Koch: „Man läuft nicht davon“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der Rheinischen Post
RP: Sie sind jetzt 50 und nach der Abstrafung durch den hessischen Wähler nur noch geschäftsführender Ministerpräsident. Warum tun Sie sich das an? Warum verdienen Sie nicht viel Geld in der Wirtschaft?
Koch: Im Scherz: Ich könnte ja auch in Jamaika Urlaub machen. Ernsthaft: Ich habe politische Verantwortung übernommen. Da läuft man nicht davon, wenn die politischen Freunde, mit denen ich auch alle Erfolge gemeinsam gefeiert habe, der Meinung sind, dass wir in dieser schwierigen Zeit nicht davon laufen, sondern gemeinsam das tun, was im Interesse des Landes getan werden muss. Ganz abgesehen davon verlangt die hessische Verfassung von einem Ministerpräsidenten, solange im Amt zu bleiben, bis unser Landtag in der Lage ist, eine neue Regierung zu wählen. Ich mache es also wegen der Rechtslage, aus Pflichtgefühl und wegen der Unterstützung meiner Freunde aus Überzeugung.
RP: Was machen Sie eigentlich falsch, dass Sie so wenig landesväterliche Beliebtheit genießen?
Koch: Es gehört zu meinen Erfahrungen, dass viele, die mich persönlich kennen lernen, dann auf einmal sagen: Der ist ja aus der Nähe betrachtet viel netter als im Fernsehen. Ich gehöre sicherlich zu denen in der Politik, die auch über unangenehme Entscheidungen offen reden.
RP: Wollen die meisten Wähler vielleicht keinen kühlen Macher, sondern einen In-die-Arme-Nehmer?
Koch: Ich bin keine Hülle, vielmehr ein Mensch mit einer lange beobachtbaren politischen Erfahrung, mit Stärken und Fehlern. Ich habe in den neun Amtsjahren viele Erfolge in meinem und für mein Land erzielt, aber auch Fehler gemacht und zugegeben, die zu Korrekturen in Stil und Inhalt nach dem 27. Januar geführt haben. Aber klar ist auch: Roland Koch bleibt Roland Koch. Ich bin das Angebot und nicht irgendeine Kunstfigur, die aus mir gemacht werden könnte.
RP: Everybody’s darling ist everybody’s Depp?
Koch: Das ist mir zu heftig. Aber Politiker müssen Entscheidungen treffen und in der Lage sein, sie um- und durchzusetzen.
RP: Die hessische Landtagsmehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei testet Sie bereits mit dem Antrag, einen Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge zu verfügen. Geben Sie nach?
Koch: Afghanische Familien werden bei uns nicht abgeschoben. Es geht darum, ob wir ganz generell nicht abschieben. Das halten wir für unvertretbar, auch wegen einer Entscheidung unseres obersten Gerichts in Hessen. Das ändert nichts an der von mir angebotenen loyalen Zusammenarbeit mit dem Landtag dort, wo das Parlament das erste Wort hat, nämlich bei der Gesetzgebung. Aber genauso erwarten wir Loyalität gegenüber der Regierung, wenn diese ihre ureigensten Kompetenzen wahrnimmt.
RP: Ihre Avancen, die Sie den Grünen machen, führen zu der süffisanten Bemerkung, Roland Koch sei über Nacht ein Grüner geworden. Ist das so?
Koch: Die CDU hat nach der Wahl gesagt: Wir haben verstanden. Wir nehmen das Wahlergebnis vom 27. Januar zur Kenntnis, wollen nicht in allen politischen Punkten so weitermachen wie bisher. Im Übrigen: Ich habe ja als Umweltpolitiker angefangen. Viele unserer Wähler schauen auf diesem Themenfeld mit einer Grundsympathie in Richtung Grüne. In der Frage, wie wir verantwortlich mit der Schöpfung umgehen, gibt es mit den Grünen keinen Streit. Es gibt nur Streit um das richtige Augenmaß. Wir sind bereit, mit den Grünen und der FDP darüber zu reden, wie wir ambitioniertere ökologische Projekte, als wir sie bislang gemacht haben, gemeinsam voranbringen können.
RP: Könnte man Ihre Koalitions-Strategie so beschreiben: „Jamaika“ sehen und dann abtreten. Die grüne Basis wird sich doch mit einem Regierungschef Roland Koch nie abfinden?
Koch: Alle Parteien haben sich darauf eingestellt, dass die Personen handeln, die es gibt und keine anderen. Wenn Parteien wie CDU und Grüne überhaupt miteinander reden, dann müssen sie verlässliche eigene Führungsstrukturen haben.
RP: Wo bleibt bei so viel „Jamaika“-Seligkeit der politische Markenkern der Union?
Koch: Natürlich können und werden wir nicht unsere Grundüberzeugungen opfern. Unser Markenkern bleibt. Freiheit des Einzelnen, des wirtschaftlichen Prozesses, Vertrauen in die Fähigkeit des Einzelnen gegen Planungs- und Gängelungs-Versuche, soziale Verantwortung und das Vertrauen in eine wertgebundene staatliche Ordnung. Diesen Markenkern stellt die hessische CDU ganz sicher nicht zur Disposition.
RP: Ihr Düsseldorfer Parteifreund Wolfgang Schulhoff verlangt vor dem Hintergrund der Finanzabenteurer private Haftung auch angestellter Manager. Richtig?
Koch: Manager müssen, auch wenn sie Nichteigentümer sind, in einem hohen Maße an den Erfolg und den Misserfolg ihrer Firma gekoppelt werden. Das sollte man vor allem auch in der Finanzbranche ausweiten. Allerdings nicht durch den Gesetzgeber. Das sollen und müssen die Eigentümer des Unternehmens, die Aktionäre, machen.
RP: Sind Sie nach dem Wahlkampf ein gebranntes Kind, was das Thema Bekämpfung jugendlicher Intensivtäter angeht?
Koch: Nein. An dem Thema werde ich dranbleiben. Gerade die Bekämpfung der Tätergruppe, die Sie beschreiben, steht im Vordergrund. Wir haben gerade eine neue Jugendarrestanstalt geschaffen. Und wir werden in Hessen Häuser des Jugendrechts schaffen, um die Verfahrensdauer zu verkürzen.
RP: Sie sind mit dem Dalai Lama befreundet. Haben Sie Angst um ihn und seine Tibeter?
Koch: Die Lage ist sehr ernst, und ich bin vor allem in Sorge um die Tibeter in Tibet. Aber die momentane öffentliche Aufmerksamkeit für den Konflikt zwischen Tibet und Peking bietet Chancen. Die Unruhen in Tibet sind nicht passiert, weil bald Olympische Spiele in Peking stattfinden, sondern weil wegen der Olympischen Spiele die Unterdrückung der Tibeter durch Peking immer stärker wurde.
RP: Ist der Fackellauf nicht absurd?
Koch: Wenn’s jetzt zu einem für die Menschenrechte kommt, ist das ja nicht verkehrt.
RP: Ist die IOC-Führung duckmäuserisch?
Koch: Ich stelle eine Mischung von Naivität und mangelndem Mut bei der IOC-Führung um Herrn Rogge fest. Er hat es fertig gebracht, im letzten Jahr auf dem Platz des Himmlichen Friedens in Peking eine Rede zu halten, ohne das Wort Menschenrechte auch nur in den Mund zu nehmen. Daraus hat die chinesische Führung womöglich falsche Schlüsse gezogen.