Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der Frankfurter Neuen Presse
FNP: Herr Ministerpräsident, wie viel Spaß macht das Regieren denn noch, wenn man dieses gegen solche Machtdemonstrationen der Opposition tun muss wie jene vom vergangenen Dienstag mit der Zurücknahme des Studiengebührengesetzes?
Koch: Ein solches Amt strebt man ja nicht wegen der Höhe des Spaßfaktors an. Ich habe nach wie vor Freude daran, die Politik in diesem Land zu gestalten. Trotzdem ist die Entwicklung seit dem 27. Januar mit den instabilen politischen Verhältnissen, wechselnden Mehrheiten im Landtag und gelegentlichen Machtdemonstrationen von Rot-Rot-Grün weder gut für Hessen noch immer angenehm für den Ministerpräsidenten.
FNP: Tatsache ist doch aber, dass die von Ihnen genannten Parteien in Einzelfällen Mehrheiten zustande bringen, Ihre CDU mit der FDP zusammen aber nicht. Da muss man das Wort regieren doch neu definieren.
Koch: In Wahrheit haben wir eine faktische Pattsituation. Die Regierung kann sich nicht mehr darauf einrichten, regelmäßig eine Mehrheit für ihre Ideen im Parlament zu haben. Auf der anderen Seite müssen alle Parteien damit leben, dass es eine verfassungsmäßig legitimierte Regierung gibt, die sehr vieles gestalten und entwickeln kann, ohne dass das Parlament darauf Einfluss zu nehmen vermag. Am besten wäre es, wenn beide wechselseitig darauf Rücksicht nehmen. Das heißt, dass meine Parteifreunde und ich gelassen ertragen, wenn eine linke Mehrheit ab und an Gesetze beschließt, denen wir nicht zustimmen können, und diese Mehrheit anderseits genauso gelassen begreift, dass man der Regierung nicht in ihre Rechte und ihr Verwaltungshandeln hineingrätschen sollte.
FNP: Sie können als Regierung aber doch kaum noch Akzente setzen. Wie sieht denn Ihr Arbeitsplan für den Rest des Jahres aus?
Koch: Es muss täglich gestaltet werden und es passiert ja auch eine ganze Menge. Wir werden in den nächsten Wochen eine neue Phase der Wissenschaftsförderung einleiten, wir arbeiten bereits an dem Projekt der Nachhaltigkeit, das uns in den nächsten Wochen sehr fordern wird. Weitere Stichworte für anzugehende Punkte sind etwa der kommunale Finanzausgleich und das neue Beamtengesetz. Für all diese Dinge werden wir in den nächsten Wochen Initiativen starten oder sie sind schon angelaufen.
FNP: Irgendwann wird der Haushaltsplan auf den Tisch kommen, der die Handschrift der neuen Ausgaben durch die rot-rot-grünen Beschlüsse tragen muss. Werden Sie den Parteien dann auch zur Auflage machen, die von ihnen aufgerissenen Löcher zu stopfen?
Koch: Man kann nicht den Haushalt durch Mehrausgaben belasten, ohne auf der anderen Seite zu sagen, wie das Geld eingespart werden soll. Politik ist ja kein Wunschkonzert, bei dem alles, was schön und teuer ist, einfach aufgelistet und umgesetzt werden kann. Deswegen wird die Diskussion um den Haushalt in den nächsten Wochen sehr spannend werden. Ich strebe nach wie vor das Oberziel an, im Jahr 2011 einen ausgeglichenen Etat vorzulegen. Dieses Auftrag hat der Landtag übrigens einstimmig bestätigt. Die Prioritäten werden wir erst setzen, wenn wir zuverlässige Schätzungen über die Steuereinnahmen des nächsten Jahres haben werden. Eine dieser Prioritäten wird aber aus meiner Sicht sicher die Bildung sein, wo es noch viel zu tun gibt. Oberstes Ziel bleibt aber, die Verschuldung des Landes nicht noch zu steigern.
FNP: Wer wird sich diesen Zielen denn außer der FDP noch anschließen können?
Koch: Das werden wir sehen. Die linken Parteien, die derzeit fröhlich versuchen, Wahlversprechen abzuarbeiten, müssen dann sagen, wie die seriöse Gesamtrechnung aussieht. Die Rahmenbedingungen dazu wird diese Regierung mit der Haushaltsvorlage Anfang Dezember setzen.
FNP: Haben Sie denn Hoffnung, irgendwann vielleicht doch noch als vom Landtag gewählter Ministerpräsident weiterregieren zu können?
