Koch: „Der Landtag ist bunter geworden“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem Darmstädter Echo (Ausschnitt)
ECHO: Herr Ministerpräsident, die ersten drei Monate der neuen Legislaturperiode sind vorbei, zu Beginn haben alle Seiten im Landtag ein neues parlamentarisches Miteinander beschworen. Was ist davon geblieben?
Roland Koch: Zu den Vorteilen der jetzigen Situation gehört, dass die Herausforderungen der besonderen Mehrheitsverhältnisse im Landtag eine geduldige Verhaltensweise erfordern. Aber geduldig bedeutet nicht, dass die politische Arbeit und der politische Wettbewerb eingestellt sind. Natürlich gibt es Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen. Neu ist, dass man jetzt die Anträge der anderen wirklich lesen muss. Deren Annahme oder Ablehnung ergibt sich nicht mehr allein aus der Entscheidung, ob sie von der Regierung oder von der Opposition vorgelegt werden.
ECHO: Sondern?
Koch: Journalistisch gesprochen ist der Landtag bunter geworden. Es gibt Allianzen zwischen den Fraktionen über die vermuteten Fronten hinweg. Es lohnt sich jetzt, um einzelne Positionen zu ringen. Nicht immer, schließlich gibt es noch Wahlkampfversprechen abzuarbeiten, und da sind die Fronten sehr verhärtet. Doch in vielen anderen Fragen ist das Parlament zu einer Arbeit gekommen, die zwar nicht ausreicht, eine Regierung zu bilden, die aber durchaus dem Land dienlich ist.
ECHO: Aber die linke Mehrheit steht doch – wie beim Schulgesetz oder den Studiengebühren. Jetzt hat die SPD ein Gesetz vorgelegt, nach dem den Beamten dieselbe Gehaltserhöhung wie den Angestellten gewährt werden soll, und die Novellierung des Naturschutzgesetzes ist bereits angekündigt. Das zeigt doch, dass man Ihnen das Gesetz des Handelns aus der Hand nimmt.
Koch: Zunächst mal ist das Parlament der Gesetzgeber. Deshalb ist es logisch, dass Parteien gerade Positionen, die im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielten wie das Thema Studiengebühren, auch umsetzen. Das wusste jeder am Tag nach der Wahl. Auf der anderen Seite zeigt das Schulgesetz sehr deutlich, dass die Grünen in einigen wichtigen Fragen eher der Auffassung von Kultusminister Jürgen Banzer und der CDU zuneigen. Deshalb sind schulpolitische Vorstellungen der SPD in wesentlichen Teilen nicht Wirklichkeit geworden. Ähnliches werden wir künftig noch häufiger erleben. Aber natürlich hat Frau Ypsilanti ein Interesse daran, die linke Mehrheit zumindest bei Sachfragen zu realisieren, wenn sie schon diese Mehrheit für eine Wahl zur Ministerpräsidentin nicht zusammenbekommt.
ECHO: Was können Sie da tun?
Koch: Es wird immer spannender werden, was dieses Realisieren in Sachfragen bedeutet. Das angesprochene Beamtengesetz ist ein eher ulkiges Beispiel. Denn die Erhöhung der Beamtengehälter und ein entsprechendes Gesetz im Herbst sind bereits von der Regierung angekündigt worden. Jetzt will die SPD ein solches Gesetz textgleich einbringen, um schneller zu sein. Das einzige, was daran spannend ist, ist die Finanzierungsfrage. Doch da sagt die SPD: Dafür sind wir nicht zuständig. Da braucht sie dann wieder wen auch immer, vermutlich die Regierung. Diese bequeme Art des Regierens – ich bestelle und schicke anderen die Rechnung – wird nicht lange funktionieren.
ECHO: Warum nicht?
Koch: Wenn eine linke Mehrheit gestalterisch tätig sein will, muss sie irgendwann auch sagen, wie das alles zusammenpasst. In den ersten Monaten wurde noch Wahlkampfdampf auch in Gesetzesform abgelassen. Doch in der zweiten Jahreshälfte wird die entscheidende Frage sein, wie es um Gesamtkonzepte steht. Dabei kommt es vor allem darauf an, die Wirtschaftskraft des Landes zu erhalten und keine neuen Schulden zu Lasten künftiger Generationen zu machen.
ECHO: Sie selbst haben den Haushalt 2009 einmal als Prüfstein für die Politikfähigkeit dieses Parlaments bezeichnet. Den Entwurf soll Finanzminister Karlheinz Weimar im Dezember vorlegen. Aber SPD, Grüne und Linkspartei könnten diesen Entwurf doch verändern und gemeinsam über die Bühne bringen. Und Sie müssten mit diesen Etatvorgaben leben.
Koch: Es hat keinen Sinn, jetzt über Mehrheiten zu spekulieren. Zunächst müssen wir sehen, wie die Linkspartei, die unbegrenzt neue Schulden machen will, und die Grünen, die neue Schulden für unverantwortlich halten, miteinander zurechtkommen. Schließlich sprengen schon der von der linken Mehrheit geplante finanzielle Ausgleich der Studiengebühren und die gewünschte Rückkehr des Landes Hessen in die Tarifgemeinschaft der Länder in der Summe den Spielraum, den der Landeshaushalt 2009 bietet – wenn man nicht signifikant höhere Schulden einplant. Letzteres aber wäre für die Grünen ein dramatischer Kurswechsel.
Das Interview führten Rainer Dinges und Joachim Nieswandt.