Bad Wildunger Erklärung der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag und des Landesvorstandes der CDU Hessen
Der Hessische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende, Roland Koch, und der Vorsitzende der CDU-Frakion im Hessischen Landtag, Dr. Christean Wagner, haben heute in Wiesbaden die Bad Wildunger Erklärung vorgestellt:
Bad Wildunger Erklärung der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag und des Landesvorstandes der CDU Hessen
Beschlossen am 27. Februar 2008
1. Die hessische CDU hat am 27. Januar 2008 ihr Wahlziel der Fortsetzung der Regierungsarbeit mit einer bürgerlichen Mehrheit verfehlt. Trotz bitterer Verluste hat sie mehr Wählerstimmen für sich gewinnen können als jede andere Partei in Hessen. Nach den traditionellen Regeln der Demokratie bedeutet dies, dass Roland Koch und die hessische CDU trotz aller Verluste den Auftrag zur Bildung einer Regierung erhalten haben. Wir wollen diesen schwierigen Gestaltungsauftrag in Verantwortung vor unseren Zusagen an die Wähler und in Kompromissbereitschaft angesichts des schwierigen Wahlergebnisses zum Wohle der Bürger Hessens nutzen. Dabei sind wir uns der besonderen Verantwortung bewusst, mit unserer Bereitschaft zu schwierigen Bündnissen zu verhindern, dass gerade das starke und erfolgreiche Land Hessen das erste westdeutsche Bundesland wird, in dem Kommunisten entscheidenden Einfluss erhalten.
2. Wir haben Fehler gemacht, auch wenn ein Rückgang von zwölf Prozentpunkten für die CDU nicht nur eine Ursache hat. Die CDU hat Vertrauen von Wählern wieder verloren, das wir bereits errungen hatten. Wir wollen dieses Vertrauen nach selbstkritischer Debatte und sichtbaren Zeichen der Veränderung unserer Arbeit zurückgewinnen. Zugleich wollen wir Menschen neu für uns gewinnen, die einen Weg in den Linksblock auf keinen Fall mitgehen wollen.
3. Die hessische CDU sieht sich in einer beachtlichen programmatischen Übereinstimmung mit der hessischen FDP. Gemeinsam haben wir in den Jahren 1999 bis 2003 ein solides Fundament für eine erfolgreiche Politik der Mitte gelegt. Wir werden daher alle weiteren Schritte der nächsten Wochen in freundschaftlichen Gesprächen mit der FDP erörtern. Zugleich sind wir bereit, in Anerkennung der aktuellen politischen Mehrheitsverhältnisse die Gespräche mit SPD und Grünen fortzusetzen. Wir sehen bei diesen Gesprächen gegenwärtig bei den Grünen pragmatischere Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungen der Landespolitik. Dabei sind wir uns der außerordentlichen Schwierigkeiten der Kompromissfindung bewusst, aber sind bereit, diesen steinigen Weg im Interesse stabiler Verhältnisse und damit der Regierbarkeit unseres Landes zu gehen. Wenn in vielen Erklärungen von SPD und Grünen die besondere Verantwortung der FDP hervorgehoben wird, so ist festzustellen, dass eine ebenso große Verantwortung bei den Grünen liegt, neue und schwierige Wege zu beschreiten, um zu verhindern, dass die Linkspartei gestaltenden Einfluss erhält.
4. Die hessische CDU steht hinter ihrem Landesvorsitzenden Roland Koch. Mit ihm als Spitzenkandidat hat die CDU zum dritten Mal hintereinander das Vertrauen als stärkste Partei in Hessen errungen. Es ist für die hessische CDU selbstverständlich, dass wir keiner anderen politischen Kraft in Hessen erlauben, Einfluss auf unsere personellen Entscheidungen zu nehmen. Eine Regierungsbildung unter Mitwirkung der CDU wird unter seiner Führung stattfinden.
5. Die hessische CDU verurteilt alle Bestrebungen der SPD, entgegen dem von ihr und ihrer Spitzenkandidatin ganz persönlich abgegebenen Wahlversprechen einen Linksblock mit den Kommunisten im Hessischen Landtag zu bilden. Die Warnung der CDU vor diesem Verhalten hat sich leider als richtig erwiesen. Die SPD-Spitzenkandidatin hat dem Ansehen von Politik durch ihr Verhalten schon jetzt schweren Schaden zugefügt. Jeder einzelne Abgeordnete der SPD hat nun eine persönliche Verantwortung, einen durch Wortbruch gebildeten Linksblock von SPD und Kommunisten in Hessen zu verhindern.
6. Das schlechte Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl hatte sowohl Gründe in einzelnen Entscheidungen der vergangenen Jahre, als auch in der konkreten Wahlkampagne. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die bundespolitischen Rahmenbedingungen 2003 um ca. 10%-Punkte besser waren.
