Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem Deutschlandradio Kultur
Birgit Kolkmann: Roland Koch ist geschäftsführender Ministerpräsident in Hessen und gerade einer der frisch gewählten Stellvertreter Angela Merkels im CDU-Vorstand. Ihn begrüße ich jetzt zum Interview. Schönen guten Morgen, Herr Koch!
Roland Koch: Guten Morgen, Frau Kolkmann!
Kolkmann: Herr Koch, in Stuttgart gab es ja ein klares Nein der Kanzlerin zu Steuersenkungen. Aus München tönte es sofort zurück von Horst Seehofer, diese Festlegung halte er schlicht und einfach für falsch. Ist die Diskussion alles andere als ausgestanden?
Koch: Ja, die CDU hat eine Entscheidung getroffen. Angela Merkel hat das dem Parteitag wie wir anderen, die darin diskutiert haben, auch klar dargelegt. Anschließend ist die Führung der CDU gewählt worden und damit steht auch deren Position fest. Aber das ist das gute Recht des Kollegen der CSU, einer anderen Meinung zu sein.
Kolkmann: Nun ist aber heute zum Beispiel in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen, dass die Koalition aber längst im Stillen an einem zweiten Konjunkturpaket bastelt, auch wenn es offiziell noch bestritten wird, ganz einfach, weil die Sorge sehr groß ist, dass die bisherigen Maßnahmen überhaupt nicht greifen.
Koch: Ja, das ist ja jetzt auch wieder nichts Ungewöhnliches, ich beziehe mich jetzt zunächst mal auf das, was ich selbst gesagt habe auf dem Parteitag, nur damit es nicht als eine Neuigkeit gilt. Selbstverständlich ist die Aufgabe der Bundesregierung, in einer sehr, sehr schwierigen Krise weiterhin jeweils zu überprüfen, welche Steuerungsimpulse notwendig sind, um in dem Maße, in dem der Staat was dazu beitragen kann, denn wir steuern nicht die Weltkonjunktur, wir steuern nicht jeder Umsatzentwicklung einzelner Industrien, aber in dem Maße, in dem der Staat was beitragen kann, haben wir etwas zu tun. Deshalb gibt es ja klar die Erklärung, im Januar muss man schauen, was ist als ein weiterer Steuerungsimpuls möglicherweise denkbar. Und ich habe immer gesagt, das kann sein, dass das auch im März, April, Mai, was die schwierigste Zeit der vor uns liegenden Krise nach meiner Einschätzung wird, noch einmal der Fall ist.
Das heißt nur lange nicht, dass in diesen jeweiligen Tagen Steuerreformdebatten geführt werden. Denn das haben Sie ja in dem vorherigen Beitrag und in der Unterschiedlichkeit der Positionen auch deutlich gemacht, es bestehen, jedenfalls in der CDU, erhebliche Zweifel, ob die Steuerreform, die wir wollen, ausgerechnet in dieser Zeit der Krise das schnellstwirksame und gezieltest wirksame Instrument ist. Wir löschen im Augenblick ein Feuer und anschließend müssen wir über die Stadteilsanierung nachdenken. Deshalb ist die Stadtteilsanierung nicht unwichtig. Aber im Augenblick sind wir beim Feuerlöschen.
Kolkmann: Aber ein bisschen problematisch ist ja schon, wenn die CDU sagt, im Prinzip will sie Steuererleichterungen, auch eine Steuerreform. Das hatte die Union ja auch immer schon gesagt. Nun aber jetzt, wo es doch vehement gefordert wird und übrigens auch nun wirklich von vielen Wirtschaftsvertretern, wie wir eben gehört haben, sagt die Kanzlerin Nein, und viele andere in der CDU – Sie auch – Nein. Warum dieser Widerspruch in sich?
Koch: Es ist kein Widerspruch in sich. Eine Steuerreform in dieser Legislaturperiode hat es nicht gegeben, weil CDU und SPD oder CDU/CSU und SPD sich nicht auf die Grundsätze einer Steuerreform einigen können, was völlig normal ist. Diese beiden Parteien wollen gerade in den wirtschaftspolitischen Dingen sehr viel Unterschiedliches. Und wir haben in der Großen Koalition alles das miteinander verabredet, was wir zusammen machen können. Das ist eine ganze Menge, kann man auch stolz drauf sein. Aber eine Steuerreform ist es ausdrücklich nicht.
Das bedeutet aber nicht, dass wir nach einer Bundestagswahl, in der wir keine Große Koalition mehr haben wollen, nicht die Ziele, die wir immer angestrebt haben, weiter auf der Tagesordnung halten. Nur unabhängig, Frau Kolkmann, unabhängig davon, wenn ich jetzt über Steuerreform diskutiere, sie wirkt zu spät. Es gibt keine Form von Steuerreform, die mir im Jahr 2009 etwas bringt. Und deshalb ist die Frage, wie halte ich die Konjunktur in bestimmten Bereichen im Jahre 2009, um so spannend.
Kolkmann: Aber wenn die Mehrwertsteuer jetzt gesenkt würde, wie das in Großbritannien ja gemacht worden ist, zumindest zeitlich befristet, um ein bis drei Punkte, sagen auch Experten, dann hilft es doch sofort?
