Ministerpräsident Roland Koch im ddp-Interview
ddp: Herr Koch, Ihr Koalitionspartner hat gesagt, in den ersten 100 Tagen habe es «ein bisschen Gerumpel» gegeben. Sehen Sie das genauso?
Roland Koch: Die Regierung ist gut gestartet. Aber in einer Regierungszeit wird es immer so sein, dass in irgendeinem Ministerium auch ein Problem zu bewältigen ist. Davor ist man auch in den ersten 100 Tage nicht gefeit. Die Frage ist am Ende doch, wie ein Problem bewältigt wird. Ich denke, Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) hat das gut bewältigt. Und stellen Sie sich mal eine rot-grüne Regierung von Gnaden der Linkspartei in Zeiten wie diesen vor.
ddp: Aber Sie hatten schon unkompliziertere Starts in eine Amtsperiode.
Koch: Wir haben die Amtsgeschäfte in einer schwierigen Zeit der Ungewissheit übernommen, in der wir jetzt – auch nach den unklaren politischen Verhältnissen des vergangenen Jahres – viel Gewissheit und Verlässlichkeit vermitteln können. Das ist wichtig für das Land, und die Menschen wissen diese Berechenbarkeit auch zu schätzen. Aber natürlich haben wir die Regierungsverantwortung in einer extrem schwierigen politischen und ökonomischen Zeit bekommen. Die Dinge hängen ja miteinander zusammen.
ddp: Wie sinnvoll ist da das Versprechen, nach der Bundestagswahl Steuern zu senken?
Koch: Meine These ist: 50 Prozent Krisenbewältigung, 50 Prozent Zukunftsgestaltung. In der Krisenbewältigung haben wir das, was wir in der Steuerpolitik für nötig halten, entschieden. Das heißt: Dieses Jahr wird die kalte Progression ein Stück zurückgeführt, nächstes Jahr auch. Durch die Anerkennung der Krankenversicherungsbeiträge haben gerade diejenigen, die eine höhere Abgabenlast haben, eine bessere Chance, das steuerlich geltend zu machen. Das ist in der Summe in 2010 die größte Steuersenkung, die es in den zurückliegenden zehn Jahren gegeben hat. Und die nehmen wir auch nicht zurück – trotz Krise. Nur weil wir jetzt eine Krise haben, dürfen wir nicht aufhören, über die notwendigen Strukturveränderungen nachzudenken.
ddp: In der Krise spielt Opel für Hessen eine große Rolle: Es gibt einige mögliche Investoren. Haben Sie einen Favoriten?
Koch: Jeder Investor sollte die Chance haben, sich vorzustellen. Vor einigen Wochen ist ja noch behauptet worden, es gäbe keinerlei Interessenten. Am Ende der Diskussion zählen dann Kriterien wie: Wie werden die meisten Arbeitsplätze erhalten, wie wird Rüsselsheim zu einem starken Zentrum in diesem neuen Konzern und wo wird der Steuerzahler am geringsten belastet. Ich habe aus den vielen Gesprächen der vergangenen Wochen eine gewisse Erwartung, wer das sein könnte.
ddp: Sie sehen Ihre Koalition als Blaupause für den Bund. Meinen Sie konkret Ihr Bündnis in Hessen oder die Parteienkombination Schwarz-Gelb an sich?
Koch: Das Modell Schwarz-Gelb ist mehr als bloß die Kombination beider Parteien. Hinter dem Gedanken der Blaupause steht, dass die Bundesrepublik eine Regierung verdient hätte, in der nicht zwei Antipoden miteinander regieren, die ganz entgegengesetzte Vorstellungen von der Zukunft haben und für die jede Entscheidung ein Formelkompromiss ist. Das ist das, was wir nämlich in der großen Koalition in weiten Teilen haben, nachdem die wichtigsten Projekte abgearbeitet sind.
CDU und FDP haben hingegen ziemlich ähnliche Vorstellungen davon, was die eigene Verantwortung des Bürgers, die wirtschaftliche Entwicklung und die Organisation des Staates angeht. Wir brauchen in Deutschland – wie in Hessen – eine Regierung, in der jedes Mitglied zu den Projekten steht und nicht jeweils die Hälfte der Regierungsmitglieder sagen muss: Okay, das machen wir jetzt zähneknirschend mit, wenn die anderen an anderer Stelle Kröten schlucken. Die weitgehende inhaltliche Übereinstimmung zwischen CDU und FDP ist eine gute Grundlage für eine Koalition auch auf Bundesebene.
ddp: Die FDP könnte aber auch ein ganz schön anstrengender Juniorpartner werden, so kraftmeiernd, wie FDP-Chef Guido Westerwelle seit Monaten auftritt.
Koch: Die CDU kann auch anstrengend sein.
ddp: Die CDU plant keinen Parteitag vor der Bundestagswahl. Wäre der aber nicht vonnöten, um das inhaltliche Profil der Union zu schärfen?
Koch: Wir werden genug Gelegenheit haben, unser Profil zu schärfen. Wir haben seit einem halben Jahrhundert eine gute Tradition, keine Parteitage unmittelbar vor Wahlen zu machen. Es gab nur eine Ausnahme, weil wir einen Generalsekretär wählen mussten. Am Ende treten wir ja als Union aus CDU und CSU an. Deshalb sind wir gut beraten, bei der Tradition zu bleiben, die Zusammenarbeit der Union in gemeinsamen Tagungen zu dokumentieren und nicht in getrennten Parteitagen.
ddp: Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Profil?
Koch: Ich glaube, dass die Bundespartei unter den schwierigen Herausforderungen der großen Koalition den richtigen Weg geht. Mir als stellvertretendem Bundesvorsitzenden muss nicht jeder einzelne Schritt – beispielsweise der Mittelstandsunion oder der CDA – gefallen. Aber das, was schließlich zusammengefügt wird, ist richtig. Ich glaube, dass wir mit Angela Merkel in der Führung der Union zwei Dinge haben: ein extrem gutes personelles Angebot und eine politische Vorstellung von der Zukunft, mit der wir in der Mitte der Gesellschaft stehen.
ddp: Werden Sie als CDU-Wirtschaftsexperte im Bundestagswahlkampf auftreten?
Koch: Ich glaube nicht, dass wir solche Rollenverteilungen diskutieren müssen. Ich werde der stellvertretende Parteivorsitzende der CDU sein. Dass ich mich gelegentlich mit Wirtschaft beschäftige, ist bekannt.
ddp: In wenigen Wochen ist Europawahl. Wen will die CDU denn als EU-Kommissar nach Brüssel schicken?
Koch: Das werden wir in aller Ruhe dann besprechen, wenn es ansteht.
ddp: Sie selbst sind nicht mehr im Gespräch?
Koch: Ich kann Journalisten ja nicht daran hindern, zu spekulieren. Aber ich war nie und werde nicht im Gespräch sein.
ddp: Noch einmal zurück nach Hessen: Hat sich Ihrer Einschätzung nach der politische Stil in Wiesbaden verändert?
Koch: Das kann man noch nicht abschließend sagen. Klar ist, die Parteien haben sicher aus der Erfahrung eines Landtags ohne klare Mehrheiten im vergangenen Jahr gelernt, auch im persönlichen Miteinander. Man darf sich nur an einer sehr zentralen Stelle keine Illusionen machen: Eine Regierung will, dass sie Regierung bleibt und eine Opposition will, dass die Regierung wegkommt. Ganz merkwürdig wäre, wenn die Bürger den Eindruck hätten, dass einer nicht mehr dieser Meinung wäre.
Das Interview führte Daniel Staffen-Quandt.