Hessischer Landtag, 26. Juni 2009
Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Müller,
sehr verehrter Herr Schlempp, liebe Familie Schlempp,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zunächst bitte ich um Entschuldigung. Ich mag es eigentlich nicht, wenn Leute in die Veranstaltung hereinplatzen und dann wieder hinausstürmen. Trotzdem ist das heute bei mir der Fall. Ich bin erst seit dreieinhalb Stunden wieder auf deutschem Boden und muss nachher noch einen verdienten Freund und Kollegen, Dr. Otto Wagner, der leider verstorben ist, in Heppenheim mit zu Grabe tragen. So ergibt es sich, dass der zeitliche Rahmen hier nicht ganz so ist, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber auf der anderen Seite wollte ich es unter keinen Umständen missen, heute hier das Wort auch an Herrn Schlempp zu richten. Er ist immerhin einmal mein Ausbilder gewesen. Insofern denke ich, dass das auch einer besonderen Erinnerung und eines Stückes Dankbarkeit wert ist. Aber auch jenseits dieser persönlichen Bemerkung, glaube ich, steht es uns gut an, dass die Landesregierung und diejenigen, die im Hauptamt die Interessen der kommunalen Spitzenverbände vertreten, über die gegenseitige Wertschätzung hinaus das Element der Dankbarkeit nicht ganz vergessen.
Mit seinem Ausscheiden aus dem Amt sorgt Herr Schlempp bei der Landesregierung für eine historische Zäsur. Das erste Mal seit 50 Jahren muss ein Ministerpräsident nun nicht mehr mit einem „Herrn Schlempp“ in der Kommunalpolitik die jeweiligen Fragestellungen erörtern. Damit fallen sicherlich auch einige der Brücken weg, die der frühere Herr Schlempp aus dem Landkreistag und der heutige Herr Schlempp aus dem Städtetag über Jahre hinweg zwischen den verschiedenen Ebenen gebaut haben. Ich weiß natürlich nicht, ob diese Brückenfunktion für sie immer so bequem war.
Sicher ist, dass wir alle auch in Zukunft noch manches miteinander zu tun haben werden. Die Kommunen sind, so sagt es unsere Verfassung, Teil der Länder. Aber sie sind auch, so sagt es unsere Verfassung wiederum, ein eigenständiges verfassungsrechtliches Element in diesen Ländern. Das bedeutet zweierlei: Zum einen, dass die Bundesländer gegenüber dem Bund und in ihrer gesetzgeberischen Verantwortung für die Kommunen Rahmenbedingungen erarbeiten, erstreiten und gesetzgeberisch schaffen. Und es bedeutet auf der anderen Seite, dass die Kommunen im Verhältnis zu den Ländern ein eigenständiges rechtliches, durch Verfassungsrecht verfestigtes und durch die förmliche Rechtsprechung in allen Details ausgearbeitetes besonderes eigenes Persönlichkeitsrecht haben. Das gibt immer Anlass zur Diskussion – dagegen kann man nichts machen. Es begegnen sich unterschiedliche Institutionen und Interessen, die zwar alle gemeinsam das Gute wollen, aber die über die Frage, wie die Definition zu erhalten ist über das, was das Gute ist und wer es dann bezahlt, oft in Interessenkonflikte geraten müssen.
Wenn man deshalb heute die Zusammenarbeit mit einem derjenigen bilanziert, die über so lange Zeit die Interessenvertretung der Kommunen auf der Seite des Städtetages geprägt und vertreten haben, wie das bei Herrn Schlempp der Fall ist, muss man zunächst einmal jenseits aller Details sagen: Es gibt ein sehr geordnetes, sehr gutes und über eine vielfältige Tagesarbeit gewachsenes vertrauensvolles Verhältnis zwischen unseren beiden Institutionen. Wobei auf Ihrer Seite ja noch die Schwierigkeit hinzukommt, dass ein Geschäftsführer eines Verbandes immer davon abhängig ist, dass der Verband ihm einigermaßen gemeinschaftlich sagt, was er will. In einem gut organisierten Verband sagt der Geschäftsführer dem Verband, was er will, aber das bedeutet nicht weniger, dass er die anderen von seiner Sichtweise auch überzeugen muss – und in „Clubs“ von ausschließlich Hauptamtlichen ist diese Tätigkeit ein bisschen komplizierter als bei Verbänden, die ehrenamtlich organisiert sind. Hier gibt es Leute, die noch die Zeit haben, mit Ihnen zu streiten, jedenfalls wenn sie es wollen.
