Koch: „Ich sehe sehr viele gute Argumente für Opel“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview im Deutschlandfunk
Dirk Müller: Zögert die Bundesregierung, zaudert die Bundesregierung? Die Mitarbeiter wie auch die Konzernführung von Opel warten auf ein klares Signal aus Berlin. Kommt das milliardenschwere Rettungspaket für den angeschlagenen Autobauer oder nicht? Nach Beratungen gestern in der Hauptstadt hält der Wirtschaftsminister alles offen. „Wir werden uns die Sanierungsvorschläge von Opel genau ansehen“.
Wann kommt die Finanzspritze für Opel? Darüber sprechen wollen wir nun mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Guten Morgen!
Roland Koch: Guten Morgen!
Müller: Herr Koch, können Sie gar nicht anders, als Ja sagen zum Rettungspaket?
Koch: Wir prüfen ein Rettungspaket unter dem Gesichtspunkt, ob wir ein Unternehmen, das eine gute Fortführungsprognose hat, auf diesem Weg begleiten können, gerade weil es in Schwierigkeiten ist, die auch jenseits Europas zu einem nicht unerheblichen Teil begründet worden sind. Aber es ist eine Prüfung und diese Prüfung wird so sorgfältig gemacht, wie es Minister zu Guttenberg gerade in Ihrem Bericht ja auch gesagt hat, und ich glaube, das sind wir dem Steuerzahler schuldig, aber das sind wir auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schuldig, dafür zu sorgen, dass nicht eine Hilfe unterbleibt, wenn sie möglich wäre.
Müller: Also könnten Sie auch Nein sagen?
Koch: Ja. Selbstverständlich kann am Ende der Bürgschaftsausschuss, kann die Regierung, können Landesregierungen Nein sagen, wenn die Bedingungen für eine Rettung des Unternehmens nicht gegeben sind. Aber es ist doch in der Debatte dieser Tage gelegentlich ein bisschen der Eindruck entstanden, es gibt Leute, die geradezu offensichtlich darauf warten, dass solche Exempel mal statuiert werden. Ich fände es schrecklich, wenn es am Ende dazu käme, dass wir zehntausenden von Menschen sagen müssen, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren, weil das Unternehmen selbst bei bestem Willen aller Beteiligten keine Zukunftsperspektive hat, und ich sage, dass nach allem, was ich zurzeit sehe und weiß, ich es fahrlässig fände, ein solches Urteil auch nur zu erwägen, denn ich sehe sehr viele gute Argumente für Opel, die in der Prüfung für Opel sprechen, aber die werden alle sorgfältig geprüft (und nicht nur von einigen wenigen), und erst dann wird eine Entscheidung getroffen. Das findet jetzt sehr auf dem öffentlichen Markt statt. Das ist das Schicksal großer Unternehmen. Das hilft auch keinem der Beteiligten und führt jeden dazu, dass er Interviews gibt, weil es sonst noch schlimmer wird. Daran bin ich auch gerade beteiligt. Aber diesen Prozess müssen wir sehr ruhig und nüchtern zu Ende führen, in dem Interesse, wenn irgend möglich den Menschen und ihren Arbeitsplätzen zu helfen.
Müller: Aber seit wann, Herr Koch, wäre das in einer Marktwirtschaft ein Exempel, dass der Staat sagt, wir können einem Unternehmen nicht helfen?
Koch: Wir haben, wenn ich das richtig sehe, vor wenigen Tagen bei der Entscheidung des Staates bei Quimonda gerade eine solche Entscheidung getroffen. Dieselben Menschen, die jetzt im Bürgschaftsausschuss zusammensitzen, um über Opel zu reden, die haben ihre Unabhängigkeit, die haben ihre Kraft, das am Ende zu entscheiden. Nur das ist natürlich eine sehr, sehr schwierige Entscheidung, die den Beteiligten extrem schwerfällt, weil sie eben sehen, welche Auswirkungen dort im Bereich der Chip-Industrie oder an anderen Stellen das hat. Deshalb darf dies nicht sozusagen im Vordergrund stehen, sondern im Vordergrund muss stehen die Frage, ob zu verantwortbaren Bedingungen geholfen werden kann. Wenn zu verantwortbaren Bedingungen geholfen werden kann, muss auch geholfen werden. Mein persönlicher Impetus jedenfalls ist, mit all der Zeit, die ich im Augenblick investiere, mit meinen Kollegen zusammen, zu schauen, ob wir eine Perspektive für Hilfe finden – nicht um jeden Preis, aber mit allen Anstrengungen, die menschenmöglich sind, denn wir haben eine marktwirtschaftliche Ordnung, die in eine soziale Marktwirtschaft gewandelt bedeutet, dass wir im Rahmen von Ordnungspolitik auch die Möglichkeit haben, Unternehmen, die straucheln, zu helfen. Das machen wir mit Dutzenden, Hunderten von mittelständischen Unternehmen im Augenblick, mit kleinen Unternehmen mit unserem Bürgschaftsprogramm und das ist ein Ansinnen, das man selbst bei einer so schwierigen und großen Aufgabe wie Opel nicht aufgeben darf.
