Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem „Focus“
FOCUS: Herr Koch, Sie sind vor wenigen Tagen 50 Jahre alt geworden. Werden Sie nun altersmüde?
Koch: Keine Sorge, ich fühle mich noch immer ziemlich jung und unternehmungslustig.
FOCUS: Aber mit der gewohnten Polarisierung kommen Sie nicht weiter. Wie wollen Sie Hessen als geschäftsführender Ministerpräsident ohne Mehrheit im Parlament gestalten?
Koch: Im Landtag ist alles nicht mehr so berechenbar. Dennoch darf es in Hessen keinen Stillstand geben, sonst fallen wir gegenüber unseren Mitbewerbern Bayern und Baden-Württemberg zurück. Auch eine geschäftsführende Regierung muss die anstehenden Aufgaben im Interesse der Bürger lösen.
FOCUS: Um Zustimmung zu erreichen, müssen Sie und Ihre CDU um Mehrheiten buhlen. Mutieren Sie vom brutalstmöglichen Macher zum soften Moderator?
Koch: Wir müssen nach Kompromissen suchen. Die Regierung und ich werden unsere Vorschläge unterbreiten. Aber es ist kein Weltuntergang, wenn wir unsere Vorstellungen nicht immer durchsetzen können. Ich werde die Parteien allerdings daran erinnern, dass es auch eine Loyalitätspflicht gegenüber der Landesregierung gibt. Sie können nicht jeden Tag Opposition spielen.
FOCUS: Außer der CDU ist Ihnen doch niemand verpflichtet.
Koch: Der frühere Fußballnationalspieler Rolf Rüssmann hat einmal gesagt, wenn wir nicht gewinnen können, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt. Ein Sportler darf vielleicht so flapsig reden. Frau Ypsilanti nicht. In der Politik fände ich eine solche Haltung kindisch, weil Politiker ihre staatsbürgerliche Verantwortung erkennen müssen.
FOCUS: Sie haben plötzlich viele Gemeinsamkeiten mit den Grünen entdeckt, von der hessischen Union früher für Traumtänzer und Chaoten gehalten. Waren Sie und Ihre Christdemokraten zuvor mit Blindheit geschlagen?
Koch: Die hessischen Grünen haben in 30 Jahren einen langen Weg zurückgelegt. Das ist nicht mehr die Truppe, die einst Blut gegen einen amerikanischen General spritzte und ein ungeklärtes Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie hatte. Sie sind heute in der linken Mitte der Gesellschaft verankert.
FOCUS: Ist das Misstrauen zwischen CDU und Grünen nicht nach wie vor groß?
Koch: Wir haben unsere leidvollen Erfahrungen mit ihnen gemacht. Das werden die Grünen aber umgekehrt auch von uns sagen. Sicher sind wir keine natürlichen Verbündeten. Doch niemand erwartet Liebeserklärungen. Es geht erst mal um Verständigung in einzelnen Sachfragen, damit wir etwas voranbringen können, ohne gleich mit Koalitionsangeboten zu kommen.
FOCUS: Von schwarzen Neigungen ist bei den hessischen Grünen momentan wenig zu spüren. Wie finden Sie es, dass sie als Erstes mit der SPD und den Linken die gerade eingeführten Studiengebühren abschaffen wollen?
Koch: Im Augenblick erleben wir eine Phase, in der noch symbolhaft die alten Wahlkampfparolen abgearbeitet werden. Das sehe ich sehr gelassen. Die Regierung respektiert, was das Parlament beschließt.
FOCUS: Fürchten Sie nicht, dass Ihre SPD-Gegenspielerin Andrea Ypsilanti doch noch ihr Ziel durch die Hintertür erreicht und die geschäftsführende CDU-Regierung zum Vollzugsorgan linker Politik wird?
Koch: Schaun wir mal, wie lange das Einvernehmen zwischen SPD, Grünen und Linkspartei hält. Bald beginnt die nüchterne Gesetzgebungsarbeit. Der Versuch, eine Linksregierung durch Unterstützung einer populistischen Partei mit SED- und DKP-Vergangenheit zu installieren, ist gescheitert. Die Grünen, aber auch die SPD, müssen sich überlegen, ob sie diese problematische Gruppe vom linken Rand weiter mehrheitsfähig machen wollen.
FOCUS: Wo sind denn die schwarz-grünen Schnittmengen, die mit Hilfe der FDP zu gemeinsamen Initiativen führen könnten?
