Hessens Ministerpräsident im Interview mit dem RBB Inforadio
Alexander Krahe: Sie sind tatsächlich im Wahlkampf. Ende Januar wird bei Ihnen in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Haben Sie Lust auf eine parteipolitische Rauferei mit der SPD?
Roland Koch: In Hessen ist ja die Auseinandersetzung völlig klar, weil die hessische SPD schon länger auf auf dem Linkskurs ist, den die Bundespartei eingeschlagen hat. Für uns hat sich deshalb nicht viel verändert. Es ist eine Debatte über Verantwortlichkeit, nämlich über die Frage, wie kann man mit Augenmaß Politik gestalten. Wir sind sicher als CDU insgesamt einigermaßen erstaunt darüber, mit welcher Geschwindigkeit die SPD sich aus der Verantwortlichkeit heraus begibt und lieber Oppositionsthesen vertritt, obwohl sie selbst Regierungsmitglied in Berlin ist.
Krahe: Unverhofft können Sie jetzt mit einem Thema Wahlkampf machen, da haben sie wahrscheinlich gar nicht dran gedacht: Tempo 130 fordert die SPD. Sind Sie der SPD dankbar?
Koch: Ja, das ist so ein Beispiel des bestenfalls nostalgischen Ausstiegs in alte grüne und linke Programme. Wir haben längst in Deutschland ein Tempomanagement, von dem jeder Autofahrer weiß, dass das Rasen auf deutschen Autobahnen nicht mehr möglich ist. Wir haben einen pragmatischen, vernünftigen Umgang und dabei wird es auch bleiben. Ich denke, dass die SPD auch genau gewusst hat, das ist ein Programm, mit dem man erstaunlicherweise, weil Journalisten das so mögen, auf die Titelseiten von Zeitungen kommen kann. Mit der Realität in Deutschland hat das Thema vielleicht vor 20 Jahren mal was zu tun gehabt, aber nicht mehr heute.
Krahe: Also da können Sie der SPD klar kontra geben. Bisschen komplizierter, wahrscheinlich auch ernster die Frage Verlängerung des Arbeitslosengeldes I.
Koch: Ja natürlich. Wir haben in dieser Position die Schwierigkeit, dass, wenn es der Union nach ginge, die Debatte nie aufgekommen wäre, denn wir haben schon vor 2, 3 Jahren in den Debatten über die Veränderung von Hartz immer darauf hingewiesen, dass ein Verhältnis von Lebensalter, Einzahlungsdauer und dem Schutz vor Arbeitslosigkeit durch die Arbeitslosenversicherung vernünftig ist. Die SPD hat das abgelehnt. Man muss nur schauen, was Kurt Beck im rheinland-pfälzischen Landtag vor wenigen Monaten an Polemik darüber ausgegossen hat, als die CDU es auf ihrem Parteitag beschlossen hat, jetzt kann die SPD zum Verhandlungstisch kommen. Ich bin eigentlich ganz sicher, dass man über diese Frage, die ein Detail ist, die mit den Prinzipien von Hartz IV nichts zu tun hat, dass man sich in dieser Frage pragmatisch einigen kann. Das ist auch eine Erwartung, die man an die Große Koalition haben muss. Das Thema ist nicht so bedeutend, wie es jetzt auf einem Parteitag behandelt worden ist. Das bedeutet andererseits aber auch, Regierungsfraktionen, die miteinander ein Land regieren wollen, werden sich darüber verständigen, wie man das Problem löst.
Krahe: Was bedeutet für Sie aber die Forderung nach der Kostenneutralität, die die Kanzlerin jetzt wieder erhoben hat. Haben Sie da eine Lösung?
Koch: Ich glaube, dass wir jetzt sehr genau hinschauen müssen, was in der Bundesagentur für Arbeit alles an Geld ausgegeben wird, was die Arbeitslosenversicherung im Einzelnen kostet. Da gibt es eine ganze Reihe von Positionen, über die man sprechen kann, die kennen auch alle Beteiligten, die hat Franz Müntefering längst aufgelistet. Die muss man in einem Zusammenhang sehen, denn eins muss klar bleiben, wir sind nach wie vor in einer schwierigen Sanierung der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Gerhard Schröder hat in den letzten drei Jahren seiner Regierungszeit 1,5 Millionen Arbeitsplätze verloren. Wir wollen hoffen, dass es der Großen Koalition und Angela Merkel gelingt, in den ersten drei Jahren ihrer Arbeit wieder 1,5 Millionen Arbeitsplätze zu gewinnen. Dann sind wir aber genau da, wo wir vor sechs Jahren waren und nicht irgendwo an einem Punkt, an dem jetzt die Zeit wäre, dass man wieder anfangen kann, das Geld mit vollen Händen zu verteilen – das Geld, das in Taschen der Arbeitnehmer durch Beitragssenkung und in den Taschen der Unternehmen durch Beitragssenkung für Investitionen besser aufgehoben ist. Deshalb muss dieser strikte Kurs des Sparens fortgesetzt werden. Wer neue Ideen hat, muss auch sagen, wie er sie finanzieren will.
Krahe: Einen Augenblick, Herr Koch. Bisher war die CDU-Argumentation immer so, wir können bei den älteren Arbeitnehmern durchaus auch länger Arbeitslosengeld I zahlen, es muss sich nur finanzieren lassen. Das bedeutet im Zweifelsfall, bei den jüngeren Arbeitnehmern muss man kürzen. Der Argumentation folgen Sie nicht. Klären Sie mich auf, ich habe Sie nicht ganz verstanden.
Koch: Ich glaube nicht, dass man mit einem Federstrich an einer Stelle den Betrag herausbekommt. Es ist zunächst einmal die Frage, was genau will die SPD und worauf kann man sich verständigen? In der Erweiterung gehen wir davon aus, dass bei einer Beitragszahlung von über 40 Jahren oder bei einem bestimmten Lebensalter – wie die SPD es will – sechs Monate mehr Arbeitslosengeld gezahlt wird. Es geht zum Schluss um das Budget der Bundesagentur für Arbeit und unsere Fähigkeit, die Beiträge zu senken. Wenn dieses Ziel bleibt, dass wir genug Freiheit haben, die Beiträge zu senken, dann kann man über die anderen Dinge reden.