Auf diese Art und Weise Meinungen zu bündeln und zusammenzuführen, ist eine Herausforderung. Und sie besteht ja nicht nur in den großen Dingen: Wenn wir – Vertreter von Landesregierung und Städtetag – uns begegnen, reden wir über einige wenige, verdichtete Probleme. Diese können Hunderte von Millionen Euro schwer sein, aber es sind dennoch überschaubare Bereiche. Im Tagesgeschäft des Städtetages jedoch, bei der Abstimmung dessen, was die Rahmenbedingungen von Landespolitik auf der einen Seite und die konkrete praktische Ausführung auf der Ebene der Städte, Gemeinden und der Landkreise auf der anderen Seite betrifft, geht es nicht allein um einige wenige wichtige Gesetze, sondern auch um die endlose Frage von Rechtsverordnungen, Erlassen, Kooperationsmöglichkeiten und allerlei Schwierigkeiten, die im Einzelfall entstehen und bewältigt werden müssen. Wenn ich deshalb sage, dass wir bei allen grundsätzlichen Diskussionen ein insgesamt gutes Verhältnis miteinander haben, dann liegt das daran, dass all diese Dinge immer wieder aus dem Weg geräumt werden. Und darin liegt sicherlich eine sehr, sehr wichtige und sehr zentrale Aufgabe, die auch die Hauptgeschäftsführungen unserer Verbände haben. Wenn sie an dieser Stelle nicht funktionieren, dann kommen wir gar nicht mehr dazu, über die wichtigen Fragen zu streiten, weil wir schon mit den unwichtigen so viel Ärger hätten, dass daraus kein vernünftiges Klima entstehen kann.
Dieses über so viele Jahrzehnte erfolgreich bewältigt zu haben, ist sicherlich eine der großen Leistungen der kommunalen Spitzenverbände und derer, die dann auch im Hauptamt ihre Repräsentation ausüben. Dazu gehört sicherlich auch, dass Diskussionen darüber, wer welche Aufgabe wie gut löst, in Verwaltungsdingen jedenfalls immer auch damit zu tun haben, dass es am Ende rechtliche Rahmenbedingungen gibt, nach denen man es entscheiden muss. Deshalb gehört sicher auch dazu, dass diejenigen, die diese Interessen vertreten, ein Stück ihrer Autorität aus dem fachlichen Wissen um die Beurteilung der zugrunde liegenden Normen ziehen. Das mag jetzt nach einer Privilegierung unseres Berufstandes der Juristen klingen, das ist wahr. Aber wir sind ja nun auch der Meinung, dass wir tendenziell unersetzlich sind – jedenfalls höchstens einer gelegentlichen Ergänzung durch andere bedürfen, aber ansonsten nicht weggelassen werden können. Wenn man den Juristen nicht mehr unterstellt, dass sie so denken, dann haben sie vielleicht ihren Beruf verfehlt.
An dieser Stelle ist eine gute juristische Ausbildung oft von zentraler Wichtigkeit, um richtig einschätzen zu können: Wer darf was warum? Und was passiert, wenn man es ändert? Ich denke, dass Herr Schlempp mit der Vermittlung von solchem juristischem Verständnis weit über die Aufgabenstellung einer reinen Interessenvertretung von einem der drei kommunalen Spitzenverbände hinausgegangen ist. Dieses besondere Engagement ist nicht zuletzt im „Schlempp-Schlempp“ geendet. Wenn man also den Verband nicht mehr fragen kann, muss man Herrn Schlempp selber fragen. Es ist gewissermaßen dadurch erst möglich geworden, eine fundierte Diskussion darüber zu führen, warum es bestimmte Normen überhaupt gibt, warum bestimmte Beziehungen zwischen den einzelnen Institutionen bestehen und welche Möglichkeiten der Entscheidung, des Ermessensspielraums oder auch der „unübertretbaren Grenzen“ es im Rechtsverhältnis der Kommunen untereinander, zu allen anderen Institutionen, wie auch im Rechtsverhältnis von Kommunen und Land gibt.