Koch: Es macht keinen Sinn, ständig neue Spekulationen anzustellen. Ich habe immer gesagt, dass das Land eine geschäftsführende Regierung ein Jahr vertragen kann, ohne dass es Schaden nimmt. Das heißt aber auch, dass es dann eine Haushaltsmehrheit geben muss.
FNP: Aber das erklärte Ziel einer Koalition aus CDU, FDP und Grünen gerät immer weiter außer Sichtweite. Haben Sie sich davon innerlich nicht schon verabschiedet?
Koch: Da bin ich sehr gelassen. Ich glaube, dass es insbesondere den Grünen schwerfällt, die Risiken zu kalkulieren, die darin bestünden, überhaupt miteinander zu reden. Die SPD steckt in einem Prozess, an dessen Ende die Erkenntnis steht, dass sie im Parlament keine Regierungsmehrheit zusammenbekommt. Das zu realisieren ist auch für die Grünen nicht einfach.
FNP: Da war es vielleicht nicht klug, diesen möglichen Partner durch die vorläufige Verweigerung der Unterschrift unter das Studiengebührengesetz von Rot-Rot-Grün auch noch zu verprellen.
Koch: Das sehe ich völlig anders. Die Grünen sind inzwischen so professionell geworden, dass sie nicht erwarten, bei harten politischen Auseinandersetzungen ausgespart zu werden. Das gilt so lange, wie man nicht miteinander geredet und gemeinsame Kompromisse gefunden hat. Das könnten zwischen CDU, FDP und Grünen sowieso keine aus Leidenschaft sein, sondern solche, die den schwierigen Mehrheitsverhältnissen geschuldet wären und der Vernunft folgen würden. Eine Zwischenphase der politischen Balzerei wird es bis dahin aber nicht geben.
FNP: In der SPD werden Rufe nach einer großen Koalition laut. Halten Sie diese Forderung dort für mehrheitsfähig?
Koch: Die SPD befindet sich im Abklingbecken von der Euphorie zur Realität. Die Tatsache, dass sich jetzt Delegierte auf Parteitagen dazu bekennen und ohne ausgebuht zu werden bekennen können, den Gedanken einer Zusammenarbeit mit der Linken zu verwerfen und lieber die Option einer großen Koalition zu prüfen, ist ein eindeutiges Zeichen für das Abklingen der Emotionen. Frau Ypsilanti hat die SPD aber ganz weit weg von der Realität geführt, deswegen wird der Weg zurück sehr lang und sehr schmerzhaft werden. Ich glaube daher nicht, dass die SPD in überschaubarer Zeit ihre Grundhaltung ändert.
FNP: Halten Sie die SPD in ihrer derzeitigen Verfassung überhaupt für koalitionsfähig?
Koch: Sie ist in ihrer derzeitigen Verfassung nicht koalitionswillig. Der nur gefühlte Sieg hat es Frau Ypsilanti bislang unmöglich gemacht, mit einer CDU, die stärker ist als die SPD, auch nur Gespräche zu führen. Das ist nicht klug, aber wir müssen das zur Kenntnis nehmen.
FNP: Warum scheint das Wort Neuwahlen bei den Politikern – die FDP einmal ausgenommen – einen fast unanständigen Beigeschmack zu haben?
Koch: Ich will nicht sagen, dass es unanständig erscheint. Ich meine aber, dass Politiker nachweisen müssen, dass Neuwahlen die letzte Möglichkeit zur Vermeidung einer Notlage sein sollten. Diese gibt es in Hessen noch nicht, denn die Regierung stellt sicher, dass das Land auf der Basis des gültigen 2008er Haushaltes ordentlich regiert wird. Man darf sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, die Menschen noch einmal zu Wahlen zu rufen, nur damit nachher eine der vorher ins Auge gefassten Möglichkeiten passt.
FNP: Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Rot-Grün eher noch einmal den Versuch zur Bildung einer Minderheitsregierung unter Duldung der Linken wagen könnte?
Koch: Ich bin immer sehr nüchtern mit dem Wahlergebnis umgegangen. Die Koalition, die ich möchte, ist im Augenblick nicht möglich. Ich stelle aber auch fest, dass diejenigen, die nach Frau Ypsilantis Wortbruch zusammen 57 Stimmen haben, diese Mehrheit nicht für eine Regierungsbildung zusammenbringen. Das liegt vor allem an Mitgliedern aus der SPD-Fraktion, die nicht gegen Versprechen verstoßen wollen, die sie vor der Wahl hundertfach abgegeben haben und an die sich andere nun nicht mehr gebunden fühlen. Frau Ypsilanti weiß ganz genau, warum sie nicht antritt.
Das Interview führten Christoph Barkewitz und Georg Haupt.
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