Ministerpräsident Koch im Interview mit der Welt
WELT: Herr Koch, am 27. Januar 2008 sind Landtagswahlen in Hessen – nervös?
Roland Koch: Ich bin sehr optimistisch. Es gibt eine Grundstimmung im Land, dass die Bürger eher ein Stück zufriedener sind als in anderen Ländern, dass das Land ordentlich regiert und erfolgreich ist. Wahlkämpfe sind aber immer eine Herausforderung, Hessen war sehr oft ein knappes Land, aber ich sehe dem Wahltag mit fleißigem Optimismus entgegen.
WELT: Bei der letzten Wahl gab es die absolute Mehrheit – was ist diesmal das Ziel?
Koch: Es hat beim letzten Mal 1,3 Millionen Menschen in Hessen gegeben, die CDU gewählt haben, ein beeindruckend gutes Ergebnis. Mein Ziel ist, diese 1,3 Millionen Stimmen wieder zu erreichen. Dann können wir in Hessen gut regieren.
WELT: Die FDP will mit Ihnen koalieren – wollen Sie auch mit der FDP?
Koch: CDU und FDP in Hessen sind programmatisch sehr eng beieinander. Ich benutze gerne das Bild, dass wir zwar durchaus über einzelne wichtige Bauprojekte eines großen Planes gestritten haben, aber den Flächennutzungsplan haben wir vor neun Jahren gemeinsam verabredet, den hat die Regierung in den letzten fünf Jahren nicht verändert. Die Entscheidung, die in Hessen getroffen wird und die von nationaler, zentraler Bedeutung ist: Gibt es eine Regierung der Mitte oder ein Linksbündnis.
WELT: Das heißt, die Linkspartei schafft den Einzug in den Landtag?
Koch: Das Risiko besteht. Die Wähler müssen davon ausgehen, dass es sein kann, dass die Linkspartei am Ende im Landtag ist und auch Zünglein an der Waage sein kann. SPD und Grüne in Hessen haben allen Umfragen zufolge keine Chance, zusammen eine Regierung zu bilden, sie sind auf die Linkspartei als Helfershelfer angewiesen. Gerade nach dem Parteitag der SPD, bei dem wir die aufwallende Linkssehnsucht erlebt haben, glaubt doch keiner ernsthaft, dass ausgerechnet die extrem linke hessische SPD lieber Roland Koch als sich selbst zum Ministerpräsidenten hat.
WELT: Die Entscheidungen des SPD-Parteitags beeinflussen die Wahl?
Koch: Die Wahlentscheidung in Hessen beinhaltet auch das, was da auf dem SPD-Parteitag passiert ist: Eine Sehnsucht zur Realitätsflucht. Die SPD macht im Augenblick das, wovon Lafontaine immer geträumt hat. Sie entfernt sich aus der Regierungsfähigkeit, verliert parallel ihren Charakter als Volkspartei, und macht die Linkspartei gleichzeitig zu einer wichtigen politischen Größe – weil sie ihr hinterherläuft. Wenn man die Volkspartei SPD zerstören will, kann man keinen intelligenteren Plan haben.
WELT: Wie einigen Sie sich denn bei der Verlängerung des Arbeitslosengeldes I? Die CDU ist doch auch dafür.
Koch: Wir müssen ja unsere Meinung jetzt nicht aufgeben, nur weil die SPD das jetzt auch so sieht. Unser wichtigstes Ziel ist es jetzt, 3,5 Prozent Arbeitslosenversicherungsbeitrag für die Zukunft dauerhaft sicherzustellen. Darum muss eine ziemlich nah an der Kostenneutralität liegende Lösung gefunden werden. Dazu gibt es unterschiedliche Modelle. Man muss die Frage nach Arbeitsförderungsmaßnahmen stellen, aber auch die Frage, ob wir nicht von einem jungen Menschen ein Stück mehr Flexibilität erbitten müssen: Wie lange muss er arbeiten, um die vollen zwölf Monate Förderung zu bekommen, wenn wir ihm auf der anderen Seite die Gewähr geben, dass, wenn er älter wird, er auch ein Stück mehr Sicherheit bekommt. Wir erwecken den Eindruck, wir hätten die Krise hinter uns. Jetzt das Ende der Anstrengungen zu verkünden ist fahrlässig.
WELT: Welche Anstrengungen sind denn noch nötig?
Koch: Abgesehen von dem, was jetzt noch diskutiert wird, haben wir in dieser Koalition nicht mehr viel Spielraum für neue, große Reformschritte. Wir haben das, was die große Koalition leisten kann – ob mit Gesundheitsreform, Haushaltskonsolidierung oder Unternehmensteuerreform – abgearbeitet, das ist auch nicht trivial. Die nächste Stufe der Reform ist sicher eine, die die Parteien unterschiedlich sehen. Die Union wird für weitere Flexibilisierungsschritte im Arbeitsmarktrecht werben, aber auch dafür, dass Arbeitnehmer durch Investivlöhne und Gewinnbeteiligung mehr teilhaben, wenn es der Wirtschaft gut geht. Es muss ein neues, balanciertes System entstehen.
WELT: Die SPD fordert auch die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer – und Ihr Kollege Christian Wulff ist sehr dafür…
Koch: Es ist ein ganz wichtiges Ziel, dass wir die Haushalte wieder in Ordnung bekommen. Die Kürzung der Pendlerpauschale steht mit 2,5 Milliarden Euro zu Buche, sie war notwendig, weil der Staat bankrott war. Und der Staat ist noch lange nicht wieder zahlungsfähig. Wenn Peer Steinbrück sagt, ja, der Haushalt verkraftet die 2,5 Milliarden Euro, bin ich der Erste, der dafür ist, den Pendlern wieder mehr Geld zu geben.
WELT: Ist es Zeit für ein Tempolimit von 130?
Koch: Die Zeit von Tempolimit-Diskussionen ist 20 Jahre vorbei. Es kann Zeiten und Stellen geben, in denen es ausgesprochen vernünftig ist, mit Tempo 140 zu fahren, und andere, wo es vernünftig ist, mit 90 zu fahren. Der Stau ist der größte Klimakiller. Hessen entwickelt gerade intelligente Management-Methoden für den Verkehr, die sollten wir nutzen, um vernünftig Auto zu fahren und gleichzeitig vernünftig mit dem Klima umzugehen.
WELT: Es gab Spekulationen über ein Brüsseler Amt für Sie. Wie gut ist Ihr Verhältnis zu EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso?
Koch: Ich hoffe, im Interesse des Landes Hessen, gut – aber ich glaube, der braucht keinen neuen Kommissar. Es ist gut für die Hessen zu wissen, dass sie einen Ministerpräsidenten haben, der gute Kontakte hat und dem man auch etwas anderes zutraut, aber es ist hoffentlich auch schön für die Hessen zu wissen, dass ich Ministerpräsident bleiben will.