Ich beschreibe jetzt insbesondere das Verhältnis von Kommunen und Land, weil das nun einmal die Aufgabe ist, für die ich auch im Namen meines Kollegen Volker Bouffier und aller anderen Mitglieder des hessischen Kabinetts diese Worte an Sie richte. Und ich weiß deshalb dennoch, dass die kommunalpolitische Erfahrung dafür spricht, dass sich die schlichte Dienstleistung des Verbandes für seine Gemeinden in diesem extrem komplexen Abhängigkeits- und Rechtsgefüge – bei dem auch die Grenzen zwischen Landkreis und Gemeinde fließend sind, wenn man etwa über das neue Sozialrecht spricht – immer wieder dadurch rechtfertigen muss, dass die Städte und Gemeinden sagen können: „Es macht Sinn, dass wir in diesem oder jenem Verband Mitglied sind, und wir müssen das in unserem Budget verkraften.“ Gemeinsam haben wir auch Zeiten erlebt, in denen es bis hin zur Kommunalaufsicht die Meinung gab, dass man prüfen müsste, ob eine Kommune überhaupt in zwei unterschiedlichen Verbänden Mitglied sein darf und wie viel ihr das wert sein darf. Das zeigt, wie sehr sich eine solche Interessenvertretung durch die Qualität und die Ergebnisse ihrer Arbeit immer wieder neu rechtfertigen muss. Und die Tatsache, dass diese Debatten heute alle verstummt sind, ist wohl doch auch ein Hinweis darauf, dass es inzwischen eine allgemeine Akzeptanz gibt, dass diese Dienstleistungen funktionieren.
Lieber Herr Schlempp, auch ich gehöre zu den Menschen, bei denen immer in den Biographien steht, sie hätten schon als Kind am Küchentisch gelernt, was sie später beruflich machen. Das werden auch Sie für sich nicht bestreiten können. Wenn es bei Ihnen so wenig der Fall war wie bei mir, haben Sie eine glückliche Kindheit gehabt. Aber die Tatsache, dass man in der Familie etwas davon erfährt oder erlangt, was einen für das spätere Berufsleben mitprägt, das kann man ja nicht bestreiten. Wenn ich Ihren Sohn sehe, kann man ja auch den Verdacht haben, dass diese Tradition mit der nächsten Generation fortgeführt wird. Parteipolitisch, würde ich sagen, ist er zwar ein bisschen aus der Spur geraten, aber durchaus noch im Rahmen der Toleranzgrenze. Doch auch er zeigt bei seinem kommunalen Engagement dieselbe Leidenschaft wie Sie.
Sie sind nach Abschluss des zweiten juristischen Staatsexamens Referent beim Hessischen Städtetag geworden. Sie wussten sicherlich sehr genau, was Sie damit taten, denn Sie kannten dieses Umfeld ja bereits – wobei sich die Frage stellt, warum Sie anstatt zum Landkreistag zum Städtetag gegangen sind. Dafür gibt es wahrscheinlich ein formales Argument: Was will man dort, wo der Vater schon ist? Es gibt sicherlich auch ein anderes: Man will nicht, dass behauptet wird, er wäre nur etwas geworden wegen seines Vaters. Das alles hat dem Landkreistag in der Summe schweren Schaden zugefügt, weil Sie jetzt auf der anderen Seite tätig sind. Insofern lässt sich nur hoffen, dass das Verhältnis zwischen Städten und Landkreisen eines Tages wieder so friedlich wird, wie Sie es am Küchentisch erlebt haben.
Sie sind 1989 dann nach langjähriger Referententätigkeit zum Direktor des Hessischen Städtetages ernannt worden. Dies sind Sie nunmehr seit einer Zeit, die zwei Jahrzehnte umfasst. In dieser Zeit haben Sie all die Aufgaben wahrgenommen, von denen ich versucht habe, in einer gewissen Abstraktheit zu sprechen. Es ist schon darauf hingewiesen worden: Das ist nicht alles. Herr Schlempp ist nämlich auch selbst ein aktiver Kommunalpolitiker, und zwar in einer Stadt natürlich. Von 1981 bis 1997 waren Sie Stadtverordneter; seit 1997 sind Sie Mitglied des Magistrats in der Landeshauptstadt Wiesbaden. Mit all den Aufgaben und Herausforderungen, die eine große Stadt mit sich bringt – inklusive ihrer wirtschaftlichen Betriebe, vom Kraftwerk bis zur Nassauischen Heimstätte.
Die Wiesbadener Kommunalpolitik ist ja auch nicht immer frei von Spannungen und Turbulenzen. Das hat sich unter dem jetzigen Oberbürgermeister zwar ein bisschen gelegt, aber Herr Schlempp ist ja schon länger dabei. Insofern denke ich, haben Sie auch manche spannenden Zeiten erlebt. Gelegentlich waren Sie als Jurist in den eigenen Reihen gutachterlich tätig, etwa in der Frage: Wie wird man eigentlich gewählt? Wer darf kandidieren? Und was ist, wenn keiner kandidiert? Und deshalb ist für Sie, glaube ich, die Stadt selbst immer auch ein Stück Rückbindung gewesen für das, was Sie im Hauptamt taten. Gleichzeitig haben Sie damit auch ihre juristische Expertise in der Praxis überprüfen und verwerten können.
