Koch: „Kein IKB-Verkauf zum Schleuderpreis“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem Handelsblatt
Handelsblatt: Herr Ministerpräsident, welche Lehren ziehen Sie aus der Finanzkrise?
Koch: Weltwirtschaftliche Strukturbrüche, wie wir Sie jetzt beobachten, kann man nicht vorhersehen. Trotzdem müssen wir nun einige Anpassungsprozesse diskutieren. Ich sehe drei Konsequenzen: Erstens muss man sich schon fragen, ob die jetzt beginnende Anlegung internationaler Bilanzstandards mit ihren permanenten Marktbewertungen die Krise nicht systemisch verstärkt. Das ist ein Punkt der in den nächsten Monaten analysiert und gelöst werden muss. Zweitens darf es keine außerbilanziellen Zweckgesellschaften mehr geben, in die riskante Geschäfte ausgelagert werden. So etwas geht nicht mehr. Drittens muss es eine Bereitschaft zum offensiven Kommunikationsmanagement geben. Die mangelhafte Kommunikation hat das Vertrauen der Marktteilnehmer vor allem in den ersten Monaten der Finanzkrise untergraben.
Handelsblatt: … fordern Sie eine strengere Aufsicht?
Koch: Naja, schauen Sie, vor der Krise haben wir stark auf die Hedge-Fonds geschaut und dort mehr Stresstests und Transparenz gefordert. Stress ist dann aber an einer Stelle entstanden, wo wir es gar nicht erwartet haben, nämlich im ganz normalen Hypothekenmarkt. Deshalb muss man sehr vorsichtig sein zu glauben, dass durch ein Mehr an Regulierung alle Probleme der Welt gelöst werden. Wir müssen als Politiker aber darauf achten, dass es durch Krisen in der Finanzindustrie keine Staatskrise gibt. Diese Gefahr ist dort natürlich größer als im Maschinenbau und deshalb ist Regulierung nötig, ohne sie als Allheilmittel zu sehen.
Handelsblatt: Aber brauchen wir nicht ein neues internationales Regelwerk?
Koch: Je mehr gemeinsame Standards es in der Regulierung gibt, umso besser ist es. Aber jeder weiß doch, wie schwierig es ist, hier eine vernünftige zeitliche Dimension zu finden. Realistisch betrachtet ist das eine „Jahrzehntaufgabe“. Das muss zunächst auf der Schiene zwischen den USA und Europa geschehen.
Handelsblatt: … bisher hatte man eher das Gefühl, die Deutschen sind hier nicht gehört worden, oder?
Koch: Wir sind nicht völlig untergebuttert worden, vielmehr haben wir jetzt gute Karten weil die Amerikaner uns momentan gut zuhören. Regulierung ist eben nicht nur eine globale Angelegenheit, sondern auch eine nationale. Den Ausgang nahm die Krise schließlich im Subprime-Markt in den USA, ein regionales Problem schwappte dann in die internationalen Märkte.
Handelsblatt: Leidet der Finanzplatz Deutschland besonders stark unter der Krise?
Koch: Nein, das würde ich nicht sagen. Klar, wir leiden. Aber weil die deutschen Institute in Summe nicht zu den Hauptleidtragenden gehören, können wir ein Stück gelassener sein. Es gibt auch die eine oder andere Chance für neue Geschäfte. Den höchsten Konsolidierungsdruck erlebt das klassische Investmentbanking in New York und London. Unsere Kernbereiche – Vermögensverwaltung und Verbriefungen im weitesten Sinne – sind nicht beschädigt sondern eher gestärkt worden.
Handelsblatt: Bei der KfW haben Sie als Mitglied des Verwaltungsrates direkten Einblick in das Debakel um die IKB gehabt, was lief da falsch?
