Koch gegen vorschnelle Festlegungen bei Steuersenkungen
CDU-Vizechef räumt reale Verteilungskonflikte zwischen Bund und Ländern ein und verweist auf den Koalitionsvertrag
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat sich gegen vorschnelle Festlegungen bei weiteren Steuersenkungen gewandt.
In einem Interview der Nachrichtenagentur DAPD verwies der stellvertretende CDU-Vorsitzende darauf, dass deren Umfang erst nach der Steuerschätzung im Mai 2010 entschieden werden soll. Schließlich gebe es in den Koalitionsvereinbarungen „keine Verbindlichkeit über das soll und möglichst hinaus“. Mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen von Bund und Ländern warnte Koch zugleich vor der Illusion, diese Fragen könnten künftig konfliktfrei gelöst werden.
„Es geht um berechtigte unterschiedliche Interessen. Der Bund hat kein Geld zu verteilen, das akzeptiere ich ausdrücklich, aber die Länder auch nicht“, sagte der CDU-Politiker. Der Bundesgesetzgeber habe das Privileg, über Einnahmen und Ausgaben zu bestimmen. Die Länder könnten Einnahmen dagegen nicht durch eigene Gesetzgebung beeinflussen, sondern nur Ausgaben. Zudem gebe Deutschland prozentual mehr für Soziales aus als andere vergleichbare Länder, aber weniger für Bildung, die ausschließlich Ländersache sei.
„Es geht also nicht einfach darum, dass Ministerpräsidenten besonders streitlustig sind und der Bund besonders stur. Dahinter steckt ein wirklicher Verteilungskonflikt“, fuhr Koch fort. Dabei begriffen sich die Länder als Anwälte der jungen Generation und wollten mehr im Bildungsbudget haben. „Das werden wir nur leisten können, wenn wir uns in anderen Bereichen entsprechend einschränken“, räumte der Wiesbadener Regierungschef ein.
Die Debatte über den richtigen Einsatz beschränkter Mittel werde nächstes Jahr noch ein Stück vorangehen. „Nach meiner Einschätzung werden im Sommer ein paar grundsätzliche Entscheidungen zu treffen sein“, sagte Koch. Ein Signal solle den Leistungsträgern des Mittelstands gegeben werden, die in vollem Maße Steuern zahlten, aber schnell in eine höhere Progression kämen. Als Produzenten des Aufschwungs müsse ihnen ein Signal gegeben werden, „dass wir sie nicht übermäßig belasten wollen“.
Wie viel Geld dazu zur Verfügung stehe, werde im Sommer geklärt. „Es wäre unverantwortlich, sich da schon jetzt festzulegen, denn natürlich bleibt die Schuldenbremse, bleibt die Verantwortung, die Staatsverschuldung zurückzuführen“, betonte Koch. Es sei jetzt auch nicht die Zeit, mit einzelnen Sparvorschlägen auf den Markt zu gehen. Aber Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sage zu Recht, dass 2011 Einsparungen vorgenommen werden müssten.
Auch in Hessen werde der Haushaltsentwurf für 2011 eher weniger als mehr Ausgaben vorsehen. Eine Wiederholung der Operation „Sichere Zukunft“ mit ihrer Verlängerung der Wochenarbeitzeit für Beamte und vielen Schließungen von Behördenstandorten schloss Koch aber aus. So etwas könne man nicht beliebig wiederholen. Jetzt sei die Aufgabe des Einsparens sehr viel komplizierter, sehr viel kleinteiliger.
„Ich bin persönlich der Auffassung, dass die Bedeutung der Steuerpolitik für das Wachstum, das wir in den nächsten Jahren schaffen müssen, in der öffentlichen Diskussion überhöht worden ist“, hob Koch hervor. Da könnte man den Eindruck bekommen, dass Deutschlands Zukunft im wesentlichen von der Steuerpolitik abhänge. Wichtiger für das notwendige Wachstum sei indes, schneller eine moderne Infrastruktur zu schaffen. Die Phobie auf das Thema Steuerpolitik „müssen wir im nächsten Jahr etwas entkrampfen und zeigen was jenseits dessen notwendig ist und getan wird“, argumentierte Koch.
Das Gespräch führte Gerhard Kneier.