wird Koch zwar eine hörbare ordnungspolitische Stimme erheben müssen, Partei- und Tagespolitik hingegen dürfen in der Rolle seine Sache endgültig nicht mehr sein. Er wird das wissen, andere hoffentlich auch: Friedrich Merz, den Koch in seinen Ambitionen für den CDU-Vorsitz privat unterstützt, wird dasselbe nicht vom künftigen Erhard-Stiftungsvorsitzenden Koch erwarten können.
Koch selbst hat der F.A.Z. erst vor kurzer Zeit gesagt, er habe seinen Rückzug aus der Politik vor gut zehn Jahren „keinen Tag bereut“. Ein politischer Mensch ist er natürlich dennoch geblieben; geschickt gespielt, sollte das der Stiftung eher nützen als schaden. Seine Kontakte aus der Zeit als Ministerpräsident zwischen 1999 und 2010 hat Koch stets gut gepflegt.
Der womöglich größte, wenn auch immaterielle Vermögenswert der Stiftung könnte es künftig aber sein, dass Koch in seiner Karriere gelernt haben sollte, was geht und was nicht geht. Dass man bestimmte Dinge bei allem Einsatz als Arbeitstier mit Tempo nicht erzwingen kann. Als Helmut Kohl die Wahl verlor, schrieb Koch 1998 ein Buch mit dem Titel „Vision 21“ – und empfahl dem Land darin manche Medizin, um die von ihm zu jener Zeit erwartete rot-grüne Blockade zu überwinden.
Vieles davon ist bis heute gültig, also unerledigt. Anders formuliert: So einfach ist es wohl nicht, Dinge, die man für grundsätzlich richtig hält, politisch auch durchzusetzen. Und Macht hatte Koch unmittelbar nach seiner Zeit als Buchautor durchaus, in seinem zweiten Kabinett konnte er sogar mit absoluter Mehrheit regieren. Danach allerdings musste er dann die Erfahrung sammeln, wie es sich ohne Mehrheit als geschäftsführender Ministerpräsident regiert. Alles nicht so einfach, könnte man wohl sagen.
Hinzu kommt, dass er nach seiner Zeit als Ministerpräsident beim Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger noch einmal seine Grenzen erlebt hat, auf brutalstmögliche Weise, wie er es früher selbst formuliert hätte. „Zu viel zu schnell gewollt“, erinnern sich Weggefährten, „gescheitert“, sagen andere, am Ende läuft es auf dasselbe hinaus.
Er musste schon nach drei Jahren als Vorstandsvorsitzender gehen, seine strategischen Pläne waren gescheitert, das Unternehmen ist danach durch schwere Zeiten gegangen. Bilfinger hätte er gewiss lieber in besserem Zustand hinterlassen. Deutsche spotten ja gerne über so etwas. Amerikaner sehen die Erfahrung. Richtig eingesetzt, sollte auch das dem gebürtigen Frankfurter, aber alteingesessenen Eschborner Koch im Bonner Stiftungshaus eher helfen.
Bildung
// Energie
// Finanzen
// Flughafen Frankfurt
// GM
// Interview
// Opel
// Schule
// Steuerpolitik
// Wirtschaft
M | D | M | D | F | S | S |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | |
7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 |
14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 |
21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 |
28 | 29 | 30 | 31 |