Koch: „Opel muss wieder blitzen“
Ministerpräsident Roland Koch Interview mit Spiegel Online
SPIEGEL ONLINE: Herr Ministerpräsident, können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Opel Europe jetzt aufatmen?
Roland Koch: Auf jeden Fall. Es ist ein guter Tag für ein neues europäisches Automobilunternehmen, das genug Selbständigkeit rechtlich und in seiner Entwicklungsmöglichkeit hat und trotz des Verkaufs in einer festen Partnerschaft mit GM verbunden bleibt. Das war die beste und aus meiner Sicht einzige Alternative.
SPIEGEL ONLINE: Welche Bedingungen wurden von GM gestellt?
Koch: Sie sind rein technischer Natur, es sind keine neuen materiellen Forderungen. Vier wesentliche Grundlagenverträge – die sich mit der Unternehmensstruktur, den Lizenzrechten und der zukünftigen Zusammenarbeit mit den Aktionären beschäftigen – sind in vielen Wochen ausverhandelt worden. Sie sind nach der Entscheidung des Verwaltungsrats akzeptiert und damit zu unterschreiben. Jetzt geht es noch um letzte Details. So will GM eine formelle Bestätigung der Finanzzusagen der Bundesregierung und der Länder, auch eine formelle Bestätigung, dass die Arbeitnehmer ihren Anteil einbringen. Diese Fragen ändern nichts mehr an dem qualitativen Gehalt des grundsätzlich vereinbarten Geschäfts.
SPIEGEL ONLINE: Es gibt auch keine Kautelen, dass ein zusätzlicher Finanzinvestor noch hineingebunden wird?
Koch: Nein. Nicht im Geringsten.
SPIEGEL ONLINE: Der Finanzinvestor RHJ International ist also aus dem Spiel?
Koch: Ganz klar. Mein Eindruck ist, dass es am Ende in den USA nur noch um eine Eigenübernahme oder um Magna ging. Es ging offenbar nicht mehr darum, RHJ hereinzulassen.
SPIEGEL ONLINE: Immer wieder war in den vergangenen Wochen auch zu hören, die US-Seite wolle den Verkauf an Magna wegen der russischen Beteiligung nicht – die Sberbank sei zu Putin-nah, der Autobauer Gaz zu schwach. Was ist aus diesen Vorbehalten geworden?
Koch: Ich glaube, diese Vorbehalte waren eher publizistischer Natur. In der Sache hat es seit vielen Wochen eine Übereinstimmung gegeben, dass das Geschäft mit Russland eigentlich immer eine Idee von GM selbst war. Im vergangenen Jahr hat GM dem russischen Autohersteller Gaz und Magna ein Joint Venture vorgeschlagen. Das ist nur deshalb nicht zustande gekommen, weil danach sowohl GM als auch Gaz insolvent geworden ist.
SPIEGEL ONLINE: Hat diese Option wirklich eine Chance auf dem Weltmarkt?
Koch: Jetzt wird das neue Unternehmen neu aufgestellt und genau das gemacht, was die drei im vergangenen Jahr miteinander diskutiert hatten. Aus meiner Sicht ist jede Sorge unbegründet.
SPIEGEL ONLINE: Sind die Standorte in Deutschland – in Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz – gesichert oder kommt es doch zu Schließungen?
Koch: Wir haben von Anfang an Wert darauf gelegt, europäisch zu denken. Wir wollen ein starkes europäisches Unternehmen. Eines war jedem klar, auch den Beschäftigten: Es wird kein einfacher Weg. Sanierungen sind niemals einfach. Trotzdem ist es ein guter Tag für jeden einzelnen Standort in Deutschland – in Eisenach, Kaiserslautern, Rüsselsheim und Bochum. Weil wir hart daran gearbeitet haben, ein betriebswirtschaftlich gutes Konzept mit Ertragschancen für das europäische Unternehmen zu finden, so dass die Standorte in Deutschland erhalten werden können. Dafür hat Magna einen guten Vorschlag gemacht. Es wäre ja ein Jammer gewesen, etwa eines der modernsten Werke der Welt, wie es in Eisenach steht, am Ende kaltzulegen oder gar ganz zu schließen. Wie es in einem der alternativen Pläne ja vorgesehen war.
SPIEGEL ONLINE: Opels Probleme in der Vergangenheit waren auch hausgemacht, die Marke hatte nicht gerade einen überzeugenden Ruf.
Koch: Nun gilt erst recht: Jetzt hat Opel – trotz der Opfer der Sanierung – die Chance für einen Neustart. Opel muss neue Produkte vorlegen, auch ein besseres Image bekommen. Ich sage es mal so: Opel muss wieder blitzen.
SPIEGEL ONLINE: Ist das für Sie als CDU-Spitzenpolitiker mitten im Wahlkampf auch ein schönes Geschenk?
Koch: Geschenkt ist daran gar nichts. Die Politik hat das Ergebnis nicht leicht erkämpft. Ich müsste eigentlich mal ausrechnen, wie viele Stunden ich in Opel gesteckt habe. Aber wir sind ja in den letzten Wochen – unabhängig von unserer Parteifarbe – von manchen dafür beschimpft worden, uns zu früh festgelegt zu haben. Aber dass sich die Klugheit und Nervenstärke der Kanzlerin ausgezahlt haben, das erlaube ich mir schon herauszustreichen.
SPIEGEL ONLINE: Der Kanzlerin, der Bundesregierung und den Ländern wurde aber vorgehalten, sich mit der Festlegung auf Magna in die Abhängigkeit der US-Politik begeben zu haben.
Koch: Es war – das stelle ich gar nicht in Abrede – ein riskanter Weg. Aber er hat am Ende zum Erfolg geführt.
SPIEGEL ONLINE: Also gibt es nach der Bundestagswahl keine böse Überraschung?
Koch: Die Entscheidung von GM für Magna ist aus meiner Sicht endgültig. Beide Seiten haben es sich nicht leicht gemacht. Im Übrigen hat niemand ein Interesse, daran noch etwas zu ändern. Unter anderem auch deshalb, weil GM erkannt hat, dass es aus eigener Kraft nicht die finanzielle Ausstattung hat. Dann muss man den besten Partner finden – und das ist mit Magna gelungen.
SPIEGEL ONLINE: Auch ein Erfolg einer Großen Koalition aus Bund und Ländern also?
Koch: Alleinregierte CDU- und SPD-Länder, schwarz-gelbe Koalitionen und die Große Koalition im Bund haben zu einem beachtlichen Konsens gefunden. Der ist allerdings auch nur deshalb zustande gekommen, weil die Kanzlerin die Courage hatte, klar eine Richtung vorzugeben und dafür zu sorgen, dass alle zusammenbleiben.
Das Interview führte Severin Weiland.