Koch: Das wollen wir mal sehen. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass es in Großbritannien hilft. Diese Maßnahmen sind viel zu wenig gezielt und dann an dieser Stelle viel zu teuer im Vergleich zu anderen, die man auch ergreifen kann. Unsere Schwierigkeiten in der Debatte ist ein wenig, dass jeder dann sagt, mach doch mal einen Plan für die Krisenbewältigungsschritte der nächsten sechs Monate, was schon bedeuten würde, irgendjemand wüsste, wie ja die Krise sicher in den nächsten sechs Monaten exakt verläuft.
Aber vor allen Dingen, wenn in diesen Tagen über Konsum diskutiert wird, wie auch in dem vorherigen Beitrag, müssen wir doch zunächst mal zur Kenntnis nehmen, im Augenblick haben wir das beste Konsumklima seit Langem in Deutschland. Wir werden wahrscheinlich eines der besten Weihnachtsgeschäfte, jedenfalls des jetzt laufenden Jahrzehnts haben. Das bedeutet, wir sind im Gegensatz zu Amerika und im Gegensatz zu Großbritannien im Augenblick in einer Situation, wo der Konsum läuft.
Jetzt muss ich doch als Staat, der Schulden machen muss für Maßnahmen – ich kann nicht bestreiten, dass es Maßnahmen geben kann – mir anschauen, ist möglicherweise in Deutschland das Problem der Investitionsgüter, das sind die, die im Augenblick storniert werden, dort geht im Augenblick die große Schwierigkeit, ist in Frage der Automobilindustrie, in der haben wir eine Sondersituation in Deutschland, sind diese Maßnahmen nicht viel wichtiger?
Und deshalb, es muss der richtige Zeitpunkt abgewartet werden, in dem man mit Besonnenheit die richtigen Entscheidungen trifft. Das hat die Kanzlerin vertreten und dafür hat sie eine große Unterstützung der Partei bekommen.
Kolkmann: Kommen wir doch noch mal auf das Ankurbeln des Konsums zurück. Das Weihnachtsgeschäft ist ja irgendwann vorbei und wenn ich Sie so höre, könnte man ja meinen, es gibt gar keine Krise, aber die gibt es ja wohl unbestritten. Konsumgutscheine, das ist ja auch ein Vorschlag, der kommt vor allen Dingen vonseiten der SPD-Linken. Aber dann wird wieder diskutiert, wer soll das kriegen, soll es da eine Beitragsbemessungsgrenze geben etc. Wenn schon wieder so diskutiert wird, wäre es dann noch nicht viel einfacher, man senkt die Mehrwertsteuer um ein paar Punkte? Das trifft doch wirklich jeden, der irgendwo etwas einkauft oder eine Dienstleistung bestellt?
Koch: Zunächst einmal, wir haben eine schwere Krise, aber sie prägt sich in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich aus, was natürlich auch damit zu tun hat, dass wir sehr unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen haben. Die Deutschen, und das bedeutet kein Kleinreden der Krise, sind in der besten Ausgangssituation. Ihre Industrie, ihre Wirtschaft ist durchsaniert. Wir haben eine schwierige Zeit hinter uns, die die Industrie sehr erfolgreich bewältigt hat. Wir haben eine Weltmarktstellung, die gigantisch ist.
Selbst in dieser Automobilkrise im Augenblick in der Welt vergrößert ein Unternehmen wie Volkswagen in den internationalen Märkten jeden Tag seinen Marktanteil. Das bedeutet nicht automatisch, mehr Autos zu verkaufen. Aber das bedeutet, dass wenn denn der knappe Markt ist, die Anerkennung deutscher Unternehmen eher steigt als nicht sinkt.
Und deshalb rate ich uns sehr, sehr auf den Deich der Investitionsgüter erst einmal zu schauen und glaube, dass die Frage, ob man Konsum anheizen muss oder nicht, im Augenblick nicht zur Debatte steht. Es ist geradezu ein Aberwitz, mitten in einer guten Konsumkonjunktur, die wir in den deutschen Geschäften im Augenblick sehen, hinein Menschen zu sagen, kauf lieber nicht im Dezember, vielleicht gibt der Staat dazu in irgendeinem späteren Monat einen Zuschuss. Das ist unter psychologischen Gesichtspunkten das absolute Gegenteil von dem, was man im Augenblick von Politikern erwarten kann.
Ich rate dazu, dass wir, so wenig populär das sein mag, bei einer Linie bleiben, dass in einer Krise man auf Sicht fahren muss, weil man eine Krise nicht in ihrem Ablauf voraussehen kann, dass wir nicht ausschließen, dass es weitere Steuerungsimpulse gibt, aber dass wir sorgsam auch mit dem Geld umgehen, das wir haben, um es an der richtigen Stelle einzusetzen und auch die Wirkungen zu bedenken.
Die Mehrwertsteuer zum Beispiel ist für diejenigen, die ein besonders geringes Einkommen haben, viel weniger wirksamer als für andere, weil wir für die Grundmittel des Lebensunterhalts eben eine Mehrwertsteuer haben, die seit vielen Jahren nicht erhöht worden ist. Das alles würde dann wieder diskutiert, es muss die richtige Maßnahme sein. Und da wird Anfang Januar der nächste Zeitpunkt sein, über den man redet. Und jetzt kann man auch viel kaputt machen, indem man zu viel darüber redet.
Kolkmann: Sagt Roland Koch, der geschäftsführende Ministerpräsident aus Hessen von der CDU, auch neu gewählter Stellvertreter Angela Merkels im CDU-Vorstand. Danke schön fürs Interview!