Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der HNA
HNA: Herr Ministerpräsident, sind Sie angesichts der weltweiten Bankenkrise in großer Sorge?
Roland Koch: Die Tatsache, dass die internationale Finanzindustrie in der größten Krise seit vielen Jahrzehnten ist, ist für einen so großen Bankenplatz wie ihn Hessen mit der Metropole Frankfurt hat, natürlich von großer Bedeutung. Wir werden schon jetzt Arbeitsplätze verlieren und damit auch sehr schnell Steuereinnahmen. Wir müssen also alles dafür tun, so durch die Krise zu kommen, dass am Ende der Finanzplatz dauerhaft gestärkt und nicht geschwächt wird.
HNA: Können Sie als nur geschäftsführender Ministerpräsident mit der notwendigen Durchsetzungsfähigkeit auf die Krise reagieren?
Koch: Die Verfassungslage gibt der Regierung all die Möglichkeiten, die sie braucht. Der Landtag macht ja keine Finanzmarktgesetzgebung. Im Augenblick ist es zentral, dass ein Ministerpräsident hinreichend vernetzt ist und Zugang zu den wichtigen Gesprächspartnern hat. Damit es eine richtige Einschätzung gibt und die richtigen Menschen zusammengeführt werden. Und natürlich ist es wichtig, dass das Bundesland Hessen sich mit der besonderen Betroffenheit, aber auch der besonderen Erfahrung im Bundesrat in die Diskussionen, die jetzt anstehen, angemessen einbringt.
HNA: Welche Fragen werden dabei im Mittelpunkt stehen?
Koch: Die Frage, wie man Märkte so reguliert, dass einerseits die Freiheit für die Geschäfte bleiben, aber am Ende nicht die privaten Hände von den guten Geschäften profitieren und die Verluste den Steuerzahler belasten.
HNA: Die Aufsichtsgremien in den USA haben versagt. Wie bewerten Sie unsere Bankenaufsicht?
Koch: Um diese Frage zu beantworten, muss man etwas vorwegschicken. In Amerika gab es für viele Dinge ja überhaupt nicht das Gefühl, dass man sie beaufsichtigen muss. Die Tatsache beispielsweise, dass in den USA Menschen Unternehmen gründen können, um Kredite zu vergeben, diese aber gar nicht der Bankenaufsicht unterliegen, das ist in Deutschland undenkbar. Jeder, der bei uns privat ein Haus baut, weiß zudem, dass nicht mehr als 80 Prozent des geschätzten Wertes seines Hauses bei einer Bank beliehen werden können. In Amerika sind das bis zu 130 Prozent. All das sind sehr dramatische Fehler, die für die jetzige Krise letzten Endes den Ausschlag gegeben haben.
HNA: Sollte sich Deutschland also nicht an dem Rettungspaket beteiligen?
Koch: Der amerikanische Staat muss für diese Fehler einstehen. Es ist deshalb richtig zu sagen, dass wir Deutschen nicht mithaften werden. Wir haben eine funktionierende Bankenaufsicht. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass wir jetzt in bestimmte Dinge hineingerissen werden und betroffen sind.
HNA: Setzen Sie sich dennoch für die Schaffung einer Internationalen Bankenaufsichtsbehörde ein?
Koch: Es wäre gut, wenn wir ein stärkeres Gespräch über die Tätigkeit der verschiedenen Bankenaufsichtsbehörden hätten. Aber zu glauben, dass es in absehbarer Zeit eine gemeinsame Bankenaufsicht für China, die USA und Europa gibt, das gehört eher in das Land der Träume. Wir müssen dafür sorgen, dass die Notenbankgouverneure weiter miteinander sprechen, dass geschieht durchaus sehr vernünftig. Aber auch die Regierungen müssen künftig offener miteinander reden. Da ist im letzten Jahrzehnt vieles an London und New York gescheitert. Wir müssen zu einheitlichen Standards kommen, die in jedem Fall verhindern, dass sich diese Krise wiederholt. Wohl wissend, dass wir nicht sagen können, was in der Wirtschaft zukünftig geschehen wird.
HNA: Viele sagen, die Politik sei in Wirklichkeit völlig machtlos.
Koch: Hätte die amerikanische Politik das deutsche Kreditwesengesetz im eigenen Land eingesetzt, wäre es nie zu dieser Krise gekommen. Das zeigt eindeutig: Politik kann etwas tun, auch wenn das im internationalen Rahmen schwieriger ist. Wir können Amerika natürlich nicht zwingen, bestimmte Regeln einzuhalten. Dennoch leiden wir an den Folgen, wenn das nicht geschieht. Also: Die Politik muss Einfluss nehmen und an dieser Stelle internationaler werden, ohne dass es eine Weltpolizei gibt. Wir brauchen jetzt die Bereitschaft der Länder, aus dem Schaden klug zu werden und miteinander zu kooperieren.
HNA: Auch Kanzlerin Merkel fordert inzwischen, Managergehälter an langfristigen nachhaltigen Unternehmenszielen ausrichten. Wie ließe sich diese Forderung umsetzen?
Koch: Ich glaube, dass die Entlohnung von Managern in vielen Bereichen das vernünftige Maß verloren hat. Die Diskussion, was vernünftigerweise bezahlt werden muss, die muss mit den Eigentümern geführt werden. Es ist aber zudem eine Instrumentenfrage. Denn in der Tat muss ein Vorstand ein Interesse daran haben, dass es dem Unternehmen auch in zehn Jahren noch gut geht. Es darf nicht im Vordergrund stehen, dass ein Unternehmen in anderthalb Jahren schön herausgeputzt ist, der Aktienwert hoch ist, der Manager seine Optionen, die er als Prämie bekommen hat, zu bestem Geld verkauft und danach das Unternehmen zu trudeln beginnt, weil es eben nicht so schön war, wie es nach außen dargestellt worden ist.
HNA: Konkret bedeutet das?
Koch: Man kann etwa die Aktienoptionen, die der Manager als Lohn bekommt, erst mit einer längeren Zeitverzögerung auszahlen. Diese Verzögerung muss man stärker ausweiten, damit ein Unternehmen so geführt wird, dass es auch Jahre nach der Amtszeit gut dasteht.
HNA: Auch in der aktuellen Finanzkrise gibt es Menschen, die versuchen, damit zu punkten. Einer davon ist Linkspartei-Chef Lafontaine. Wird er vom wachsenden Misstrauen der Menschen in die Marktwirtschaft profitieren?
Koch: Wir sind verpflichtet, sehr viel an Zeit und Argumenten zu investieren, den Menschen zu erklären, was wirklich passiert ist, damit Rattenfänger wie Oskar Lafontaine davon nicht profitieren. Je mehr die Menschen erkennen, dass wir auch konkret das Notwendige tun, um solche Krisen für die Zukunft zu vermeiden, zum Beispiel merken, wie vorausschauend viele Regeln in Deutschland schon seit langer Zeit sind, umso schwerer wird es Menschen wie Lafontaine gemacht.
Sein Vorschlag, die Wirtschaft zu verstaatlichen oder eine verbindliche Steuerung einzelner Teile der Wirtschaft durch den Staat einzuführen, nähme ein böses Ende. Das wissen wir aus allen Staatswirtschaften – und wir Deutsche wissen es durch die DDR leidvoll besonders gut. Und wir wissen, dass jeder Fehler dort noch katastrophalere Auswirkungen hat als die schweren Fehler von Unternehmen, wie wir sie jetzt sehen.