Koch: Die KfW wurde vor Jahren dazu gedrängt, Aufgaben zu übernehmen, die nie klassische Förderaktivitäten waren. Die IKB half zwar auch dem Mittelstand, es ist aber Privatbankengeschäft gewesen. Man kann als Staatsbank nicht jahrelang mit 37 Prozent in einer privaten Aktivität gebunden sein, wohl wissend, dass man aus Rufgründen am Ende praktisch 100 Prozent der Last tragen muss, weil die Kollateralschäden für das gesamte System zu groß sind. Das war der entscheidende strukturelle Fehler, den übrigens nicht Frau Matthäus-Maier gemacht hat. Wenn der Staat ein Geschäft macht, bei dem er zu hundert Prozent haftet, dann muss er am Ende auch entsprechend durchgreifen können. Bis zum heutigen Tage kann der Staat wegen des Aktienrechts operativ bei der IKB kaum eingreifen, das hat sich als sehr schwerer Nachteil erwiesen.
Handelsblatt: Hat sich die KfW nicht generell zu stark wegbewegt vom ursprünglichen Förderauftrag?
Koch: Das Kernfördergeschäft steht doch außer Frage. Und die KfW ist ja richtigerweise dazu gedrängt worden, die Ipex-Bank für die Projekt- und Exportfinanzierung auszugliedern, wenngleich die Bank im Einflussbereich der KfW bleibt. Man muss Bereiche wie die Flugzeugfinanzierung immer wieder auf den Prüfstand stellen. Andererseits kann aber der Staat auch immer wieder in Situationen kommen, wo er in wirtschaftliche Prozesse einbezogen wird. Beispielsweise brauchen wir die KfW für Platzhaltergeschäfte bei Aktienplatzierungen von Staatsvermögen. Deshalb sage ich ganz deutlich: der Staat kann seine Expertise im privatwirtschaftlichen Bankenbereich nicht auf null reduzieren. Die Ipex ist eine solche notwendige Expertise für die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland.
Handelsblatt: Also sollte man die Ipex-Bank im Augenblick nicht privatiseren?
Koch: Nein, im Augenblick würde ich sie nicht privatisieren. Das ist keine Jahrhundertentscheidung, aber im augenblicklichen Zustand soll man das solide Instrument bei der KfW lassen. Wir haben dort andere Probleme.
Handelsblatt: Die IKB steht zum Verkauf, knüpfen Sie daran Bedingungen?
Koch: Egal welche Konstellation entsteht, es wird eine weitere Verantwortung für die KfW geben, mit den Belastungen bei der IKB fertig zu werden. Weil die Bundesrepublik die volle Last der Haftung trägt – durch die Kapitalerhöhung hält die KfW am Ende 90 Prozent des Aktienkapitals – müssen wir mit Augenmaß vorgehen. Es ist die Verpflichtung der Gremien und des Vorstands, das Geld nicht zu verschenken. Das ist der Maßstab.
Handelsblatt: … also kein Verkauf zu Schleuderpreisen?
Koch: Wenn die Gebote am Ende zeigen, dass ist ein gutes Geschäft für alle, nur nicht für uns, dann müssen wir neu überlegen. Dann muss die Abwägung kommen, kann die KfW das Geschäft der IKB für einen längeren Zeitraum betreiben, um die Geschäfte dann an den Markt zu bringen. Schon wegen der Treuepflicht haben wir kein Recht dazu, die IKB zu jedem Preis zu verkaufen. Wir müssen schon schauen, was der faire Wert ist. Ich meine, solides deutsches Mittelstandsgeschäft ist auf jeden Fall etwas wert.
Handelsblatt: Wenn weniger als 500 Mill. Euro gezahlt werden, ist das dann ein schlechtes Geschäft?
Koch: Dazu gebe ich keinen Kommentar.
Handelsblatt: Ist der Verwaltungsrat der KfW nicht zu groß?