• Die notwendige Operation „Sichere Zukunft“ hat zu strukturellen Einsparungen von ca. 600 Mio. Euro jährlich geführt und ist daher eine unverzichtbare Voraussetzung für einen ausgeglichenen Landeshaushalt bis zum Jahr 2010/2011. Dennoch sehen wir, dass gerade die Mitarbeiter des Landes, denen wir unter Berücksichtigung der sicheren Arbeitsplätze eine Arbeitszeitverlängerung bei gleichzeitigen finanziellen Einschränkungen zugemutet haben, uns dieses Mal deutlich geringer unterstützt haben, als zuvor.
• Hessen hat in der Schulpolitik der vergangenen neun Jahre entscheidende Fortschritte gemacht. Die Schüler verlassen die Schulen mit Zeugnissen auf Grund einheitlicher Prüfungsstandards, der volle Regelunterricht wird erteilt und die Zahl der Schulabbrecher geht drastisch zurück. Insgesamt konnten wir die Wettbewerbsfähigkeit hessischer Schüler etwa im Vergleich zu Bayern und Baden-Württemberg erheblich verbessern. Die abfällige Rede vom einem minderwertigen „Hessen-Abitur“ wie vor 1999 gehört der Vergangenheit an. Dennoch haben viele Eltern ihre Unzufriedenheit über zu schnelle Veränderungen in der Schule, insbesondere bei der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit, bei ihrem Wahlverhalten wichtiger genommen als etwa die Frage der Unterschiede zwischen gegliedertem und integriertem Schulsystem.
• Trotz der bereits sichtbaren Verbesserungen der Studienbedingungen für hessische Studenten durch die Studienbeiträge hat eine nennenswerte Zahl von Studenten bei dieser Landtagswahl ihren Protest gegen die von der Union durchgesetzten Beiträge ausgedrückt.
7. Es war richtig und notwendig, auch im Wahlkampf das Thema Jugendkriminalität deutlich anzusprechen und auf die von der Union schon seit langer Zeit gegen den Widerstand der SPD vertretenen Lösungsansätze aufmerksam zu machen. Die Konzentration der öffentlichen Aufmerksamkeit auf dieses Thema hat aber dazu geführt, dass die Erfolgsbilanz der Landesregierung nicht mehr hinreichend wahrgenommen wurde.
8. Das Thema Jugendgewaltkriminalität wird die hessische CDU weiter beschäftigen. Wir haben uns in den vergangenen neun Jahren bereits intensiv mit dieser Frage befasst. In Hessen befindet sich die Jugendgewaltkriminalität unter dem Bundesdurchschnitt. Wir haben den Ehrgeiz, in den nächsten Jahren diese Bilanz noch deutlich zu verbessern und auch die unbefriedigenden Bearbeitungs- und Wartezeiten in den Jugendstrafverfahren zu beenden. Hierfür sollen noch im März konkrete Vorschläge durch die Landesregierung vorgelegt werden. Außerdem wird mit Nachdruck weiter an den Bestrebungen zur Änderung der entsprechenden Bundesgesetze gearbeitet.
9. Die Schulpolitik bleibt entscheidender Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir wollen in den kommenden Jahren unser leistungsorientiertes, begabungsgerechtes und mit freiwilligen Betreuungsangeboten versehenes Schulwesen weiterentwickeln. Das erfordert den Einsatz zusätzlichen Personals, auch im Bereich von Betreuung und Verwaltung. Vor allem aber wollen wir nach Wegen suchen, Eltern und Lehrer intensiver in die Veränderungsprozesse einzubeziehen. Die Herausforderungen im Bildungssystem werden groß bleiben. Wir müssen Lehrerinnen und Lehrer, deren Engagement wir anerkennen und würdigen, und möglichst viele Eltern zur aktiven Mitwirkung am Reformprozess gewinnen. Wir wissen, dass die Belastung der Pädagogen hoch ist. Wir wollen nach Möglichkeiten der Entlastung suchen.
• Wir streben eine freiwillige Betreuungsmöglichkeit an allen Schulen bis 2015 an.
• Wir möchten auf freiwilliger Basis gebundene und offene Ganztagsschulen ausbauen.
• Im Rahmen des vielgliedrigen Schulsystems wollen wir die Hauptschule zur Praxisschule weiterentwickeln. Modelle für neue Formen der Zusammenarbeit von Haupt- und Realschulen wollen wir fördern.
• Das Prinzip, dass Schulzeiten verlässlich sein müssen und die Stunden zur Bildung genutzt werden, bleibt bestehen. Wir wollen den Begriff „Unterrichtgarantie plus“ durch „verlässliche Schule“ ersetzen. Die Schulen sollen das Recht bekommen, unter Verzicht oder teilweisen Verzicht auf bisherige „U-plus“- Mittel ihre Lehrerzuweisung zu erhöhen, wenn sie sich verpflichten, sicherzustellen, dass der Unterricht erteilt wird. Damit kann mittelfristig ein Betrag von rund 50 Millionen Euro flexibler durch die Schulen eingesetzt werden, um die verbindliche Zusage einer verlässlichen Schule zu erfüllen.
