Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der Financial Times Deutschland
FTD: Die Causa Opel legt die ganze wirtschaftspolitische Desorientierung der Union offen. Mit der Spitze der Opel-Mutter General Motors haben jetzt Wirtschaftsminister zu Guttenberg, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rüttgers und auch Sie verhandelt – jeweils mit anderen Zielsetzungen. Wer bestimmt denn nun den Kurs der Union?
Roland Koch: Ich kann nicht erkennen, dass jeder von uns etwas anderes erreichen wollte. Wir haben das gleiche Ziel, und wir arbeiten Hand in Hand: Wir wollen sicherstellen, dass Opel in Deutschland und Europa lebensfähig bleibt. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt. Und dann ist es das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen.
FTD: Dass zu Guttenberg Staatshilfe für Opel abgelehnt hat, finden Sie also in Ordnung?
Koch: Die Zusammenarbeit mit Minister zu Guttenberg ist ausgesprochen eng, wir sind in ständigem Kontakt.
FTD: Zu Guttenberg tut so, als sei das Bieterverfahren um Opel noch offen. Sehen Sie das auch so?
Koch: Aus dem Bieterverfahren, das in der Nacht zum 30. Mai abgeschlossen wurde, ist Magna als Sieger hervorgegangen. Nur wenn die Gespräche mit Magna, die gut laufen, wider Erwarten scheitern würden, könnten andere zum Zuge kommen. Ein anderer Umgang mit dem abgeschlossenen Bieterverfahren wäre unseriös.
FTD: Sind Sie der führende Wirtschaftskopf in der Union?
Koch: Wir sind froh, dass wir in der Union eine starke Bundeskanzlerin haben, die sehr eng mit der Wirtschaftspolitik verbunden wird. Und wir haben einen guten und erfolgreichen Bundeswirtschaftsminister, der mit einer beachtlichen Geschwindigkeit in seine Themen hineingefunden hat. Das wird uns im Bundestagswahlkampf helfen.
FTD: Bis vor vier Monaten waren Sie das wirtschaftspolitische Aushängeschild. Dann kam zu Guttenberg ins Amt. Sind Sie den Titel los?
Koch: Ich habe ja keine Ambitionen, eine bundespolitische Aufgabe zu übernehmen. Insofern muss diese Arbeit in Berlin gemacht werden.
FTD: Das klingt resigniert.
Koch: Keineswegs. Es wird sich nichts daran ändern, dass ich meinen Einfluss in der Union weiterhin aus der Rolle des Ministerpräsidenten wahrnehmen werde – vielleicht in der Wirtschaftspolitik wie in den letzten Jahren etwas mehr als in anderen Feldern.
FTD: Denken Sie wirklich, die Union kann dadurch Wähler gewinnen, dass sie für einen unbestimmten Zeitpunkt in unbestimmter Höhe Steuerentlastungen verspricht?
Koch: Die Menschen sollen uns wegen unserer Solidität und unserer wirtschaftspolitischen Grundausrichtung wählen. Steuererleichterungen sind richtig, vor allem zur Eindämmung der Kalten Progression, die insbesondere mittlere Einkommen trifft. Aber gerade in Krisenzeiten können wir Entlastungen nicht unabhängig von der wirtschaftlichen Lage versprechen. Wir sind keine Wahrsager. Deshalb müssen wir den Verlauf der Krise abwarten und schauen, wie schnell wir was hinbekommen. Das Ziel ist klar, aber wir wollen die Menschen nicht mit einfach mal so gegriffenen Zahlen täuschen. Da wollen wir lieber seriös und solide bleiben.
FTD: Schließen Sie, so die Union nach der Wahl Regierungsverantwortung trägt, eine Mehrwertsteuererhöhung aus?
Koch: Zu dieser Diskussion ist in der letzten Woche während meiner Dienstreise in die USA wirklich alles gesagt worden. Ich war ganz froh, dass ich daher daran nicht teilnehmen musste.
FTD: Halten Sie eine Koalition mit den Grünen nach dieser Bundestagswahl für möglich?
Koch: Die Grünen-Basis setzt auf Bundesebene auf Koalitionen im linken Teil des Parteienspektrums – unabhängig davon, was wir in der Union denken würden. Das gilt zumindest für die nächste Bundestagswahl. Die schwarz-grünen Bündnisse in Hamburg und auf kommunaler Ebene sind sicher Hinweise darauf, dass sich die Haltung der Grünen längerfristig ändern könnte, aber auf Bundesebene sind die medialen Diskussionen doch arg lästig.
FTD: Die schwarz-grünen Gedankenspiele könnten nur eine Strategie von CDU und CSU sein, manchen Wähler vergessen zu lassen, dass die Union eigentlich mit der FDP regieren will. Ein Trick, um die Ängste vor einer neoliberalen Koalition zu verscheuchen?
Koch: Es gibt keinen Anlass, den Wählern Angst vor Schwarz-Gelb zu nehmen. Im Gegenteil bin ich optimistisch, dass die Mehrheit auf eine Zusammenarbeit von CDU/CSU und FDP setzt und nach den leidvollen Erfahrungen mit Ypsilantis rot-rot-grünem Versuch weiß, was für Deutschland auf dem Spiel steht.
FTD: Nach der Wahl will die CDU einen EU-Kommissar nach Brüssel schicken. Welches Ressort sollte die Kanzlerin für Deutschland sichern?
Koch: Ich ahne, wohin Ihre Frage führen soll. Dennoch: Der Posten für Industriepolitik, den Günter Verheugen derzeit innehat, ist für uns auch weiter interessant. Das Gleiche gilt für die Ressorts Wettbewerb und Energie.
FTD: Wäre das etwas für Sie?
Koch: Ich wusste es doch. Nein bleibt Nein. Ich bin im Augenblick der Politiker in Deutschland mit der längsten Vertragslaufzeit. Das ist eine gute Ausgangsposition.
FTD: Wofür?
Koch: Für gelassenes Arbeiten im schönen Hessenland und die Möglichkeit, von hier auch in bundespolitischen Fragen Einfluss auszuüben.