Koch: Für die Förderbank ist es gut, alle Interessen im Verwaltungsrat zu binden. Sonst gibt es permanent Rangeleien um die Art der Förderung. Hier findet über Politik, Verbände und alle Bankengruppen eine Konsensbildung statt. Was mich aber verwundert hatte und jetzt korrigiert wurde ist die Tatsache, dass der wirtschaftliche Teil der KfW – Stichwort IKB – von der Corporate Governance überhaupt nicht abgebildet wurde. Mit dem Präsidial- und Prüfungs- sowie dem Kreditbewilligungsausschuss sind nun klare Gremienstrukturen geschaffen worden. Deshalb muss man jetzt nicht ans KfW-Gesetz rangehen. Auch sollte es auch bei der Nachfolge von Frau Matthäus-Maier eine an der Corporate Governance angelehnte Führungsstruktur geben, d.h. es gibt einen Vorstandsvorsitzenden und nicht einen vom Vorstand bestimmten Sprecher.
Handelsblatt: Aber ein Top-Bankmanager wird sich kaum mit 450 000 Euro im Jahr zufrieden geben.
Koch: Es ist nicht einfach, aber für ausgeschlossen halte ich da nichts. Es gibt eine hinreichende Zahl von Menschen für die Geld viel, aber nicht alles ist.
Handelsblatt: Wir können uns der Landesbankendiskussion nicht entziehen Wie sind Sie selbst in die Diskussion gekommen?
Koch: Wenn man sich ein bisschen mehr mit Banken beschäftigt, dann gerät man sofort in Verdacht. Glücklicherweise ist das verfassungsrechtlich für meine Person ausgeschlossen, weil der Status der geschäftsführenden Landesregierung es dem Ministerpräsidenten verbietet, diese zu verlassen. Ich halte allerdings die Philosophie für falsch, dass Politiker hier generell Fehl am Platz wären. Auch unter ihnen gibt es Menschen, die wirtschaftliche Verantwortung übernehmen können, weil sie über einen entsprechenden Background verfügen.
Handelsblatt: Mit der SachsenLB, WestLB und der BayernLB sind die Landesbanken besonders beroffen von der Krise. Sollen öffentlich-rechtliche Banken nicht konsolidiert werden?
Koch: Es ist richtig, dass wir uns einer Landesbankendiskussion nicht entziehen können. Aber hier ist nicht nur die Politik gefragt. Die klassischen Eigentümer der Landesbanken, die Sparkassenverbände, haben bis heute keine ausreichende Idee für ein koordiniertes Geschäftsmodell zwischen Landesbanken und Sparkassen entwickelt. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Dieses Versäumnis kann man auch durch eine Fusion von zwei oder drei Landesbanken nicht wettmachen. Wenn man dauerhaft beschließt, dass einem Landesbanken egal sind, dann vergeben die Sparkassen viele Chancen. Denn aus dem, was die Landesbanken national und international neben dem Sparkassengeschäft betreiben, kann durchaus ein interessantes Kreditinstitut entstehen.
Handelsblatt: Was empfiehlt die Politik?
Koch: Ich glaube nicht, dass die Sparkassen dauerhaft ohne Wholesalebanking überleben werden. Regionalität macht nur Sinn, wenn die Sparkassen die Unternehmen dauerhaft in der Globalisierung begleiten können. So sind die Sparkassen aber nicht aufgestellt, wenn sie sich nicht in eine klassische Bankenstruktur begeben. So lange nicht klar ist, ob die Sparkassen als Eigentümer zu ihren Landesbanken stehen, ist die zukünftige Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Bankensystems extrem schwierig.
Handelsblatt: Sind Sie zerknirscht, dass die Fusion der WestLB abgesagt wurde?
Koch: Man hätte die Frage, was wird aus der WestLB, durchaus länger beobachten können. Vor ein paar Jahren hätten wir uns doch erstaunt die Augen gerieben, wenn die Helaba mindestes auf Augenhöhe mit der WestLB hätte verhandeln können.
Handelsblatt: Sollten Landsbanken am Ende auch Sparkassen übernehmen, um schlagkräftige Konzerne zu bekommen?
