Koch: „Wir hoffen, dass Sportler, die große Vorbilder in unserem Land sind, deren Geradlinigkeit und Courage zu ihrer sportlichen Leistung gehört, ohne gebrochenes Rückgrat nach Deutschland zurückkommen.“
Der Hessische Ministerpräsident Roland Koch im Interview in der BILD am Sonntag über die Olympische Spiele und Beschränkungen für Meinung, Information und Bewegungsfreiheit in China
BILD am SONNTAG: Herr Ministerpräsident, kann es heitere Olympische Spiele in einer Diktatur geben?
Roland Koch: Ich bin optimistisch, dass die Sportlerinnen und Sportler bei ihren Wettkämpfen im Geist der olympischen Idee viele Menschen auf der Welt begeistern werden. Ich bin aber sicher, dass die Berichterstattung über die Spiele nie auf die Sekunden, Meter und Tore, auf die sportlichen Leistungen verkürzt wird. Kritische Journalisten werden den Menschen in Deutschland und in der freien Welt sehr wohl sagen, dass die Bedingungen, unter denen die chinesischen Bürger leben und unter denen die Journalisten arbeiten, mit unserem Verständnis einer freiheitlichen Welt wenig zu tun haben.
BamS: Es gab schon Vergleiche zu Hitlers Spielen 1936 in Berlin. Abwegig?
Koch: Wir Deutsche sollten mit solchen Vergleichen besonders vorsichtig sein! Eines ist aber klar: Das Internationale Olympische Komitee darf sich nicht missbrauchen lassen. Wenn IOC-Präsident Rogge wenige Tage vor Eröffnung der Spiele sagt, er sei wohl etwas naiv gewesen, dann ist das gefährlich. Wenn nämlich das IOC den Respekt der Welt für die Olympischen Spiele wahren will, dann darf es nicht naiv sein.
BamS: Die ersten friedlichen westlichen Demonstranten sind in Peking bereits verhaftet worden …
Koch: Wir sehen mit großer Besorgnis, dass derzeit täglich die Beschränkungen für Meinung, Information und Bewegungsfreiheit in China verschärft werden. Das ist die Angst eines diktatorischen Systems davor, dass es sich selbst durch die Öffnung für die Welt gefährdet. Wir müssen darauf bestehen, dass die Regeln, die vor der Olympiade verabredet wurden, jetzt auch eingehalten werden! Das ist aus der Sicht der freien Welt eine Selbstverständlichkeit. Es ist aber vor allem eine Pflicht des IOC als Veranstalter.
BamS: EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering hat die Sportler dazu aufgerufen, gegen Menschenrechtsverletzungen in Tibet zu protestieren. Was erwarten Sie von den Teilnehmern?
Koch: Ich habe den hessischen Sportlern in Gesprächen gesagt, dass wir von ihnen keinesfalls erwarten, dass sie sich in Peking als Politiker gebärden und die Verantwortung einer weltpolitischen Diskussion auf sich nehmen. Aber wir hoffen, dass Sportler, die große Vorbilder in unserem Land sind, deren Geradlinigkeit und Courage zu ihrer sportlichen Leistung gehört, ohne gebrochenes Rückgrat nach Deutschland zurückkommen. Das bedeutet: Wenn man gefragt wird, dann gibt es Möglichkeiten, in Ruhe und Gelassenheit darauf hinzuweisen, welche Vorteile Freiheit und Menschenrechte für jeden von uns haben.