Diese Tatsache, dass Sie in einem so langen und ausführlichen Maß Ihr Hauptamt auf der Ebene des Verbandes wahrgenommen haben und Sie andererseits eben auch ein mit Leidenschaft, Engagement, Erfahrung und Erfolg geprägter Kommunalpolitiker sind, hat, um das in der verfassungsrechtlich richtigen Reihenfolge zu machen, den Herrn Innenminister, den ich ja hier vertreten darf, dazu gebracht, Ihnen, sehr verehrter Herr Schlempp, heute die Freiherr-vom-Stein-Plakette durch mich überreichen zu lassen – in der außergewöhnlichen Anerkennung dessen, was Sie in Ihrem kommunalpolitischen Leben geleistet haben. Und dazu gratuliere ich Ihnen ganz herzlich!
In Deutschland, das wissen Sie, geht nichts ohne eine ordentliche Urkunde. Diese hat folgenden Wortlaut: „Im Namen der Hessischen Landesregierung verleihe ich Herrn Dieter Schlempp in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die kommunale Selbstverwaltung auf örtlicher und überörtlicher Ebene die Freiherr-vom-Stein-Plakette. Meinen Dank und meine Anerkennung verbinde ich mit den besten Wünschen für die Zukunft. Der Hessische Minister des Innern und für Sport, Volker Bouffier.“
Und da er ja hauptberuflich zu einhundert Prozent mit seiner Arbeit für den Städtetag ausgelastet war – das wollen wir jedenfalls bis zum letzten Amtstag unterstellen –, muss die gesamte kommunalpolitische Arbeit in seiner Freizeit geschehen sein. Das bedeutet, dass er eigentlich rund um die Uhr irgendwo in der Kommune beschäftigt war. Das hat ihn nicht daran gehindert, auch mit seiner Frau beschäftigt zu sein, wie wir ja an vielen Ergebnissen sehen. Aber es hat eben auch dazu geführt, dass seine Frau oft darunter leiden musste, dass die Zeitdisposition anders ist. Die Diskussion über den Terminkalender mit Ehefrauen kann ich ein bisschen beurteilen. Es bedeutet: Wir müssen immer rechtfertigen, dass das übrig bleibt, was übrig bleibt, weil andere über alles andere entschieden haben. Das ist nicht nur angenehm. Das gehört zu den Opfern. Und deshalb gehört es auch dazu, Dank und Anerkennung dahingehend zu zeigen, dass wenn der Mann eine Ehrung bekommt, die Ehefrau wenigstens einen Blumenstrauß bekommt. Nicht, dass das genauso gut wäre wie die Ehrung – aber wenigstens ist es ein Zeichen, dass wir gemerkt haben, welche Opfer auch die Familie hat bringen müssen. Deshalb auch an Sie, verehrte Frau Schlempp, ein herzliches Dankeschön!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will abschließen mit einer in die Zukunft gerichteten Bemerkung. Freiherr vom Stein ist dafür ein guter Anlass. Kommunalpolitik und das Verhältnis zu den übergeordneten Ebenen unserer verfassungsrechtlichen Institutionen ist kein Selbstzweck. Es ist nicht deshalb entstanden, weil die Beteiligten nichts Besseres zu tun hatten als noch eine Ebene zu schaffen. Sondern die Kommunen können mit dem Selbstbewusstsein leben, dass in dem Gedanken gerade von Freiherr vom Stein – und wir Hessen haben eine besondere Beziehung zu ihm – die Dezentralität der Verantwortung ein Teil der Grundlage für die Loyalität der Bürger eines Staates ist. Wenn sie der Auffassung sind, dass alles, was geschieht, von ihnen weit weg ist, dann haben sie auch den Eindruck, dass es nicht notwendig ist, sich darum zu bemühen. Und deshalb sind die kommunale Selbstverwaltung und die demokratische Ordnung zwei Dinge, die sehr eng miteinander zu tun haben. Freiherr vom Stein hat mit den von ihm ausgestalteten Reformen eine Grundlage geschaffen, von der wir uns glücklicherweise nie mehr ganz entfernt haben. Und sie ist eine Verantwortung auch für die Zukunft. Sie zu tragen, wird in Zukunft nicht einfach sein. Weil das nicht bedeutet, dass es keine Konflikte unter den Ebenen mehr gibt. Wir sind oft in Zeiten – vielleicht jetzt erst recht –, in denen Verteilungskonflikte, in denen der Druck der Aufgabenwahrnehmung auf alle Beteiligten enorm ist. Das wissen alle, die hier sind. Und deshalb braucht man auch nicht bei einer Festveranstaltung darum herum zu sprechen.
