Grußwort des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch
anlässlich der Verleihung des Hessischen Friedenspreises 2007
an Dr. Christian Schwarz-Schilling
20. November 2007, Musiksaal des Hessischen Landtages
Sehr geehrter Herr Dr. Schwarz-Schilling, sehr geehrte Frau Schwarz-Schilling,
sehr geehrter ehemaliger Landtagspräsident Starzacher,
sehr geehrte Staatsminister, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Im Namen der Hessischen Landesregierung überbringe ich Ihnen herzliche Grüße und – in der Sicherheit des Vollzugs dieses Aktes – auch herzliche Glückwünsche zur Verleihung des Hessischen Friedenspreises. Wir Hessen haben allen Grund, auf diesen Preis stolz zu sein: Er stammt nun einmal aufgrund der Initiative des früheren Ministerpräsidenten Albert Osswald hier aus Hessen, und er ist bis heute eng mit der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung verbunden. Ich freue mich, dass die Stiftung gestern einen großen Erfolg errungen hat, weil sie nun endgültig in die bedeutende „Blaue Liste“ der Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen wurde und somit als eine der großen wissenschaftlichen Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland anerkannt ist.
Der Hessische Friedenspreis ist eine Auszeichnung, die internationale Anerkennung findet. Und es ist ein Hesse, dem heute dieser Preis verliehen wird. Mehr „Hessen“ kann es weltweit also gar nicht geben, als sich hier an dieser Stelle zusammengefunden hat. Ich finde, das ist ein ganz außergewöhnliches Ereignis, welches wir hier im Hessischen Landtag mit einem Preisträger begehen können, der die Auseinandersetzung und politische Diskussion in diesem Land selbst über viele Jahre mitgestaltet und geprägt hat.
Es gäbe viele Gründe, die man in einer solchen Situation für eine solche Ehrung in den Vordergrund stellen könnte. Die Laudatio und die Entscheidung der Jury beziehen sich jedoch sehr präzise auf das Engagement des Preisträgers im ehemaligen Jugoslawien. Das ist auch sicherlich derjenige Abschnitt in der beruflichen Laufbahn von Herrn Dr. Schwarz-Schilling, der ihn emotional am stärksten betroffen hat. Aber dieser Abschnitt hat nicht erst begonnen, als er Streitschlichter oder Hoher Kommissar geworden ist, sondern bereits während seiner Zeit als Minister in der Bundesregierung. Seine Zerwürfnisse und inneren Konflikte angesichts der Lage im ehemaligen Jugoslawien einerseits und dem Verhalten der deutschen Bundesregierung andererseits hatten einen wesentlichen Anteil daran, dass sich Herr Dr. Schwarz-Schilling vorzeitig aus der bundespolitischen Exektuivverantwortung verabschiedete. Das wird oft in den Darstellungen über ihn vergessen. Es zeigt auch: Aus dem Unternehmer, der in die Geschichtsbücher der Bundesrepublik als Privatisierer und Modernisierer der deutschen Telekommunikation eingehen wird, ist in dieser Phase auch ein internationaler Politiker mit einem außerordentlich starken emotionalen Engagement geworden.
Jeder, der jemals das Vergnügen oder die Aufgabe hatte, mit Christian Schwarz-Schilling zu verhandeln, weiß um die Tatsache seines durchaus starken emotionalen Engagements. Er ist in der Außen- und Friedenspolitik kein nüchterner Abwäger von unterschiedlichen Alternativen, sondern er ist ein pragmatischer Politiker mit einem ziemlich klaren emotionalen Grundgerüst. Er weiß, was er für richtig und was er für falsch hält. Meiner Meinung nach ist eine solche Botschaft nicht uninteressant, denn wo immer es auf der Welt Konflikte gibt, da kann es auch zu Kontroversen mit denjenigen kommen, die mit nüchterner Rationalität so ziemlich alles für lösbar halten. Auch im ehemaligen Jugoslawien sind Menschen, die keine der Betroffenen kennen, relativ leicht versucht, Lösungen vorzuschlagen. Das einzige Problem ist nur, dass diese Lösungen nicht zu den betroffenen Menschen passen, weil die Menschen eine emotionsbeladene Geschichte haben, die weit zurückreicht. Wenn man solche Tatsachen ignoriert, richtet man mehr Schaden an, als dass man zur Lösung des Konfliktes beiträgt.
