Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der Frankfurter Rundschau
Frankfurter Rundschau: Herr Koch, bekommen die Menschen die Wirtschaftskrise erst nach der Bundestagswahl im Herbst richtig zu spüren?
Roland Koch: Es ist zu befürchten, dass wir schon im Sommer eine Verschärfung der Krise erleben werden. Und es erscheint mir falsch zu erwarten, dass das alles erst nach der Bundestagswahl passiert. Wir haben eine Liquiditätskrise vor uns. Das bedeutet eine Gefahr für Unternehmen und Arbeitsplätze.
FR: Steigt die Arbeitslosigkeit dann noch schneller?
Roland Koch: Im zweiten Halbjahr werden wir eine schwierige Lage bekommen. Meine Sorge ist, dass sich das auch auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen wird. Der Eindruck, dass es die Krise nur im Kopf von Politikern und in den Schlagzeilen der Zeitungen gäbe, wird sich stark relativieren.
FR: Spitzt sich damit die soziale Lage zu?
Roland Koch: Wir haben Sozialsysteme, die gerade in Krisenzeiten funktionieren. Die Bürger haben bei allen sozialen Problemen die Gewissheit, dass sie nicht in existenzielle Not stürzen. Je geringer die Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten wird, desto leichter wird das zu kommunizieren sein. Wenn uns im Jahr 2010 ein Anstieg der wirtschaftlichen Aktivitäten gelänge, dann würden sich Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in überschaubaren Grenzen halten. Dann müssten wir mit einer Arbeitslosenzahl auf dem Niveau von 2005 rechnen, aber nicht mit einer höheren. Ich nehme von meinem Besuch in den USA den Optimismus der Amerikaner mit. Sie rechnen fest damit, die aktuellen Schäden der Krise schnell überwinden zu können.
FR: Angela Merkel trifft in diesen Tagen Barack Obama. Haben Sie ihr mit Ihrem US-Besuch den Weg bereitet?
Roland Koch: Es war eine zufällige Terminkonstellation, aber eine durchaus erfreuliche für uns alle. Einige, die in der Obama-Administration das Treffen mit der Bundeskanzlerin vorbereitet haben, waren bei den Gesprächen mit mir dabei. Es ging dabei vor allem um Wirtschaftspolitik. Die Agenda der Bundeskanzlerin ist natürlich deutlich breiter und reicht bis hin zu Afghanistan und Iran. Aber sicher war es hilfreich.
FR: Wie groß sind die transatlantischen Differenzen im Kampf gegen die Krise?
Roland Koch: In meinen Gesprächen habe ich versucht, Verständnis für die politisch-kulturellen Unterschiede zu wecken, die das Handeln in der Krise beeinflussen. Die Großeltern einer amerikanischen Familie sind am meisten gebeutelt worden durch die große Depression Mitte der 30er Jahre. Damals hatten die USA nicht ausreichend reagiert. Das prägt. Dagegen sind wir in Deutschland in der Generation unserer Großeltern geprägt vom Verlust des Ersparten durch die Inflation. Die Sorge vor Inflation ist daher in Deutschland bis heute größer. Wenn man das jeweils versteht, kann man mit den politischen Leitentscheidungen, die auf den beiden Kontinenten getroffen werden, eher umgehen. Man muss außerdem sehen, dass der Konsum in den USA in den letzten Monaten ziemlich zusammengebrochen ist. Unser Land, in dem der Konsum weitgehend normal läuft, kann andere Wege zur Bewältigung der Krise suchen.
FR: Sie sprechen von einer deutschen, gar von einer europäischen Position in der Auseinandersetzung mit der Wirtschaftskrise. Spielen parteipolitische Differenzen keine Rolle?
Roland Koch: In der Tat: Die wichtigen Fragen in der Bewältigung der Wirtschaftskrise haben die politischen Parteien in Deutschland, von der Linkspartei abgesehen, vollkommen übereinstimmend entschieden. Das betrifft die Grundhaltung, dass wir die Inflationsbekämpfung für ein wichtiges Gut halten und dass die Unabhängigkeit unserer Notenbank dafür ein wichtiges Instrument ist. Auch bei dem ökonomischen Dreifach-Schlag zur Sicherung der Finanzindustrie, der Bauindustrie und der Automobilindustrie gibt es einen Konsens. Ernsthaft sehe ich darüber mit Ausnahme der Linkspartei überhaupt keinen Dissens in Deutschland.
FR: Bedeutet das, dass die Wirtschaftskrise im Wahlkampf keine Rolle spielen wird?
Roland Koch: Da muss man unterscheiden. In der Frage, wie gerne man staatliche Beteiligungen hat, gibt es keine Übereinstimmung in Deutschland. Die Sozialdemokraten empfinden staatliche Unternehmerschaft sehr viel unproblematischer als wir in der CDU. Wir haben große Sorge, dass der Staat das letztlich nicht kann, und wollen aus der Verantwortung, in die wir da hinein geraten sind, möglichst schnell wieder hinaus. Die Sozialdemokraten sagen dagegen: Wenn der Staat in der Wirtschaft mitmischt, geht es der Wirtschaft besser. Das glauben wir nicht.
Das Interview führte Pitt von Bebenburg.