Müller: Wir hatten ja auch, Herr Koch, vor vielen Jahren, vor einigen Jahren das Beispiel Philipp Holzmann. Übernimmt die Politik auch die klare Verantwortung, wenn das, wenn man hilft, auch schiefgeht?
Koch: Politik darf – das ist sicherlich auch ein bisschen das Problem des damaligen Falles gewesen – nicht den Eindruck erwecken, dass sie sozusagen alleine die Klügsten auf der Welt sind. Deshalb ist ja die derzeitige Diskussion auch darauf konzentriert zu sagen, wie finden wir in dem Projekt Opel Partner. Das bedeutet, dass zunächst einmal – Gott sei Dank inzwischen nach vielleicht etwas zu langer Zeit – wir eine Konstruktion sehen, wie man überhaupt eine selbständige europäische Automobileinheit GM Opel mit eigener rechtlicher Selbständigkeit finden kann. Jetzt geht es um die Frage, ist GM, die nach wie vor daran interessiert sein müssen, das deutsche Wissen zu haben (sonst können sie auch in Amerika keine Autos bauen, jedenfalls keine wettbewerbsfähigen), ist GM bereit, dort mitzumachen und einzusteigen. Wer dort Anteile behalten will, wird auch die neuen Eigenkapitalstrukturen mit unterstützen müssen. Und finden wir Dritte, die bereit sind, in unterschiedlichen Wegen neues Kapital zur Verfügung zu stellen, wenn möglicherweise der Staat dabei Bürgschaften und Kredite zur Verfügung stellt. Das heißt, es geht nicht darum, dass der Staat mal gerade sagt, wir geben hier das Steuergeld, sondern wir suchen nach Menschen, die nach sorgfältiger Prüfung genauso wie wir zu dem Ergebnis kommen, Opel hat eine positive Fortführungsprognose. Von der kann ich überzeugt sein; das reicht aber nicht, sondern es muss sozusagen im freien Markt Partner geben, mit denen man ein solches Projekt gemeinsam entwickelt.
Müller: Sie haben das jetzt hier in unserem Interview, Herr Koch, schon zweimal gesagt. Für Sie ist das ganz klar: Wir haben eine positive Prognose bei Opel. Das würde ja im Umkehrschluss definitiv, um dann auch noch mal auf die Eingangsfrage zurückzukommen, bedeuten: Ja zum Rettungspaket?
Koch: Das heißt, wenn ich bei der oberflächlichen Prüfung von dem, was mir vorgetragen wird, schon zu dem Ergebnis käme, das funktioniert nicht, würde ich kein Geld mehr für Wirtschaftsprüfer, für Fachleute, für Investoren und andere ausgeben. Sondern ich denke, die Frage, ob eine prinzipielle Plausibilität dahinter steckt, dass ein Unternehmen, das ja bis zur Mitte des letzten Jahres Geld verdient hat, dass ein Unternehmen, das eine moderne Modellprojektion hat, ein Unternehmen, das sehr leistungsfähige Werke hat, bei dem die Arbeitnehmer in den letzten Jahren große Opfer erbracht haben zur Restrukturierung, um das Unternehmen wettbewerbsfähig zu machen, ein solches Unternehmen hat eine Menge Stärken auch mitzubringen. Aber das hilft nicht, solange die Gesamtrechnung auf die nächsten sechs, sieben Jahre für einen Investor nicht die Chance ergibt, dass er damit Geld verdienen kann. Wenn das Risiko, dass er sein Geld verliert, überwiegen würde, ist dieses Projekt gefährdet.
