Koch: „Wir spielen in der Liga von London, Paris und New York. Das ist nicht unsere Einwohnerzahl, das ist unser Flughafen.“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
FAZ: Herr Ministerpräsident, Sie haben nach dem Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens von einem gelungenen Kompromiss zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Anwohner gesprochen. Dieser Kompromiss wird aber von Teilen der Opposition, Naturschützern und vielen Anwohnern wegen der darin genehmigten 17 Nachtflüge massiv kritisiert. Wie werden Sie im Landtagswahlkampf bis zum 27. Januar für diesen Kompromiss werben?
Koch: Sehr offensiv, weil die Entscheidung zu über 40.000 neuen Arbeitsplätzen führen wird. Es war klar, dass es nach der Entscheidung des Wirtschaftsministers Kritik daran geben wird – sowohl von denen, die schon immer gegen den Flughafen waren, als auch von jenen, die sich bessere Nutzungsmöglichkeiten versprochen haben. Das ist das Wesen einer solchen Entscheidung einer Planfeststellungsbehörde, die nach Abwägung aller Aspekte den bestmöglichen Kompromiss finden muss und der zudem rechtssicher zu sein hat. Ich bin überzeugt, dass das gelungen ist. Und ich werde in der Region dafür werben, dass dieser Beschluss die Schlüsselentscheidung für Wohlstand, Arbeitsplätze und internationale Bedeutung der Rhein-Main-Region ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen hier seit langer Zeit wissen, dass vieles von dem, was unsere Region an Chancen auszeichnet, fast ausschließlich damit zusammenhängt, dass wir einen Flughafen haben, der in seiner internationalen Bedeutung viel größer ist, als er wegen der Bevölkerungszahl eigentlich sein müsste. Wir spielen in der Liga von London, Paris und New York. Das ist nicht unsere Einwohnerzahl, das ist unser Flughafen.
FAZ: Etliche Anwohner, aber auch Kommunen und Naturschutzverbände haben Klagen gegen die Ausbaugenehmigung angekündigt. Wie hoch schätzen Sie die rechtlichen Risiken ein, dass der Beschluss vor Gericht gekippt, entscheidend verändert oder das Projekt verzögert werden könnte?
Koch: Ich bin sehr überzeugt davon, dass die Mitarbeiter der Planfeststellungsbehörde sich alle erdenkbare Mühe gegeben haben, eine gerichtsfeste Entscheidung zu entwickeln. Sie hatten dabei die große Chance, zwei aktuelle Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, die sehr wichtig sein werden für das weitere gerichtliche Verfahren, als Vorlage gehabt zu haben, an denen man sich orientieren kann. Der Planfeststellungsbeschluss ist mit größter Sorgfalt erstellt worden. Ich persönlich bin optimistisch, dass es keine Zeitverzögerungen durch Gerichtsentscheidungen geben wird, die über das gewöhnliche Maß solcher Verfahren hinausgehen.
FAZ: Warum haben Sie denn die Bevölkerung der Region erst so spät – Ende September – auf mögliche Ausnahmen von dem von Ihnen einst versprochenen Nachtflugverbot hingewiesen? Wirft Ihnen Ihr möglicher Koalitionspartner, der hessische FDP-Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn, nicht zu Recht vor, in dieser Frage lange Zeit nicht ganz die Wahrheit gesagt zu haben?
Koch: Ein Genehmigungsverfahren ist eine sehr komplizierte Abwägung. Wir haben, nachdem das Nachtflugverbot als Vorschlag aus dem Mediationsverfahren kam, erst einmal das Nachtflugverbot möglich machen müssen. Das hat uns 2000 niemand zugetraut. Nämlich ein börsennotiertes Unternehmen wie die Fraport dazu zu bringen, einen Antrag zu stellen, freiwillig auf die Nachtflüge zu verzichten. Was ich damals als Aufsichtsratsvorsitzender der Fraport bewirken konnte, war keine Selbstverständlichkeit. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts haben uns näher an ein Nachtflugverbot gebracht, als es allen Beteiligten davor möglich erschien. Es bleibt die Frage, ob es in Deutschland möglich ist, Nachtflüge mit einem Verbot zu belegen, ohne dass es davon Ausnahmen gibt. Die Prüfung dieser Frage, wie groß die Chancen von klagenden Fluggesellschaften sind, Ausnahmen vor Gericht zu erwirken, die das ganze Nachtflugverbot zerstören, haben sich erst in diesem Jahr ergeben. Wir hätten es uns sehr einfach machen können, hätten null Nachtflüge hineingeschrieben, um im Moment schön dazustehen, aber auf Dauer für die von Fluglärm betroffenen Bürger die Chance zu verspielen, am Ende mit einem rechtssicheren Nachtflugverbot eine bessere Nachtruhe zu haben als derzeit.
FAZ: Dennoch wird Ihnen nun Wortbruch vorgeworfen, weil Sie jahrelang ein striktes Nachtflugverbot ohne Ausnahmen zugesagt haben. Belastet das Thema Nachtflugverbot nicht den Wahlkampf der CDU?
Koch: Nein. Wir hätten es uns auch da einfach machen und die Entscheidung hinter die Landtagswahl schieben können. Das ist nicht unser Regierungsstil. Die Bürger sehen, dass es mit dem Flughafen vorangeht. Das Nachtflugverbot hat natürlich Bedeutung, aber der Dreh- und Angelpunkt ist die Entwicklung des Flughafens. Die Leistung der Landesregierung, an der ich beteiligt bin, ist es geschafft zu haben, dass die Flughafenerweiterung kommt, dass wir bis zu 40 Millionen Passagiere mehr bewältigen können und dass über 40.000 neue Jobs hinzu kommen. Dies ist eine der größten Chancen der Union, zu zeigen, dass sie für viele neue Arbeitsplätze sorgt und dennoch erreicht worden ist, dass die Zahl der Nachtflüge um mehr als 50 Prozent reduziert wird. Dann wird die große Mehrheit der Bürger sagen: Gut, dass der Flughafenausbau kommt.
FAZ: Ihre Herausforderin von der SPD, Andrea Ypsilanti, will im Falle eines Wahlsiegs den Planfeststellungsbeschluss korrigieren und „null Nachtflüge“ hineinschreiben. Was ist daran denn so falsch?
Koch: Ich hoffe, Frau Ypsilanti wird sich in den nächsten Tagen juristisch beraten lassen, was man mit einem genehmigten Planfeststellungsbeschluss machen kann. Diese Entscheidung hat Bestand und kann nicht mit einem Federstrich verändert werden. Wenn sie aber verändert wird, dann ist das Genehmigungsverfahren neu im Gange und dann wird Frau Ypsilanti nie mehr einen Planfeststellungsbeschluss erlangen, mit wie vielen Nachtflügen auch immer. Sie setzt ja mit den Grünen auf einen Koalitionspartner, der nie und nimmer die Hand reichen wird zu einer Erweiterung des Frankfurter Flughafens. Wenn Frau Ypsilanti tatsächlich die Absicht hat, an das Planfeststellungsverfahren neu heranzugehen, ist dies eine Katastrophe für die wirtschaftliche Entwicklung der Rhein-Main-Region. Der Frankfurter Flughafen hat keine Zeit mehr für Spekulationen, es ist das absolut letzte Zeitfenster für den Flughafen, seine Stärke zu behalten. Wenn die Politik das nicht ermöglichen kann, werden die Fluggesellschaften andere Entscheidungen treffen.
Die Fragen stellte Thomas Holl.