Koch: „Wir werden uns gewaltig anstrengen müssen“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der „Welt online“
WELT ONLINE: Herr Koch, die Hessen waren in den Umfragen mit Ihrer CDU-Regierung nicht recht zufrieden. Keine gute Ausgangsposition für die Landtagswahl, oder?
Roland Koch: Ich empfehle, nicht so viel auf die Demoskopie zu geben, viele Menschen wissen noch gar nicht, dass am 27. Januar gewählt wird. Die CDU in Hessen liegt derzeit rund zehn Prozent vor der SPD. Dennoch wissen wir, dass Rot-Rot-Grün nur knapp hinter CDU und FDP liegt, wir also gewaltig kämpfen müssen.
WELT ONLINE: Sie haben ja eine ausführliche Bilanz unter dem Titel „Versprochen – Gehalten“ vorgelegt. Reicht das, oder brauchen die Menschen nicht auch Ziele und Visionen?
Koch: Ich glaube, dass man beides braucht. Die hessische CDU sagt, wir wollen in den nächsten fünf Jahren zusätzlich 100.000 Arbeitsplätze schaffen, wir wollen den Flughafenausbau mit allein 40.000 neuen Jobs und die Verbesserungen des Bildungswesens. Mit einer solchen Erklärung kann man nur dann Vertrauen erwerben, wenn man zugleich sagt: Liebe Bürger, schaut euch das Regierungsprogramm an und guckt unter www.hessen.de, was wir daraus gemacht haben. Wenn dann das Versprochene zu 95 Prozent umgesetzt wurde, bekommt die Zusage für die Zukunft eine andere Qualität.
WELT ONLINE: Beim Flughafenausbau wird Ihnen vorgeworfen, dass Sie ein Versprechen nicht gehalten haben.
Koch: Ein rechtssicheres Nachtflugverbot erreicht zu haben ist etwas, worauf die hessische Landesregierung sehr stolz ist. Wir haben jetzt den ersten internationalen Flughafen, der mit einem Nachtflugverbot belegt ist. Ich bin sehr sicher, dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung dankbar dafür ist, dass wir einen Weg gefunden haben, der möglicherweise nicht der Bequemste ist, aber der am Ende vor den Gerichten hält. Es wäre viel schlimmer für die Politik und ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie jetzt kurz vor Wahlen sagen würde, wir machen eine zwar populistische, aber rechtlich unmögliche Lösung – um dann in zwei Jahren nackt vor dem Bürger zu stehen: mit einem genehmigten Flughafen, aber ohne Schutz.
WELT ONLINE: Aber hätte man da nicht früher ehrlicher sein müssen?
Koch: Wir hätten es uns doch einfach machen und die Entscheidung hinter die Landtagswahl schieben können. Das ist nicht unser Stil. Jetzt ist sichergestellt, dass an der neuen Landebahn absolute Ruhe in der Nacht herrscht, und ansonsten nicht einmal mehr halb so viel Lärm wie vorher. Das zeigt, wie richtig es war, an dieser harten Forderung des Nachtflugverbots festzuhalten. Ich bin völlig sicher: Wenn die Politik da vorher in ihren Rahmenbedingungen gewankt hätte, hätten wir kein annähernd gutes Ergebnis erzielt.
WELT ONLINE: Für das größte Problem halten die Hessen allerdings derzeit die Bildungspolitik im Lande.
Koch: Die Unterrichtsversorgung in Hessen ist in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden. Wir reden heute nicht mehr von einem Hessen-Abitur, für das man als Student in anderen Ländern einen Abschlag wegen schlechter Qualität hinnehmen muss. Wir sind in der Frage, wie junge Menschen ihre Integrationsfähigkeit in der Schule erreichen, durch unseren Zwang, von Anfang an Deutsch zu sprechen, in die Spitzengruppe in Deutschland gekommen. Und wir setzen nach wie vor auf ein gegliedertes Schulsystem mit Gymnasium, Realschule und Hauptschule, wie es die große Mehrheit in Deutschland will. Die Sozialdemokraten wollen eine Zwangseinheitsschule daraus machen und versuchen, mit einigen organisatorischen und tagespolitischen Schwierigkeiten diese zentrale Frage zu überdecken. Das wird ihnen im Wahlkampf nicht gelingen.
