Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der „Welt Online“
WELT ONLINE: Herr Ministerpräsident, wann können wir mit einem Gesetz zum Schutz deutscher Firmen rechnen?
Roland Koch: Wir sollten uns noch in diesem Jahr darüber klar werden, ob wir eine entsprechende Regelung brauchen, die deutsche Firmen vor der Übernahme insbesondere durch staatliche gelenkte Investoren aus Russland und China schützt. Daher werden Norbert Röttgen, Ronald Pofalla und ich für die CDU nach der Sommerpause einen Vorschlag vorlegen. Die Zeit drängt, weil sich die deutsche Politik zu lange nicht mit dem Thema befasst hat. Ich kann nur dringend raten, dieses Problem schnell zu lösen. Die Uhr tickt.
WELT ONLINE: Wie könnten Regelungen aussehen?
Koch: Für solche Details ist es noch zu früh. Die entscheidende Frage ist erst einmal, ob wir uns grundsätzlich darauf verständigen können, uns von unserer deutschen Sonderrolle zu verabschieden. Wir sind neben Großbritannien das einzige Land, dass derart Tür und Tor offen stehen hat für staatliche ausländische Investoren. Das macht uns besonders leicht angreifbar.
WELT ONLINE: Welche Branchen brauchen Schutz?
Koch: Branchen sind in der Debatte nicht entscheidend, da bin ich anderer Meinung als Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Entscheidend ist für mich vielmehr die Frage, wer der Investor ist. Ein ausländischer Kapitalgeber – auch ein Hedgefonds – soll hier frei investieren können. Diese Investoren wollen nicht mit ihrem Kapital politisch Einfluss nehmen. Geld von Staatsfonds oder –unternehmen aus Russland und China aber halte ich hier nur unter ganz bestimmten Bedingungen für vertretbar. Wir haben doch nicht gerade erst Unternehmen wie Telekom und Deutsche Post mühsam privatisiert, damit die Russen sie wieder verstaatlichen. Davor müssen wir die deutsche Industrie schützen.
WELT ONLINE: Aber Sie haben kein Problem, wenn arabische Staatsfonds in DaimlerChrysler investieren?
Koch: Wir wollen staatliche Investitionen nicht grundsätzlich verbieten. Aber wir sollten wenigstens die Chance haben, überprüfen, abwägen und entscheiden zu können.
WELT ONLINE: Wie soll das funktionieren? Sitzt die Kanzlerin mit den Parteichefs an einem Tisch und senkt den Daumen?
Koch: Das ist doch eine naive Vorstellung. Wir brauchen wie in den USA eine eigene Behörde, die im Fall ausländischer Übernahmen entscheidet. Dort stellt ein interessierter Investor eine Anfrage und erhält innerhalb sehr kurzer Zeit eine verbindliche Antwort. Einen mathematischen Algorithmus aber wird es auch da nie geben. Am Ende bleibt es eine Ermessensfrage, wer und was im nationalen Interesse erwünscht ist und wer und was nicht.
WELT ONLINE: Ordnungspolitisch sauber ist das nicht. Das klingt nach SPD pur.
Koch: Das ist doch eine typisch deutsche Betrachtung. Wir privatisieren unsere Konzerne und wenn diese dann von anderen Staaten gelenkt werden, soll es uns egal sein. So blöd können und dürfen wir doch nicht sein.
WELT ONLINE: Sie malen ein Schreckgespenst an die Wand, das Deutschland schadet.
Koch: Sie verkennen die Dimension des Problems. China, Russland und Indien werden eines Tages vermutlich zwei Drittel der Weltwirtschaft ausmachen. Mit ihren 1,2 Billionen Dollar an Devisenreserven könnten die Chinesen alle Konzerne im Dax auf einen Schlag kaufen. Ich leide doch nicht unter einer Phobie. Die Bedrohung ist ausgesprochen real, wenn so viel Geld da ist und es in der internationalen Wirtschaft angelegt werden muss. Darüber müssen wir jetzt reden und nicht, wenn es zu spät ist. Ich will nicht, dass irgendwann der Aufschrei kommt „man hätte doch“
WELT ONLINE: Aber Kapitalverflechtungen mit Russland und China vergrößern deren Interesse an unserem Wohl.
Koch: Man muss das Für und Wider schon sehr genau abwägen. Aber letztendlich ticken diese Staatsfonds nicht nach marktwirtschaftlichen Regeln. Deren Regierungen interessiert ein ganz anderer Zins, nämlich der Wettbewerbsvorteil ihrer Volkswirtschaft gegenüber der deutschen. Das sehen übrigens viele unserer Manager genauso. Ich habe in den vergangenen Tagen so manches Mal gesagt bekommen: „Endlich seid Ihr auch aufgewacht.“
WELT ONLINE: Diese Probleme aber haben wir auch in Europa. Sehen Sie sich die Zankerei mit Frankreich um die EADS an.
Koch: Was uns an Frankreich ärgert, ist im Vergleich zu dem, was da aus dem Osten auf uns zukommt, ein laues Lüftchen. Aber Sie haben Recht. Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, dass auch die Franzosen sich mehr für die volks- und weniger die betriebswirtschaftliche Rendite interessieren. Da kann der Energieriese EdF die deutsche EnBW kaufen. Umgekehrt dürfen deutsche Konzerne nicht in Frankreich zukaufen. Wenn das alle so machen, sind wir bald ein ausgeblutetes Land.
WELT ONLINE: Soll die Kanzlerin hart bleiben, wenn Nicolas Sarkozy seine Anteile an EADS aufstocken will?
Koch: Ich bin dafür, dass beide Staaten gleichen Einfluss haben. Eine dominante Rolle eines Partners dürfen wir nicht zulassen.
WELT ONLINE: Versuchen Sie nun mit dem Thema Industriepolitik, typische SPD-Klientel für sich zu gewinnen?
Koch: Wollen Sie mir jetzt vorwerfen, dass wir politisch relevante Themen besser aufgreifen als die SPD? Ich kann nichts dafür, dass die Sozialdemokraten in einer schwierigen Situation sind. Daran sind sie selbst schuld, da sie die Linkspartei über Koalitionen in den Ostländern erst salonfähig gemacht haben und jetzt über welche im Bund und den Westländern diskutieren. Die SPD zerfällt nicht, weil wir sie unter Druck setzen. Sie hat ein Problem, weil ihre Führungsmannschaft nicht stark genug ist, die Fliehkräfte zu binden.
WELT ONLINE: Die SPD wird auf diese Weise zwischen einer CDU, die nach links rückt und der Linken zerrieben.
Koch: Keine Sorge, die CDU bleibt in der Mitte. An einer Aufsplitterung der Parteienlandschaft haben wir übrigens kein Interesse. Wenn die beiden großen Parteien bislang einen Kompromiss gefunden haben, war er für die Mehrheit der Bevölkerung akzeptabel. Es wird nun sehr viel schwieriger, diese Balance zu halten.
Das Interview führten Jan Dams und Jörg Eigendorf.
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