Roland Koch im Interview mit der Frankfurter Rundschau
Frankfurter Rundschau: Herr Koch, auch die SPD wird die Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältere fordern. Die CDU hat es vor zwei Jahren beschlossen. Wird es so kommen?
Roland Koch: Wenn es bei diesem sozialpolitischen Detail bleibt – der Verlängerung für Ältere um ein paar Monate – dann kann es darüber nach dem SPD-Parteitag in der großen Koalition eine Vereinbarung geben. Hätte die SPD nach unserem Parteitagsbeschluss nicht erst mal Nein gesagt, hätten wir längst eine Regelung.
FR: Die CDU will es kostenneutral. Die CSU scheint eher kompromissbereit.
Koch: Ich bin nicht der Meinung, dass wir in einer Zeit leben, in der wir nur ans Geldausgeben denken können.
FR: Kostenneutral kann heißen: Einsparung beim Arbeitslosengeld für Jüngere. Das will die CDU, die SPD will es nicht. Oder Einsparungen an anderer Stelle. Ist ein Kompromiss möglich?
Koch: Die Frage lässt sich nicht verhandeln ohne ein ganz ganz wichtiges Ziel im Augen zu behalten: Die Senkung der Arbeitslosenbeiträge auf 3,5 Prozent. Das kostet fünf Milliarden Euro. Da bleibt dann aber nur ein sehr enger Spielraum. Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes muss aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert werden. Das lässt sich nicht mit irgendwelchen Staatszuschüssen verrechnen.
FR: Ihr Düsseldorfer Amtskollege und Parteifreund Jürgen Rüttgers schlägt auch eine Erhöhung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger vor…
Koch: Ich verhehle meine Skepsis gegenüber dieser Idee nicht. Denn sie bedeutet: Einer kann sein Vermögen schonen, aber der Nachbar muss das durch eine höhere Steuerbelastung bezahlen. Da muss man sehr vorsichtig sein.
FR: Sagen Sie Nein oder äußern Sie starke Bedenken?
Koch: Starke Bedenken.
FR: War das in der SPD ein Konflikt um Inhalte oder um die Macht?
Koch: Es ging für jeden erkennbar mehr um die Umfragewerte von Kurt Beck als um die Bezieher von Arbeitslosengeld. Deshalb hat er im Vorfeld und gezielt auf den Parteitag ganz bewusst einen Konflikt konstruiert, den er gewinnen konnte. Worum es geht, war ihm egal. Die Sozialpolitik bietet sich für einen SPD-Chef an. Überraschend war nur, dass Beck dass Pfund Franz Müntefering so gering schätzt, dass er es in dieser Weise beschädigt.
FR: Aber die Rechnung geht auf?
Koch: Ich glaube nicht. Müntefering ist bei seiner Position geblieben. Beck hat noch vor genau elf Monaten gesagt: „Wer die Schleusentore dort aufmacht, der bekommt sie nicht mehr zu.“ Er hat für diesen 180-Grad Kurswechsel kein Argument als seine miserablen Umfragewerte. Dies taktische Element des Verfahrens werden die Menschen durchschauen.
FR: Immerhin hat sich die SPD als lebendige Partei zurück gemeldet. In der CDU herrscht das große Schweigen.
Koch: Nun mal halblang. Die CDU ist zufrieden mit einem Weg, über den sie lange diskutiert hat. Im übrigen debattieren wir gerade über unser Grundsatzprogramm. Es gibt keine Notwendigkeit für Parteien, ohne Gründe künstliche innerparteiliche Streitigkeiten loszutreten. Wir sind zufrieden mit der Kanzlerin und mit der Art, wie sie die natürlich vorhandenen Schwierigkeiten für die CDU in einer großen Koalition bewältigt. Die CDU-Wähler sind mit einer großen Koalition selbstverständlich genauso wenig glücklich wie die SPD-Wähler. Die Anhänger der Union nehmen aber stärker die Erfolge dieser Kanzlerin und ihrer Partei wahr und freuen sich darüber: Weniger Arbeitslosigkeit, mehr sozialversicherungspflichtige Job, Konsolidierung der Staatsfinanzen, eine gelungene Unternehmenssteuerreform, mehr Geld für Wissenschaft…
FR: Aber verliert die Union nicht an Profil und lässt gegenüber der FDP wie am rechten Rand zu viel Raum?
Koch: Die Umfragedaten bestätigen diese Behauptung nicht. Es gelingt uns selbst in einer für einen Teil unserer Anhänger so sensiblen Frage wie der Familienpolitik, die Bindungskraft als Volkspartei zu wahren. Aber wir wissen zugleich auch, dass wir mindestens eine Million sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr hätten, wenn wir den Arbeitsmarkt etwas flexibler gestalten würden. Und wir hätten auch gerne ein einfacheres Einkommensteuerrecht, selbst wenn das im Augenblick nur aufkommensneutral ginge. Das sind wesentliche Themen, zu denen wir mit der SPD nicht voran kommen.
FR: Also doch kein Wahlkampf ums Soziale 2009?
Koch: Ich lese mit einem gewissen Interesse, dass das vorhergesagt wird. Aber ich glaube nicht, dass die CDU so auftreten wird. Wir wissen genau, wo unsere Profilstärken sind. Ohne dass daraus geschlossen werden kann, dass uns die Situation der einzelnen Arbeitnehmer egal wäre. Im Gegenteil, wir müssen den Wahlkampf so führen, dass die Forderung nach mehr Flexibilität nicht verbunden ist mit dem Eindruck sozialer Teilnahmslosigkeit.
FR: Wo ist Ihr persönliches Profil nach zwei Jahren als stellvertretender CDU-Chef? Roland Koch als der wirtschaftliche Reformmotor?
Koch: Sicher bin ich jemand, der sehr stark herausstellt, wie wichtig eine gut laufende Wirtschaft ist. Der in diesem und anderen Bereichen ein konservativer Reformer ist. Und ich habe ein großes Interesse daran, dass die CDU sich in der großen Koalition durch Erfolge einen Kredit verschafft, der es ihr ermöglichen, auch ohne die Sozialdemokratie wieder mehrheitsfähig zu sein.
Das Interview führten Thomas Kröter und Richard Meng.