WELT ONLINE: Sie haben auch über ein Burka-Verbot nachgedacht.
Koch: Ich denke, wir brauchen sehr bald verbindliche Regeln über das Zusammenleben von religiösen Traditionen in der Schule. Sozial wichtige Aktivitäten wie Klassenfahrten oder der Sportunterricht müssen von allen, unabhängig, welche kulturellen Traditionen sie mitbringen, akzeptiert werden. Wir erleben auch eine stärkere Fundamentalisierung der Religionsausübung, deshalb müssen wir uns auch mit streng religiösen Praktiken wie dem Burka-Tragen auseinandersetzen. Unser Verständnis von Menschenrechten lässt es nicht zu, dass sich ein junges Mädchen dauerhaft ohne das Zeigen ihres Gesichts in einer öffentlichen Schule aufhält. Hier muss man, bevor die ersten Fälle auftreten, klare Regeln setzen.
WELT ONLINE: Die Ausländerbeiräte sagen, mit Verboten komme man bei dem Thema überhaupt nicht weiter, gerade was die Kleiderordnung im Sportunterricht angeht.
Koch: Die Frage, in welcher Kleidung Kinder schwimmen gehen, ist weniger wichtig als die Tatsache, dass sie alle schwimmen gehen. Dass es Unterschiede in der Kleidung und ähnlichen Fragen gibt, ist nicht das Problem. Das ist anders, wenn wir über sehr politische Ausdrucksformen wie die Burka reden. Wir müssen darüber reden, bevor das zu einem Problem wird. Meine Erfahrung ist: Man hat mehr Probleme, wenn man sich nicht traut, klare Positionen zu vertreten, dann entstehen Irrtümer und Missverständnisse.
WELT ONLINE: Wird das Thema Integration eine maßgebliche Rolle im Wahlkampf spielen?
Koch: Das Thema Integration spielt mit Sicherheit eine Rolle im Wahlkampf. Wenn Sie ein Bundesland haben, in dem im Schnitt etwa 40 Prozent der jungen Menschen unter fünf Jahren einen Migrationshintergrund haben, dann ist die Frage der Integration eine der zentralen Zukunftsfragen – gerade wenn die linken Parteien sagen, es ist uns egal, wie sich das entwickelt, das sei ja gerade das Schöne an Multikulti.
WELT ONLINE: Glauben Sie, die Linke kommt in den Landtag?
Koch: Das wird sehr von der Wahlbeteiligung abhängen. Die Sozialdemokraten versuchen die Linkspartei zu kopieren. Die Frage ist, ob man dann eher das Original wählt. Ich werde mir aber Mühe geben, so viel für die Wahlbeteiligung zu tun, dass nicht erstmals seit 60 Jahren wieder Kommunisten in den Landtag einziehen.
WELT ONLINE: Wo liegt Ihr Ziel für die CDU?
Koch: Vor fünf Jahren haben uns 1,3 Millionen Bürger mit ihrer Stimme das Vertrauen gegeben. Mein Ziel ist, diese wieder zu erreichen.
WELT ONLINE: Und was, wenn es für eine bürgerliche Koalition nicht reichen sollte? In Ihrer Bilanz haben Sie ja schon „grün“ gesehen – ein Angebot an die Grünen?
Koch: Die Tatsache, dass jede erfüllte Versprechung im Regierungsprogramm am Ende grün unterlegt wird, zeigt, dass wir sehr viele erfüllte Zusagen haben. Aber die hessischen Grünen haben sich schon vor langer Zeit entschieden, immer die extremste Gegenposition gegen die CDU zu vertreten. Wenn SPD, Grüne und Linkspartei zusammen eine Mehrheit haben, werden sie sie nutzen, da muss man nicht über anderes spekulieren. Und ich werde alles dafür tun, das zu verhindern.