Koch: „Ich glaube, dass das, was Frau Ypsilanti versucht, am Ende nicht zum Erfolg führt.“
Hessens Ministerpräsident im dpa-Interview
dpa: Herr Ministerpräsident, machen Sie derzeit noch Termine für die zweite Novemberhälfte?
Koch: Selbstverständlich. Wir machen Termine bis ins nächste Jahr hinein. Bei den unsicheren hessischen Verhältnissen darf eine Regierung nicht aufhören zu regieren, denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Regierungsauftrag behält, ist groß genug.
dpa: Worauf gründet sich diese Einschätzung?
Koch: Ich glaube, dass das, was Frau Ypsilanti versucht, am Ende nicht zum Erfolg führt. Hier wollen Gruppierungen miteinander verhandeln, die eigentlich wissen, dass sie nicht miteinander erfolgreich regieren können. Was da entstehen würde, wäre eine Koalition des Misstrauens. Dieses Misstrauen manifestiert sich in extremer Weise bei den Grünen. Warum haben sie mit CDU und FDP für das Sparkassengesetz gestimmt? Weil sie glauben, dass sie ein Gesetz in dieser Qualität mit SPD und Linken nicht durchbekommen. Und warum haben sie die SPD beim Beamtengesetz ins Abseits gestellt? Ich würde mir dreimal überlegen, ob ich mir das gefallen lasse von jemandem, der mit mir koalieren will.
dpa: Woher soll das Misstrauen kommen? Vor der Landtagswahl haben Sie immer gesagt, dass die Parteiprogramme von SPD und Linken über weite Strecken identisch seien.
Koch: Dass jeder den anderen belauert, ändert nichts daran, dass man in wichtigen Projekten einer Meinung ist. Es kann aber auch sein, dass es einige noch wichtigere Projekte gibt, an denen eine Zusammenarbeit scheitern kann – Stichwort Flughäfen Frankfurt und Kassel. Zudem wissen viele Abgeordnete bei SPD und Grünen, dass sie eine historische Entscheidung treffen – nämlich ob eine Partei mit dem politischen Spektrum der Linkspartei im Westen als normal angesehen wird. Ich denke, dass viele Abgeordnete diese Frage seit Wochen umtreibt. Und das heißt: Die Unberechenbarkeit der Situation bleibt sehr hoch.
dpa: Wie können Sie diese Entwicklung beeinflussen?
Koch: Ich versuche Argumente vorzutragen, an denen andere nicht vorbeigehen können, auch wenn sie miteinander verhandeln. Wir müssen dafür sorgen, dass die richtigen Themen auf der Tagesordnung sind: Die US-Bankenkrise wird in Deutschland leider zuerst in Hessen ankommen. Von unseren erhofften 500 Millionen Euro zusätzliche Steuereinnahmen für 2009 wird nichts übrigbleiben. Wenn irgendjemand hofft, er könne in den nächsten Jahren hier die Spendierhosen anhaben – das kann er vergessen. Also wird die Debatte der nächsten Wochen von Sparprogrammen geprägt sein und nicht von finanziellen Wunschkonzerten – und damit kann dieser Linksblock überhaupt nicht umgehen.
dpa: Was werden Sie tun, wenn Ypsilanti doch Erfolg hat? Werden Sie Oppositionsführer?
Koch: Es gibt derzeit keinen Anlass, darüber nachzudenken.
dpa: Denken Sie an einen persönlichen Rückzug, um in letzter Sekunde noch eine große Koalition oder ein Bündnis mit FDP und Grünen zu ermöglichen?
Koch: Das gehört nicht zu den realen Diskussionen. Wenn es Debatten über ein Bündnis mit der CDU gibt, ist eins der wichtigen Güter, warum man sich das vorstellen kann, die Berechenbarkeit und Verlässlichkeit der CDU, zu der ich ein kleines bisschen beitrage. Alle wissen bei der SPD und bei den Grünen, dass unsere Türen offen stehen zum Gespräch, und an der Parteiführung der CDU wird jedenfalls nichts scheitern.
dpa: Sie werden immer wieder als Anwärter für einen Posten in der EU-
Kommission genannt. Käme das für Sie infrage?
Koch: Nein. Ich habe sehr präzise Gründe, warum ich ausschließe, so etwas zu machen. Aber ich habe nicht die Absicht, darüber in eine vertiefte öffentliche Diskussion einzutreten.
dpa: Sie hoffen also auf den aufrechten Sozialdemokraten? Heißt aufrecht nicht eher: Für die Vorsitzende stimmen?
Koch: Wenn man sieht, dass die gesamte nationale SPD-Parteiführung, das was hier passiert, als Katastrophe empfindet, dann spricht vieles dafür, dass die Loyalitätsfragen nicht so eindeutig sind. Ich weiß, dass viele mit sich ringen, ob man den Weg gehen kann. Da wissen viele, dass das der Anfang vom Ende einer Volkspartei SPD sein kann.
dpa: Was passiert in Hessen, wenn Sie recht behalten und Frau Ypsilantis Vorhaben fehlschlägt?
Koch: Dann setzen sich die Parteien zusammen und reden über die Folgen. Ein panisches Auseinanderlaufen wird es nicht geben. Zunächst stehen unsere Angebote zu Gesprächen, und ich bin sicher, dass diese dann auch schnell gehen werden.
dpa: Wie immer es ausgeht – was werden die Auswirkungen auf die Bundesebene sein?
Koch: SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wird die Frage nach der Linkspartei im Bundestagswahlkampf mindestens so oft beantworten müssen wie Frau Ypsilanti im hessischen Wahlkampf. Er hat nur einen Nachteil: Durch das Verhalten von Frau Ypsilanti ist sichergestellt, dass seinen Beteuerungen nun definitiv niemand mehr glaubt. Herr Steinmaier hat keine Chance, glaubwürdig zu bleiben, ohne dass es in Hessen eine Korrektur gibt.
dpa: Warum greifen Sie die Linke so scharf an? Ihr Parteifreund und Ministerpräsidenten-Kollege Wolfgang Böhmer aus Sachsen-Anhalt sagt, dass man die Linkspartei nicht mehr mit der SED gleichsetzen könne.
Koch: Ich respektiere, was Kollege Böhmer für sein Land sagt. Ich sage für ein Bundesland wie Hessen: Eine Partei, die glaubt, sie müsse über Enteignung und Verstaatlichung diskutieren, die die Amerikaner ‚rauswerfen will und die glaubt, ihre verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht mehr überwachen lassen zu müssen, die gehört nicht zu unserer demokratischen Kultur. Und ich treffe viele sozialdemokratische Kollegen, die mir aus tiefstem Herzen dabei zustimmen.