Ich persönlich glaube, dass das anders darstellbar sein kann, aber das müssen die Opel-Manager machen und das müssen sie mit unseren Wirtschaftsprüfern, das müssen sie mit Investoren diskutieren. Da kann die Politik die Hilfe dazu anbieten, die darin besteht, wenn man in der jetzigen Finanzkrise einfach auf den Markt geht und Geld sucht, dann wird man das Geld nicht finden, und zwar kein Unternehmen. Deshalb reden wir ja zurzeit mit vielen mittelständischen Unternehmen gerade im Bereich der Automobilzulieferer und reden auch mit großen Unternehmen, wo eine Notwendigkeit besteht, in dieser außergewöhnlichen Krise auch Hilfe zu geben, damit Refinanzierungen von in Schwierigkeit befindlichen Unternehmen überhaupt denkbar sind. Das ist die Aufgabe.
Müller: Stimmt denn, Herr Koch, die Formel „so wenig GM wie möglich“?
Koch: Ich glaube, das ist die falsche Formel, weil ohne am Ende im internationalen Verbund eines großen Automobilkonzerns zu sein, wird das europäische Automobilunternehmen nicht erfolgreich sein. Ich kenne jedenfalls niemand, der diese These vertritt.
Müller: Also ohne nicht, aber so wenig wie möglich?
Koch: Das heißt aber auch, dass GM auf der einen Seite dann auch Geld mitbringen muss. Das heißt, es ist auch eine Forderung, die in Amerika diskutiert werden muss, wie es weitergeht. Dort werden keine Anteile geschenkt. Und richtig ist auch, der Rechtskreis und der Finanzkreis Europas muss klar selbständig sein, was durch die Schaffung einer europäischen Aktiengesellschaft allerdings auch sehr klar möglich wäre. Das heißt, GM muss andere Anteilseigner hereinlassen, es muss eine weitere internationale Zusammenarbeit mit GM geben und die europäische Einheit muss selbständig geschaffen werden. Das sind wichtige Voraussetzunge, die, denke ich, inzwischen einigermaßen geklärt sind.
Müller: Wird Ihnen nicht bange, Herr Koch, wenn Sie auf die Haushaltslage blicken, wenn nach Opel noch weitere kommen, die da sagen, wir brauchen euere Hilfe?
Koch: Wir sind im Augenblick in einer ausgesprochen schwierigen Situation in Deutschland. Die Randbedingungen dafür beschreiben zu müssen, wie wir Unternehmen stabil halten, die nicht wegen ihrer eigenen mangelnden Leistungsfähigkeit, sondern wegen der Umgebung einer Weltfinanzkrise in Schwierigkeiten sind, weil sie die normalen Mittel, die sie hätten, um wieder auf die Beine zu kommen, nicht aktivieren können. Nur man muss auch sagen: Die Bundesregierung hat vom Bundestag die Ermächtigung für einen entsprechenden Rettungsfonds längst erhalten. Die Mittel, die in dem so genannten 100-Milliarden-Fonds drin sind, sind genau für die Fragen gedacht, nämlich auch für die großen Unternehmen, über die wir jetzt hier reden, währenddem die Länder weiterhin die Verantwortung haben, die kleinen und mittelständischen Unternehmen mit ihren Bürgschaften, die auch Milliarden-Größenordnungen haben und die im Augenblick täglich vergeben werden, am Laufen zu halten. Es darf auch kein mittelständisches und kleines Unternehmen geben – darauf lege ich auch für das Bundesland Hessen Wert -, dass alleine wegen den Randbedingungen der Finanzkrise jetzt in wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Existenznot gerät. Dafür ist die staatliche Hilfe da, dafür ist sie auch unerlässlich und wir haben sehr, sehr viel Erfahrung über die letzten 60 Jahre damit, mit diesen Projekten umzugehen. Aber wie gesagt: Die Großunternehmen sind da normalerweise nicht auf dem Bildschirm der Betrachtung und durch den Bundestagsbeschluss mit dem 100-Milliarden-Programm des Schirms sind sie das erste Mal schon von Anfang an mit eingeplant worden. Über diese Fragen reden wir im Augenblick, so dass wir den Rahmen, den wir handeln können, kennen und den haben wir der Öffentlichkeit auch beschrieben.
Müller: Bei uns im Deutschlandfunk der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU): Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Koch: Ich danke Ihnen!