Koch: Beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gibt es sicher wenige Anknüpfungspunkte, aber bei der Bildungs-, Finanz- und Energiepolitik bin ich optimistisch.
FOCUS: Erstaunlich, wo die Grünen doch eingeschworene Atomkraftgegner sind.
Koch: Wir müssen in der Landespolitik nicht Grundsatzfragen klären. Persönlich bin ich dafür, an der Kernenergie festzuhalten. Doch das ist eine Angelegenheit des Bundes. Ich bin überzeugt, dass wir uns mit den Grünen über ambitionierte Projekte zum Ausbau regenerativer Energie einigen könnten. Da sind die Grünen viel pragmatischer als die hessische SPD mit den völlig verqueren Vorstellungen ihres Vordenkers Hermann Scheer.
FOCUS: Und wo sind die Übereinstimmungen in der Bildungspolitik?
Koch: Die Grünen wollen, wie wir und die Liberalen, ein vielfältiges Schulwesen mit Wahlmöglichkeiten, nicht wie die SPD ein Einheitsschulsystem. Auch möchten die Grünen die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur nicht wieder abschaffen.
FOCUS: Das alles klingt so, als ob sie die Grünen schon zum bürgerlichen Lager zählten.
Koch: Dafür spricht einiges, zumindest wenn man sich die Wähler der Grünen anschaut. In der Regel sind sie finanziell bessergestellt. Viele besitzen eine akademische Ausbildung. Inzwischen erwartet ihre Wählerschaft auch, dass sie in eine wohlstandsorientierte Zukunft geführt wird.
FOCUS: Die Grünen haben aber mit „Koch muss weg“ Wähler geworben. Wäre eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen in einigen Monaten eher erreichbar, wenn Sie für Ihren designierten Stellvertreter, Innenminister Volker Bouffier, den Weg frei machten?
Koch: Die hessische CDU hat beschlossen, dass ich meine Verantwortung wahrnehmen soll. Das werde ich tun. Und deshalb werde ich im Mai erneut für den CDU-Landesvorsitz kandidieren.
FOCUS: Wäre am Ende eine große Koalition nicht doch einfacher als Jamaika?
Koch: Nein. Frau Ypsilanti hat die hessische SPD bewusst an den äußersten linken Rand des politischen Spektrums geführt. Mit einem solchen Programm hätte es 2005 auf Bundesebene nie eine Einigung auf eine große Koalition geben können. Sie war skrupellos genug, ihre hundertfach gegebenen Zusagen zu brechen, um ihre ideologischen Vorstellungen mit der Linkspartei durchsetzen zu können. Ihre Wahl zur Ministerpräsidentin hat nicht geklappt. Nun ist die SPD innerlich erschüttert. Es wird Zeit brauchen, bis die Sozialdemokraten in Hessen wieder ein verlässlicher Partner sind.
FOCUS: Glauben Sie, dass Ihr Konflikt mit der hessischen SPD das Klima in der großen Koalition in Berlin belastet?
Koch: Natürlich belastet das. Aber die große Koalition ist nicht gefährdet. Das Sachprogramm wird bis 2009 abgearbeitet.
FOCUS: Es scheint so, dass nicht Parteichef Kurt Beck, sondern Außenminister Frank-Walter Steinmeier der nächste Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel wird. Ist er schwerer zu schlagen?
Koch: Die CDU wird jeden SPD-Spitzenkandidaten ernst nehmen. Ich glaube aber, dass die Kandidatenfrage für die SPD nicht das Hauptproblem darstellt. Sie hat durch den von Kurt Beck sanktionierten Wortbruch Andrea Ypsilantis ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Es wird für die SPD in den nächsten 18 Monaten kaum möglich sein, das verspielte Vertrauen zurückzugewinnen.
FOCUS: Haben Sie sich schon bei der SPD-Abgeordneten Dagmar Metzger bedankt, die eine von Exkommunisten tolerierte Regierung Ypsilanti abgelehnt und Ihnen damit das Weiterregieren vorerst ermöglicht hat?
Koch: Frau Metzger ist eine Sozialdemokratin, die fast alles getan hätte, um mich abzuwählen. Aber eben nur fast alles. Sie fühlte sich moralisch verpflichtet, gegenüber ihren Wählern Wort zu halten und eben nicht mit der Linkspartei zu paktieren. Das nötigt mir außerordentlichen Respekt ab. Sie hat es nicht mir zuliebe getan. Aber das ist in Ordnung so.
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