Die Tatsache, dass wir in den Finanzdiskussionen die schöne Beschäftigung haben, dass Nackte sich gegenseitig in ihre virtuellen Taschen greifen, hat zwar gelegentlich einen gewissen erotischen Charme, aber es ist auch tendenziell sinnlos, das wissen wir alle. Trotzdem gibt es hier ein Problem, das uns in Zukunft beschäftigen wird. Genau so, wie es uns auch große Probleme macht und machen wird, wenn die Ebenen sich nicht intern auf eine gewisse Konsolidierung einstellen. Das ist eine große Herausforderung. Ich rede darüber als einer, der auch Landesbanken „im Gepäck“ hat. Ich weiß, was es bedeutet, wenn selbstständige Identitäten versuchen sollen, sich zu gemeinsamen Positionen zusammenzufinden und das nicht immer gelingt. Dies ist also keine Frage der einen, die wissen, wie es geht, und der anderen, die nicht wissen, wie es geht. Deshalb geht meine herzliche Bitte an alle, die hier Verantwortung tragen, an dieser Aufgabe weiter mitzumachen.
Interessenvertretung entlang der Linie dessen, was die jeweiligen Ebenen voneinander erwarten, erfordert irgendwann die Geschlossenheit der jeweiligen Ebenen. Ich beginne zu befürchten, dass das als ein Mantra betrachtet wird, das ich mit mir herumtrage. Aber ich habe mich so lange mit der Frage beschäftigt, wie man Konflikte regelt, dass ich davon wirklich überzeugt bin: In dem Augenblick, in dem die Konfliktregelung mit einem der Teile auf der einen Seite der Linie möglich ist bei Erhöhung des Konfliktes mit dem anderen auf der anderen Seite, wird der Impetus, die Konflikte friedlich zu regeln, immer geringer. Weil es nur noch um die Frage geht, mit wem man Ärger hat – und nicht mehr, ob man Ärger hat. Und in dieser Frage haben wir uns in den letzten Jahrzehnten das Leben zunehmend schwerer gemacht. Dafür gibt es objektive Gründe. Das ist nicht nur eine Frage von Animositäten. Das weiß ich wohl zu respektieren. Nur werden wir die objektive Tatsache nicht auflösen, dass es eine starke kommunale Selbstverwaltung im Stein’schen Sinne geben muss und dass es verfassungsrechtliche Aufgaben von Bund und Ländern gibt. Als einer der dienstältesten Teilnehmer der Ministerpräsidentenkonferenz habe ich sehr oft diese Aufgabe und diese Last tragen und ertragen müssen, wenn Bund und Länder miteinander verhandeln. Dabei zeigt sich, dass, wenn wir auf der Ebene der Länder nicht einer Meinung sind, wir uns auf der Ebene des Bundes gar nicht erst sehen lassen brauchen. Weil dann, egal was die eine Seite macht, sie auf der anderen Seite immer Freunden und Feinden gleichermaßen begegnet – und nie wirklich die Chance hat, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
Diesen Druck zur Einigung auf gleicher Ebene kann uns niemand abnehmen. Und es wird deshalb auch eine Aufgabe sein, die wir weiter mit uns herumtragen müssen, bestimmte Regelungen zu schaffen, dass wir am Ende eine gewisse Befriedetheit herstellen. Das wird hier und jetzt nicht möglich sein; es ist eine Zukunftsaufgabe. Sonst müsste man sie auch an einer solchen Stelle nicht erwähnen. Aber wir sollten, wenn wir eine so erfolgreiche und langjährige Arbeit wie die von Herrn Schlempp heute würdigen und wenn Freiherr vom Stein so zentral im Raume steht, uns schon an dieser Stelle fragen: „Was bedeutet das, wenn wir uns übermorgen wieder in den Gremien sehen?“ Wir sollten nicht vergessen, dass diese ganze Freude in und über Institutionen eine Verpflichtung beinhaltet – nämlich zu schauen, dass diese auch in Zukunft in gleicher Weise leistungsfähig sind.
In diesem Sinne gratuliere ich Herrn Schlempp und wünsche der ganzen kommunalen Gemeinde, dass sie weiter so gut betreut wird, wie das in der Vergangenheit gelungen ist.
Vielen herzlichen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort!