Ministerpräsident Roland Koch im BILD-Interview
BILD: Herr Ministerpräsident, vor einem Jahr sagten Sie in BILD, es gäbe zu viele junge, kriminelle Ausländer in Deutschland. Gilt das immer noch?
Roland Koch: Die Jugendkriminalität beschäftigt uns weiterhin, aber in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise steht es nicht obenan, auch nicht im hessischen Wahlkampf.
BILD: Was ist konkret geschehen im letzten Jahr?
Koch: Wir haben eine weitere Jugendarrestanstalt geschaffen und Häuser des Jugendrechts – es ist einiges passiert.
BILD: Sie nennen das vergangene Jahr das anstrengendste Ihrer politischen Laufbahn. Warum?
Koch: Wir mussten nach dem unklaren Wahlausgang die Regierung in sehr kompliziertem Umfeld handlungsfähig halten und gleichzeitig als CDU die Landtagswahl mit unseren Stimmverlusten aufarbeiten, Konsequenzen ziehen, neue Themen anpacken. Das zehrt an den Kräften.
BILD: Hat es Sie auch Demut gelehrt?
Koch: Ja, so ein Wahlergebnis darf einen doch nicht kalt lassen. Wir haben verstanden, was der Wähler uns mitgeteilt hat. Auf die Studienbeiträge, die im letzten Jahr ein wichtiges Thema gegen uns waren, werden wir deshalb nach der Wahl nicht zurückkommen. Und auch bei der Umstellung auf das verkürzte Abitur haben wir uns den Unmut der Menschen zu Herzen genommen.
BILD: Trotzdem sieht es nach Lagerwahlkampf aus …
Koch: … in Hessen sind die Mehrheiten seit Jahrzehnten immer sehr knapp, die Wahlkämpfe sicher auch einen Tick härter. Entweder es gibt eine Landesregierung aus CDU und FDP oder eine mit SPD, Grünen und Linkspartei. Darum geht es übrigens auch im Bundestagswahlkampf 2009.
BILD: Bleiben Sie bei einem Wahlsieg für die volle Amtszeit in Hessen?
Koch: Das habe ich seit 1999 vor jeder Wahl gesagt – und das sage ich auch dieses Mal. Ich habe immer allen Lockrufen aus Berlin widerstanden.
BILD: Und wenn es nicht reicht?
Koch: Wirtschaftskompetenz, Erfahrung und Berechenbarkeit zählen, gerade in Zeiten wie diesen und erst recht nach dem Wortbruch der SPD. Das hängt auch dem Herausforderer nach, weil er alle Schritte der SPD hin zur extremen Linken mit verantwortet hat.
BILD: Wenn CDU und FDP in Hessen die Regierung bilden, ist die Mehrheit der Großen Koalition im Bundesrat verloren. Was sagt die Kanzlerin dazu?
Koch: Bei Rot-Rot-Grün in Hessen wäre sie auch weg – aber mit schlimmen Folgen für Hessen und ganz Deutschland. Wahr ist, dass die FDP über den Bundesrat an Einfluss gewinnen würde. Sie säße zwar nicht mit in der Großen Koalition, aber die Große Koalition würde spürbar Rücksicht nehmen müssen. Das wäre in der Sache nicht von Schaden und zugleich ein Signal für die Bundestagswahl.
BILD: Das Konjunkturpaket der Koalition soll jetzt doch Steuerentlastungen enthalten. Richtig so?
Koch: Schon im CDU-Wahlprogramm von 2005 stand die Erhöhung des Grundfreibetrages bei der Steuer. Das war und ist richtig. Aber der Schwerpunkt des Pakets wird auf kurzfristig wirkenden Maßnahmen liegen. Und da werden Infrastruktur-Investitionen viel mehr für die Konjunktur bringen. Das heißt nicht, dass der Staat die Konjunktur nach Gutdünken steuern kann. Aber in dieser ganz neuartigen Doppelkrise der Finanz- und Realwirtschaft muss der Staat zum Beispiel mit einem Rettungsfonds einspringen, damit nicht im Prinzip völlig gesunde Unternehmen plötzlich unwiederbringlich verschwinden.
BILD: Und was ist mit der SPD-Idee höherer Steuern für Spitzenverdiener?
Koch: Ich verstehe nicht, wie man in Krisenzeiten auf die Idee kommt, Steuererhöhungen zu fordern.