• Wir wollen an der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit festhalten. Wir wollen die Erfahrungen anderer Bundesländer, die ebenfalls mit kritischen Diskussionen konfrontiert sind, auswerten und nutzen. Die Stofffülle in den Lehrplänen muss kurzfristig reduziert werden. Durch eine Verlagerung von Wochenstunden in die Oberstufe kann eine zu hohe Belastung jüngerer Schüler vermieden werden. Kooperative Gesamtschulen können bei entsprechender Jahrgangsbreite eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Abitur nach 8 und nach 9 Jahren anbieten.
10. Die Studienbeiträge sollen, wenn der Staatsgerichtshof sie für zulässig erklärt, bestehen bleiben. Allerdings wird die Entscheidung über die Erhebung an die Hochschulen delegiert.
11. Ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Politik bleibt die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ist die beste Sozialpolitik. Das 100 000-Job-Programm gilt daher unverändert weiter. Gerade an dieser für die Zukunft unseres Landes wichtigsten Stelle sehen wir eine besonders große Bedrohung für viele Arbeitsplätze durch den Linksblock. Wichtige Infrastruktureinrichtungen, für die es bereits Planfeststellungsbeschlüsse gibt, dürfen nicht zur Disposition gestellt werden. Die Chance für weitere Planungen wichtiger Projekte muss bestehen bleiben. Wir wollen den Wissenschafts- und Forschungsstandort Hessen auf Zukunftskurs halten. Dazu ist die uneingeschränkte weitere Finanzierung des Universitätsbauprogramms HEUREKA und des Wissenschaftsprogramms LOEWE unverzichtbar.
12. Die hessische CDU will in der Familienpolitik ihre in den letzten Jahren gewonnene Kompetenz weiter ausbauen. Hessen ist Vorreiter bei der Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren. Wir wollen schrittweise die Kindergartengebühren abschaffen. Der gemeinsame Erziehungsplan von 0 – 10 soll in ganz Hessen eingeführt werden. Da die Betreuung in Familien für uns gleichwertig ist, verdient sie ebenso Unterstützung.
13. Die Energiepolitik wird auch die künftige hessische Landespolitik erheblich prägen. Wir benötigen eine saubere, sicher verfügbare und bezahlbare Energieversorgung. Wir können nicht kurzfristig auf 90% der hessischen Stromproduktion verzichten. Gleichzeitig haben wir sehr ehrgeizige Ziele für den Ausbau von erneuerbaren Energien. Es muss uns gelingen, auch in einem für regenerative Energien geographisch nicht so günstigen Bundesland mit wenig Wasser und wenig Wind eine anspruchsvolle Konzeption für erneuerbare Energien zu vertretbaren Preisen zu schaffen. Die Energieerzeugung aus Biomasse, Sonne und Geothermie stellen große Chancen für die Energiepolitik insgesamt und ganz besonders für den ländlichen Raum dar. Die Möglichkeiten zur Energieeinsparung müssen stärker genutzt werden. Forschung und Entwicklung für moderne und nachhaltige Energieerzeugung und Energieeffizienz bieten wichtige Entwicklungsperspektiven und müssen weiterhin konsequent gefördert werden.
14. Hessen ist ein Land mit besonderen Chancen in der Mitte Deutschlands. In den letzten Jahren sind diese Chancen zum Wohl der Menschen genutzt worden. Wir dürfen diese Erfolge nicht gefährden. Wir werden mit großer Offenheit und Kompromissbereitschaft bei der Bildung einer stabilen Regierungsmehrheit unseren Beitrag dazu leisten, dass Hessen ein Land der Mitte bleibt und nicht zur Spielwiese für linke Experimente wird. Wir beauftragen Roland Koch, jede Möglichkeit für Gespräche mit den demokratischen Parteien SPD, FDP und Grüne im Hessischen Landtag wahrzunehmen und fordern insbesondere die SPD dazu auf, ihre Wahlversprechen einzuhalten und einen Linksblock auszuschließen. Alles andere hätte unabsehbare Folgen für das Land und die Glaubwürdigkeit der demokratischen Parteien.
15. Alle demokratischen Parteien im Hessischen Landtag haben in diesen Tagen eine weit über die normale hessische Landespolitik hinausgehende Verantwortung. Wir wollen zeigen, dass wir in enger Abstimmung mit der FDP diese Herausforderung annehmen. Wir appellieren auch an die SPD und vor allem an die Grünen, sich diesen Herausforderungen ebenfalls zu stellen. Hessen, das für Zukunft, Wohlstand und Internationalität Deutschlands so wichtige Beiträge erbringt, darf nicht zum Spielball unsicherer politischer Konstellationen und zufälliger Mehrheiten unter Einschluss von Kommunisten unterschiedlichster Prägung werden.
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