Koch: „Erst kommt das Feuerlöschen“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem Mannheimer Morgen
Mannheimer Morgen: Mit welchem Gefühl fahren Sie zurück nach Hessen?
Roland Koch: In diesen Zeiten kehren Delegierte nicht euphorisiert von Parteitagen zurück. Es ist uns gelungen, unsere Kräfte zu konzentrieren, auch wenn das nicht einfach ist. Wenn man ankündigt, eine Steuerreform zu verschieben, segelt man nicht auf einer Welle der Popularität. Aber die CDU-Spitze hat die Delegierten überzeugt. Das lese ich schon an der eindrucksvollen Unterstützung der gesamten Führung bei den Wahlen ab.
Mannheimer Morgen: Wie erklären Sie sich, dass Sie von den Merkel-Stellvertretern am besten abgeschnitten haben?
Koch: Über diese Botschaft des Parteitags bin ich hoch erfreut. Ich habe ein Jahr wie eine Achterbahnfahrt hinter mir, vor fünf Wochen wäre dieser Parteitag anders verlaufen …
Mannheimer Morgen: Sie spielen auf Andrea Ypsilantis Scheitern Anfang November an …
Koch: Ja. Gerade uns Hessen hat der Parteitag ein sehr freundliches Klima geboten.
Mannheimer Morgen: Was bedeutet Ihr Ergebnis für Ihr bundespolitisches Engagement – wollen Sie das steigern?
Koch: Ich habe meine Aufgabe immer so aufgefasst, dass ich als Ministerpräsident mein Verständnis, Deutschland wird aus der Bundeshauptstadt und den Landeshauptstädten regiert, leben muss. Daher wirke ich schon lange aktiv und intensiv an der Bundespolitik mit, ob 2005 beim Koalitionsvertrag, beim Subventionsabbau, der Erbschaft- oder Unternehmenssteuerreform. Steigern lässt sich das kaum noch.
Mannheimer Morgen: Niedersachsens Ministerpräsident Wulff hat angedeutet, dass die Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge von 2010 auf Mitte 2009 vorgezogen werden könnte. Sehen Sie Chancen dafür?
Koch: Wir müssen zweierlei auseinanderhalten: An der einen Stelle müssen wir ein Feuer löschen, danach aber auch Stadtteilsanierung betreiben. Aktuelle Krisen bedürfen des Feuerlöschens, große Steuerreformen sind Stadtteilsanierungen. Bei dieser Reihenfolge muss es bleiben.
Mannheimer Morgen: Gegen Ihre Haltung gibt es aber genug Gegenstimmen.
Koch: Diese Debatte ist nicht einfach, wir müssen Sie auch mit der CSU führen. Daher muss im kommenden Jahr das stehen, was kurzfristig wirkt, das Feuerlöschen in der Krise sozusagen. Nach der Bundestagswahl kümmern wir uns darum, was mittelfristig greift, so auch eine große Steuerreform. Für ein System, das sie einfacher und niedriger macht. Zu den Krankenkassenbeiträgen: Dies wirft die Frage nach der Kompensation auf. Die einen werden sich über die Absetzbarkeit der Kassenbeiträge freuen, andere sich über die Streichung der Absetzbarkeit etwa der Haftpflicht- oder der Autoversicherung ärgern. Das wird kein reines Freudenfest. Daher bleibe ich beim 1. Januar 2010.
Mannheimer Morgen: CSU-Chef Seehofer hat es als falsch bezeichnet, dass Ihr Parteitag sich gegen sofortige Steuersenkungen ausgesprochen hat.
Koch: Wir dürfen weiter in der CDU/CSU darüber reden, dass Leistungsträger, Mittelstand und Facharbeiter ein besonderes Interesse daran haben, steuerlich entlastet zu werden. Aber die CDU weiß, dass es für eine Partei, die noch lange regieren will, klug ist, keine Missverständnisse über die Prioritäten aufkommen zu lassen. Das werden wir Horst Seehofer sagen. Und wir werden ihm sagen: Es gibt keine Neuverschuldung für Steuersenkungen. Die Priorität liegt 2009 darin, mit den überschaubaren finanziellen Kräften des Staates zu verhindern, dass die Konjunkturkrise Deutschland zu sehr zusetzt. Jede Steuerreform, die jetzt gemacht wird, wirkt erst in 18 bis 24 Monaten, bringt also in der derzeitigen Krise nichts. Darüber reden wir in der nächsten Legislaturperiode.
Mannheimer Morgen: Darüber haben Sie bereits im Bundestagswahlkampf 2005 geredet.
Koch: Nach der nächsten Wahl werden wir das mit der FDP umsetzen. Unsere Gemeinsamkeiten mit der SPD sind nämlich aufgebraucht.