Koch: „Ich habe gelernt“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem „FOCUS“
FOCUS: Haben Sie sich schon bei Frau Ypsilanti bedankt?
Roland Koch: Ich habe keinen Anlass, mich bei Frau Ypsilanti zu bedanken.
FOCUS: Das Chaos bei der SPD bringt Sie aber doch in eine optimale Startposition.
Koch: Mit ihrem Führungsstil hat sie jedenfalls den Sozialdemokraten keinen Gefallen getan. Die SPD in Hessen trat zuletzt oft wie eine Sekte auf. Es war mit Händen zu greifen, dass viele gewaltige Bedenken gegen den Pakt mit den Linken hatten. Um die Autorität der SPD-Spitze im Bund muss es schlecht bestellt sein. Denn sie konnte den Autismus der hessischen Führung nicht stoppen.
FOCUS: Wird die Bundes-SPD nun Abstand nehmen von der Linkspartei?
Koch: Die SPD hat ihr Verhältnis zu den Postkommunisten nach wie vor nicht geklärt. Auch im Bund nicht. Wenn sich Gesine Schwan mit Stimmen der Linken zur Bundespräsidentin wählen lassen will, ist das kein Beleg für eine scharfe Trennlinie. Und in Hessen sagt die SPD ja, dass ihr Kurswechsel darin besteht, dass sie die Zusammenarbeit mit den Kommunisten nie mehr ausschließen will.
FOCUS: Tut Ihnen Frau Ypsilanti leid?
Koch: Ich glaube nicht, dass sie mein Mitleid will.
FOCUS: Weil die SPD am Boden liegt, möchten Sie Neuwahlen statt großer Koalition?
Koch: Dass einige Sozialdemokraten wegen eines drohenden Wahlkampfs bereit waren, auf einmal alles mitzumachen, ist als Grundlage für Regierungszusammenarbeit zu wenig. Ich bin zwar der festen Überzeugung, dass die großen Volksparteien grundsätzlich miteinander koalitionsfähig sein müssen. Aber es gibt eine Grenze der Zumutbarkeit. Die hessische SPD hat einen bundesweit einmaligen absurden Abgrenzungsbeschluss zur CDU gefasst. Sie muss sich erst regenerieren, bevor sie wieder ein verlässlicher Partner sein kann. Die Menschen wünschen jetzt Neuwahlen.
FOCUS: Wollen Sie überhaupt bis 2014 Ministerpräsident bleiben?
Koch: Wer nicht bereit ist, eine Perspektive von fünf Jahren ins Auge zu fassen, sollte nicht kandidieren. Nach zehn Jahren weiß jeder, was er an mir hat. Ich habe Ecken und Kanten und will nicht Everybody’s Darling sein. Aber die Erfolge können sich gewiss sehen lassen.
FOCUS: Nach der Wahl im Januar haben Unionspolitiker Ihnen vorgeworfen, Ausländerintegration sei zu wichtig, um zum Kampagnenthema degradiert zu werden. Sehen Sie das jetzt auch so?
Koch: Nein. Je ernster ein Thema ist, desto mehr kann es auch in einem Wahlkampf Thema sein. Aber Anfang des Jahres hat sich beim Thema Kriminalität junger Ausländer unsere politische Botschaft verselbstständigt. Für den falschen Eindruck hafte ich persönlich. Ich habe gelernt. So etwas darf nicht wieder passieren. Wir standen als Ausländerkritiker oder gar Ausländerfeinde da, obwohl wir stets eine aktive Integrationspolitik betrieben haben, für die uns die hessischen Ausländerbeiräte gerade bei ihrer Jahrestagung gelobt haben.
FOCUS: Obama hat in den USA auch mit Freundlichkeit gepunktet. Wäre das mal was – Koch als Versöhner?
Koch: Von erfolgreichen Wahlkämpfern kann man immer lernen.
FOCUS: Nach einem harten Wahlkampf hat Verlierer McCain gesagt: „Obama – mein Präsident.“ Ist in Deutschland die Liebe zur Partei größer als die zum Land?
Koch: Es ist eine demokratische Pflicht, Unterschiede klar zu benennen. McCain hat vor der Wahl sogar gesagt, Obama sei gefährlich fürs Land. Aber bei allem Streit um Unterschiede haben auch wir Deutsche Respekt vor der Ausübung eines demokratischen Amtes durch Vertreter anderer Parteien. Johannes Rau war auch mein Bundespräsident. Und Gerhard Schröder war auch mein Bundeskanzler.
FOCUS: Der Satz „Andrea Ypsilanti ist auch meine Ministerpräsidentin“ bleibt Ihnen ja erst mal erspart. Was ist Ihr Wahlziel?
Koch: Ein deutlich besseres Ergebnis als bei der letzten Landtagswahl – und eines, das CDU und FDP eine Mehrheit bringt. Dann bleibt in Hessen die Wirtschaftsstärke erhalten, und die wichtigen Infrastrukturprojekte werden verwirklicht. Schwarz-Gelb ist auch Garant einer Bildungspolitik mit echter Wahlfreiheit.
