Koch: „Wir werden darauf achten, dass mit seriösen Zahlen gearbeitet wird“
Der Hessische Ministerpräsident Roland Koch im FNP-Interview
Frankfurter Neue Presse: Herr Ministerpräsident, Sie haben am Ostermontag Geburtstag. Steht auch die SPD-Abtrünnige Dagmar Metzger auf der Gästeliste?
Roland Koch (lächelt): Wir feiern meinen 50. im Kreis der Familie. Frau Metzger sieht mich im übrigen ja erklärtermaßen auch nicht gerne in der Position des Ministerpräsidenten. Aber abgesehen davon hat diese Abgeordnete etwas Wichtiges für die Demokratie getan, indem sie gerade noch Halt gerufen hat.
FNP: Sie haben sich auf der Suche nach Ersatz für die ausscheidenden Minister Wolff und Corts für eine Vertretungsregelung entschieden. Wie lange kann überhaupt eine Regierung ohne Mehrheit geschäftsführend regieren?
Koch: Das ist eine schwierige Frage. Die heutige Situation ist anders als Anfang der 80er Jahre bei Holger Börner, der deutlich mehr als ein Jahr geschäftsführend im Amt war, diese Phase übrigens politisch gut überlebt hat. Bei uns besteht derzeit der Anschein, als sei die Mehrheit des Parlaments noch unsicher, ob sie konstruktiv mitarbeiten oder sich zur Aufgabe machen will, die Regierung zu ärgern, weil es zu einer eigenen Regierungsbildung nicht reicht. Wenn Frau Ypsilanti beispielsweise ankündigt, nach ihrem gescheiterten Versuch mit Wortbruch und Linkspartei ins Amt zu kommen, die Regierung mit Nadelstichen im Parlament piesacken zu wollen, dann gibt es zu solchem Verhalten eine treffende Fußballweisheit des früheren Nationalspielers Rolf Rüssmann: „Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.“ Das wäre für das Klima im Landtag nicht gut.
FNP: Wie soll die Regierungsarbeit in der Praxis denn aussehen?
Koch: Es gibt zwei Ebenen. Die eine ist die Gewährleistung einer soliden und seriösen Verwaltung, also die Erbringung von Dienstleistungen für die Bürger. Das kann man ruhig und ordentlich über einen langen Zeitraum machen. Politische Gestaltung heißt aber auch Gesetzgebung, insbesondere Haushalt. Da scheitern viele gute Ideen an den fehlenden Vorschlägen zur Bezahlbarkeit. An dieser Stelle wird sich auch messen lassen müssen, wie sich eine parlamentarische Mehrheit für was bildet und wie lange es eine geschäftsführende Regierung gibt.
FNP: Stichwort Bezahlbarkeit. Scheitern daran auch die bislang von SPD und Grünen vorgebrachten Anträge zu Reformen bei den Schulen, der Rückkehr Hessens in die Tarifgemeinschaft der Länder und der Bauausstellung?
Koch: Wir brauchen jetzt alle, auch die Medien, einen Schuss Gelassenheit. Es kommen aus den Parteien viele Vorschläge auf den Tisch. Meine Funktion wird sein, daraus am Ende wieder ein Bild zu machen. Was sicher nicht gehen wird, ist eine freie Sause für Neuerungen zu veranstalten, die am Ende unsere Kinder bezahlen müssen. Die Sparmaßnahmen bei unseren Landesbediensteten sind uns bitter schwer gefallen, aber mit dem eingesparten Geld haben wir weitere Personalreduzierungen vermieden und weitere Lehrer eingestellt, ohne dafür neue Schulden machen zu müssen. Ich bin gesprächsbereit darüber, ob man das anders lösen kann. Aber wir werden darauf achten, dass mit seriösen Zahlen gearbeitet wird.
FNP: Und wann macht die CDU eigene Kooperationsvorschläge?
Koch: Das haben wir als erste, nämlich mit der Bad Wildunger Erklärung schon getan. In einer anderen Stufe der parlamentarischen Arbeit werden wir die unterschiedlichen Vorschläge der Fraktionen abgleichen. Da werden wir mit den Grünen an schwierige Themen kommen, etwa bei der Energiefrage. Beim Schulkonzept ähnelt das, was die Grünen wollen, dagegen sehr unseren Vorstellungen.
FNP: Von der Mehrheit des Landtags beschlossene Gesetze werden Sie also umsetzen?
Koch: Wo kommen wir denn hin, wenn eine Landesregierung Gesetze nicht mehr umsetzt? Aber das schließt harte vorangehende Diskussionen nicht aus. In der Verfassung sind beispielsweise Verschuldungsgrenzen gesetzt, an die wir uns auch zu halten haben.
FNP: Haben Sie selbst schon einmal ein Wahlversprechen gebrochen und sei es nur um den Preis, dadurch andere Zusagen halten zu können?
Koch: Politiker sollten mit aller Art von Versprechungen sehr vorsichtig sein. Ich weiß, worauf Sie anspielen. Es ist qualitativ etwas fundamental anderes, zu versprechen, die Studiengebühren wieder abzuschaffen im Vergleich zum hundertfach von Frau Ypsilanti und allen anderen Sozialdemokraten abgegebenen Versprechen, eine bestimmte Regierungskonstellation auszuschließen. Deswegen ist dieses Aufrechnen von Wahlversprechen, wie es die hessische SPD versucht, nur ein Fluchtweg, aber ein untauglicher.
FNP: Ist die hessische SPD in Ihren Augen überhaupt noch koalitionsfähig?
Koch: Die Partei ist von Frau Ypsilanti in zweifacher Hinsicht in eine Situation geführt worden, in der sie große Probleme haben wird, überhaupt Partner zu finden. Die Tatsache, dass wir die Grünen für pragmatisch näher zu unserem Programm halten, zeigt nur, wie weit die Sozialdemokraten derzeit von uns entfernt sind. Dazu kommt das zuletzt offenbarte handwerkliche Unvermögen, das die Hessen-SPD sicher noch einige Monate innerparteilich beschäftigen wird.