Koch: Aus der Frage der Vertikalisierung darf man keine Ideologie machen. Genau das tun aber die Sparkassen. Ich halte es für völlig abwegig, dass alle Sparkassen etwa in Hessen-Thüringen auf eine Landesbank fusioniert werden. Aber für das Rhein-Main-Gebiet, wo der Wettbewerb unglaublich hoch ist, kann das eine Option sein. Meine Meinung heißt nicht, Vertikalisierung ist für alles die Zukunft. Es ist aber falsch, das grundsätzlich auszuschließen oder es unabhängig von einer sachlichen Prüfung als Prinzip festzuschreiben. Manche Sparkassenvorstände sagen, wenn es keine Landesbanken gäbe, fiele auch die Diskussion um die Vertikalisierung weg. Das ist dann nur noch irrational.
Handelsblatt: Wenn nun beispielsweise München und Stuttgart fusionieren, gerät da nicht die Helaba ins Abseits?
Koch: Wir können aufgrund der Performance der Bank relativ gelassen sein. Die Helaba ist ein Schatz in der Landesbankenlandschaft, über den jeder bei einem Zusammengehen eher glücklich als unglücklich sein wird.
Handelsblatt: Soll die Helaba weitere Sparkassen Im Ballungsraum Rhein-Main übernehmen?
Koch: Die Frage muss man weiter fassen, nämlich wie kommen wir zu wirtschaftlichen Einheiten, die wettbewerbsfähig sind zu anderen Großregionen. Mit der freien Frankfurter Sparkasse (Fraspa) haben wir die Region Frankfurt wieder in die öffentlich-rechtliche Sparkassenfamilie zurückgeholt. Jetzt müssen die Sparkassen dafür sorgen, dass mittelfristig das volle Potenzial der Region ausgeschöpft wird. Dazu gehört auch die Frage, wie die Sparkassen zusammenkommen, und die Fraspa ist dabei der stärkste Spieler. Das war doch eine hochrentierliche Investition, jede Sparkasse im Norden Hessens kann heute schon froh sein, dass der Wert ihrer Helaba durch die Fraspa gestiegen ist. Aus Sicht der Bürger ist das Rhein-Main-Gebiet sowieso eine wirtschaftliche Einheit, das spiegelt sich bei den Sparkassen zu ihrem Schaden noch nicht wider.
Handelsblatt: Gibt es Gespräche zwischen Ministerpäsidenten über die Landesbanken?
Koch: Man kann hier ausschließen, dass es kurzfristig zu Ergebnissen kommt. Sicherlich gibt es Gespräche mit einer größeren Ernsthaftigkeit als einige Jahre zuvor, zum Glück sind auch Feindbilder zerstört worden. Aber es bleibt dabei: die Politik wird in dieser Frage überschätzt. Die Sparkassen sind nun einmal die entscheidenden Eigentümer, die ein eigenständiges Geschäftsmodell entwickeln müssen. Wenn das mal steht, dann wird das auch in der Politik andere Kräfte zur Gestaltung frei setzen. Die größte Sorge der Politik besteht darin, dass die Chance, eine große nationale und internationale Rolle zu spielen, von den Sparkassen nicht wahrgenommen wird. Viele Sparkassenvorstände glauben, wenn sie sich der Landesbanken entledigen, sei langfristig eine Existenzgarantie für die Sparkassen gegeben. Die meisten der Ministerpräsidenten wollen eine leistungsfähige öffentlich-rechtliche Säule in der Finanzindustrie. Aber sie muss wirklich zukunftsgewandt sein
Handelsblatt: Was soll mit der Postbank geschehen?
Koch: Das ist die letzte Einflussmöglichkeit des Staates auf den Konsolidierungsprozess unter den privaten Banken. Hier gibt es eine Chance für ein zweites Standbein – zumindest in Europa. Dafür hat die deutsche Bankenlandschaft alle Potenziale. Ich sehe nicht nur eine Lösung, sondern zwei oder drei. Wahnsinnig viele sind es aber nicht mehr. Ich hoffe sehr, dass die Beteiligten das auf der nationalen Ebene bedenken, bevor sie eine Entscheidung treffen.
Das Interview führten Nicole Bastian, Peter Köhler und Robert Landgraf.