Dieses Verständnis von Politik ist eher eine Seltenheit und vielleicht auch einer der Gründe, warum wir uns in der Welt des Öfteren nicht richtig verstehen. Denn der Konflikt zwischen der Rationalität auf der einen Seite und den Emotionen auf der anderen Seite führt dazu, dass sich am Ende die Beratenen immer mehr einigeln, weil sie ja glauben, dass der Rest der Welt sie nicht versteht. Ich finde, das ist ein Mechanismus, den ein Streitschlichter in besonderem Umfang im Blick haben muss. Wenn man die Dinge aus dieser Perspektive sieht, wird vieles erklärbar. Ich persönlich glaube, dass es uns in der Politik gelegentlich gut täte, diese Fähigkeit zur eigenen Emotionalität – und die Frage, mit welcher Empathie Politik auch verbunden sein muss, wenn sie den Menschen gerecht werden soll – nicht ganz hintenan stehen zu lassen. Ich sage deshalb auch in Bezug auf die aktuelle Diskussion, ob Menschenrechtsfragen im Verhältnis zu anderen großen Ländern dieser Welt ein zu emotionales Thema darstellen oder nicht: An der Tatsache, dass wir rational miteinander umgehen müssen, ändert niemand etwas – und das ist auch gut so. Aber dass andere Völker auch verspüren müssen, welche Emotionen wir im Umgang mit gewissen Rechten von Menschen haben, ist eine wichtige Voraussetzung, damit man versteht, warum wir Europäer uns über manche Dinge empören und über andere nicht. Wir müssen eben diesen Umstand begreifen, dass die verschiedenen Völker in sich immer Emotionen tragen werden, und dass wir Politiker sehr behutsam auszuloten haben, wo die Basis für die am Ende rationalen Brücken zwischen diesen Emotionen liegt.
Das ist eine Lehre, die am Leben und Wirken von Christian Schwarz-Schilling außerordentlich gut ablesbar ist. Sie ist auch ein sehr wichtiger Ratschlag nicht nur für die vielen Menschen, die ich gerade in Bosnien und Herzegowina kennen gelernt habe und die mit einer unglaublichen Achtung und Verehrung von ihm sprechen, weil er dort Dinge bewegt hat, um die sich zwar viele andere bemüht, aber die sie nicht erreicht haben. Er ist außerdem der Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte im Deutschen Bundestag. Gemeinsame Zeit verbringen wir damit, mit unseren bescheidenen Möglichkeiten dem Dalai Lama zu helfen. Darüber hinaus gibt es viele Bereiche der internationalen Politik, in denen er sich engagiert hat, immer mit dem gleichen Grundsatz. Ihm kann niemand unterstellen, dass er kein rationaler Mensch sei. Er hat mehr gemanagt, bewegt und verändert in der Welt der Technologie und auf diesem Kontinent als viele andere. Aber er hat auch gelernt, dass, wer Menschen und Völker zusammenhalten will, mit ihrem Herzen kommunizieren muss. Und dafür einen Preis zu verleihen, ist gerade für eine Stiftung, die sich mit Friedens- und Konfliktforschung befasst, für deren Kuratorium und für alle, die darin mitarbeiten, eine bedeutende Leistung. Der Preis hebt die beiden Komponenten, die dazu gehören, um internationale Politik zu machen, in einer sehr eindrucksvollen Weise hervor.
Deshalb freue ich mich sehr, dass du, lieber Christian, diesen Preis hier heute bekommst. Herzlichen Glückwunsch, und – wie immer bei solchen Preisverleihungen – glaube bloß nicht, es wäre eine Erlaubnis dafür, in Zukunft nichts mehr zu tun!
Alles, alles Gute!