Roland Koch: „Boykott ist letztes Mittel“
Hessens Ministerpräsident Roland Koch engagiert sich seit 1987 für die Religionsfreiheit in Tibet. Er ist mit dem Dalai Lama befreundet.
Interview mit der Financial Times Deutschland:
FTD: Was kann Deutschland tun, um im Tibet-Konflikt zu helfen?
Roland Koch: Es ist wichtig, dass die Bundesregierung der chinesischen Führung in diesen Tagen ihre Erwartungen deutlich macht: Dass es Regeln des menschlichen Miteinanders gibt, die wir in freiheitlichen Demokratien nicht bereit sind zu ignorieren. Dazu gehören Menschenrechte und der Respekt vor der Religionsfreiheit. China kann nicht alles gleichzeitig haben: Die Anerkennung in der Welt, die Olympischen Spiele und trotzdem noch so mit den Menschenrechten umgehen wie 1989.
FTD: Sollte man die Olympischen Sommerspiele in Peking jetzt boykottieren?
Koch: Ein Boykott würde China für viele Jahre in die Isolation führen. Das ist das letzte Mittel, das die internationale Gemeinschaft anwenden kann. Aber wir sind noch nicht bei letzten Mitteln. Die chinesische Führung hat es selbst in der Hand, diese Diskussion ganz schnell zu beenden.
FTD: Was müsste sie dafür tun?
Koch: China muss jetzt kurzfristig erlauben, dass in Tibet Transparenz entsteht. Diplomaten der deutschen und anderer Botschaften und unabhängige Journalisten müssen sich frei in Tibet bewegen dürfen. Diese Freizügigkeit hat China mit dem Internationalen Olympischen Komitee vereinbart. Und wenn Tibet zu China gehört, dann muss die Freizügigkeit auch für Tibet gelten.
FTD: Was bringen die Mahnungen aus Deutschland den Tibetern?
Koch: Zu der Verzweiflung der Tibeter kommt immer auch die Frage: Werden wir in der Welt gehört? Wenn wir in Europa jetzt schweigen würden, dann würde diese Verzweiflung und die Spirale der Gewalt, die daraus entsteht, immer gefährlicher. Auch darum müssen wir unsere Position sehr nachdrücklich deutlich machen.
Das Interview führte Nikolai Fichtner.