FOCUS: Frau Ypsilanti hat schlechte Erfahrungen damit gemacht, Partner vor der Wahl auszuschließen. Sagen Sie’s gleich: Mit wem könnten Sie zur Not auch noch koalieren?
Koch: Die Linkspartei ist tabu. Mit einer Partei, die täglich gegen die parlamentarisch-demokratische Kultur verstößt, können wir nicht zusammenarbeiten. Die Debatte über Schnittmengen mit den Grünen wird fortgesetzt. Es gibt mehr Übereinstimmungen als vor einigen Jahren – aber zugleich heftige Auseinandersetzungen über wichtige Infrastrukturprojekte, die SPD und Grüne gemeinsam mit der Linken aufgeben wollten.
FOCUS: Die Grünen wollten die Erweiterung der Flughäfen Frankfurt und Kassel-Calden blockieren. Wie wollen Sie da Partner sein?
Koch: Am Ausbau ist nicht zu rütteln. Ich verrate die hessischen Bürger nicht.
FOCUS: Drehen Sie die Abschaffung der Studiengebühren und die Schulreform zurück?
Koch: Wir haben aus dem schlechten Wahlergebnis gelernt. Warum sollten wir bei den Studiengebühren wieder mit demselben Kopf vor dieselbe Wand laufen? Und wir haben auch schon wichtige Veränderungen vorgenommen, sodass sich die Lage an den Schulen sehr beruhigt hat. Aber das Abitur nach acht Jahren werden wir beibehalten. Das haben SPD und Grüne übrigens inzwischen auch akzeptiert.
FOCUS: Auf CSU-Wahlhilfe müssen Sie wohl verzichten. Die Kollegen sind sauer, weil Sie vor deren Wahl gegen die Pendlerpauschale geätzt haben – im Duett mit SPD-Mann Steinbrück.
Koch: Horst Seehofer und ich sind regelmäßig im Gespräch. So wie ich im bayerischen Wahlkampf war, werden mich die Freunde vor der CSU unterstützen, da bin ich ganz sicher.
FOCUS: Mit der Finanzkrise hat sich für den Finanzstandort Hessen die Lage dramatisch verändert. Was heißt das für den Wahlkampf?
Koch: Die Lage ist sehr ernst. Und ich bin froh, zur Lösung der Probleme etwas beitragen zu können. Die Frage, wer Wirtschaftskompetenz vorzuweisen hat und – bei aller Vorsicht – die notwendigen Grenzen ziehen kann, wird eine Schlüsselentscheidung. Eine moderne Wirtschaft braucht auch Freiheit, um Geld zu verdienen und Arbeitsplätze zu schaffen, damit der Staat Sozialleistungen überhaupt finanzieren kann.
FOCUS: Aber lässt der Haushalt noch Raum für echte Gestaltung?
Koch: Wir haben einen Konsolidierungskurs eingeleitet, der schmerzhaft, aber notwendig war. Verantwortliche Regierungen müssen über Sparen reden, nicht über höhere Ausgaben.
FOCUS: Die Merkel-Regierung ist also unverantwortlich? Das Ziel „null neue Schulden 2011“ wird aufgegeben.
Koch: „Aufgegeben“ würde ich noch nicht sagen. Vielleicht wollte Berlin aufrütteln.
FOCUS: Oder will man nur weiter das schöne Mantra vom soliden Haushalt murmeln?
Koch: Wenn man die Finanzkrise zum Anlass nähme, das Ziel des schuldenfreien Haushalts in Frage zu stellen, wäre das gefährlich. Wir dürfen nicht die Schleusen öffnen. Wenn es beim nächsten Mal mit der Wirtschaft bergauf geht, muss das Geld endlich in den Taschen der arbeitenden Menschen landen.
FOCUS: Sie sind 50 – da fängt mancher noch mal etwas Neues an. Fällt Ihnen nichts Anderes ein, als Regierungschef in Hessen zu sein?
Koch: Mein Leben definiert sich nicht darüber, wie lange ich im Amt bin. Aber ich habe auch eine Verpflichtung übernommen für meine politischen Freunde und die Ideen, für die ich gemeinsam mit ihnen stehe.
FOCUS: Sie haben die CDU-Spendenaffäre vor acht Jahren überlebt und gleich zwei Abwahlversuche von Frau Ypsilanti überstanden. Haben Sie einen besonderen Schutzengel?
Koch: Politik ist meine Leidenschaft, aber nicht mein Leben. Ich habe eine Familie, die mir die nervliche und emotionale Sicherheit gibt. Vielleicht ist meine Familie mein Schutzengel. Höhere Möglichkeiten eines Schutzes schließe ich damit nicht aus.
FOCUS: Höherer Schutz? Das lateinische Wort für einen weiblichen Engel ist Angela.
Koch: An diesen höheren Schutz hatte ich diesmal nicht gedacht.