Koch fordert Schutz vor ausländischen Staatsfonds
Interview im „Deutschlandfunk“
Dirk Müller: Guten Morgen!
Roland Koch: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Koch, haben Sie auch die Befürchtung, dass beispielsweise die gesamte Fußballbundesliga demnächst in Gazprom-Trikots auflaufen wird?
Koch: Der Wettbewerb wird ausreichen, um zu verhindern, dass die ganze Fußball-Bundesliga in Gazprom-Trikots aufläuft. Trotzdem ist Gazprom eines der Themen, über die man sich unterhalten muss. Denn das ist kein normales Unternehmen, sondern es ist ein klar von der politischen Spitze Russlands geführtes Staatsunternehmen, das deshalb auch nicht die Schalke-Trikots alleine deshalb bezahlt, um Werbung zu haben, sondern um mit politischem Hintergrund als russischer Staat zu beginnen, im deutschen Markt aktiv zu werden. Das ist auch der entscheidende Unterschied. Ich jedenfalls habe nichts gegen ausländische Investoren in Deutschland, im Gegenteil, wir sind als Deutsche auch Investoren in nahezu allen anderen Plätzen auf der Welt.
Es geht nicht um die Frage, ob Kapital sich aus den unterschiedlichen Teilen der Welt gut organisiert, sondern es geht um die Frage, dass nicht Staaten auf die Wirtschaft anderer Staaten durch direkte politisch gelenkte Maßnahmen Einfluss nehmen können. Und diese Gefahr hat in Deutschland zugenommen. Wir müssen uns dagegen in gleichem Maße schützen, wie das andere Staaten von Amerika über Frankreich bis Italien schon bereits getan haben.
Müller: Um bei Gazprom, Herr Koch, und Schalke zu bleiben, das heißt, das geht im Grunde schon zu weit?
Koch: Das muss nicht zu weit gehen, aber das muss der Staat kontrollieren können. Wenn wir in die Vereinigten Staaten oder nach Frankreich schauen, dann gibt es Gesetze, in denen eine solche Investition eines staatlich gelenkten Unternehmens eine Kontrolle der Regierung insofern befähigt, als dass sie sie genehmigen oder verwehren kann. Ich bin ganz sicher, dass am Ende das Gazprom-Engagement bei Schalke immer genehmigt würde. Aber in Deutschland könnte in der gleichen Weise durch einen Staatsfonds, nehmen wir die jetzt gerade Reich gewordenen Länder durch die Rohstoffe oder durch die wirtschaftliche Entwicklung wie Russland und China – auch eben Anteile eines anderen Unternehmens in Deutschland kaufen können, ohne dass der Staat eine rechtliche Chance hat, dort einzugreifen. Damit wird Deutschland zum Hauptangriffsziel solcher Staatsfonds. Denn wenn sie, wie gesagt, in Frankreich oder wenn sie in den Vereinigten Staaten von Amerika das gleiche versuchen würden, gäbe es gesetzliche Regeln, in denen der Staat nicht eingreifen muss, er kann einfach sagen, prima, dass die da sind, aber er eingreifen kann, wenn er aus strategischen oder wirtschaftlichen Interessen für das Land, in dem das gerade geschieht, das für notwendig hält. Und wir dürfen nicht dümmer und schutzloser sein als andere moderne Industriestaaten der westlichen Welt.
Müller: Das heißt aber dennoch, um von Ihrer Ausgangsposition, Herr Koch, noch einmal auszugehen, um diese jetzt weiter zu interpretieren, gehen Sie davon aus, dass Staatsfonds per se schlechter sein können als freies Unternehmerkapital?
Koch: Das ist eine richtige Beschreibung, weil offensichtlich Unternehmen, die vom Staat geführt werden, sich nicht nur darauf konzentrieren müssen, die beste Verzinsung zu erlangen. Sondern wir haben ja in den letzten Jahren bezüglich der Erdgaslieferungen Russlands bereits erlebt, dass dann eben auch politische Gründe, die über den Zweck und auch den wirtschaftlichen Nutzen für das einzelne Unternehmen hinausgehen, eine Frage darstellen. Das kann man für viele andere Themen sicherlich jenseits der Versorgung mit Rohstoffen auch sehen. Nehmen Sie ein praktisches Beispiel: Wir haben nach wie vor in Deutschland ein Gesetz, dass die Lufthansa, zumindest der Hälfte der Aktien, in deutschem Besitz sein muss. Das ist keine neue Erfindung, weil man der Auffassung war, dass es sonst sein könnte, dass Deutschland seinen Zugriff auf eine eigene Luftverkehrslinie mit allen wirtschaftlichen Folgen verliert.
Müller: Nun sagen aber Kritiker, Herr Koch, wenn ich Sie hier bei Lufthansa unterbrechen darf, dass dies nicht gut ist für das Unternehmen.
Koch: Das mag sein, dass diejenigen, die um den Aktienwert spekulieren, an dieser Stelle glauben, sie könnten an der Börse mehr erlangen, wenn andere mit großen Kapitalmöglichkeiten zusätzlich dort hineinspekulieren. Aber dort ist die Abwägung eindeutig die, für Deutschland ist es besser, dass sichergestellt ist, dass es immer eine deutsche Fluglinie gibt, die ihr Interesse zunächst einmal darin sieht, den Heimatmarkt Deutschland mit internationalen Verbindungen zu versorgen, und nicht etwa möglicherweise dann eine Mehrheit von Eigentümern da ist, die sagt, Deutschland ist kein interessanter Markt mehr, wir fliegen lieber in Amerika und Asien, und Deutschland ist nicht mehr an das internationale Streckennetz ausreichend angebunden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, warum Menschen schon vor vielen Jahren eine entsprechende Schutzregelung für eine strategische Investition gehabt haben.
Wir müssen einfach feststellen, dass es Bereiche heute gibt der wirtschaftlichen Entwicklung mit den Staatsfonds, die wir uns gar nicht vorstellen konnten vor 10 oder 20 Jahren. Da ging es um internationales ausländisches Kapital, das ist mobil und das kann in Fonds heute überall angelegt werde. Das ist gut so, aber die Grenze ist dort, wo nicht mehr Zins und Rechnung von Betriebswirtschaft, sondern politische Interessen an Einfluss gewinnen können. Und da hat eine Regierung und ein Parlament auch eine Verpflichtung, das Land zu schützen.
Müller: Im Umkehrschluss würde das bedeuten, Herr Koch, dass Staatsfonds nicht frei im Wettbewerb schalten und walten dürfen.
Koch: Das ist richtig. Wir haben ja nicht ohne Grund in Deutschland uns schon vor langem entschieden, Stück für Stück staatliche Engagements zu reduzieren und sie dem freien Markt zu übergeben, weil wir genau wissen, dass, solange staatliche Finanzen beinhaltet sind, es auch strategische Ziele über das jeweilige wirtschaftliche hinaus gibt. Das kann berechtigt sein. Das kann auch in Deutschland weiterhin Unternehmen mit staatlichen Anteilen aus Deutschland geben. Die sind aber eben dann mit Interessen der Nation verbunden, sonst dürfte der Staat die Anteile ja nicht halten. Warum soll man dieses nicht auch dann annehmen, wenn andere Länder es tun? Die dürfen das, selbstverständlich ist es ihr gutes Recht, nur ist es das gute Recht der Bundesrepublik Deutschland auch zu schauen, ob das in ihrem Interesse ist, wenn sie in Deutschland investieren.
Müller: Herr Koch, Sie wollen die deutschen Unternehmen schützen. Einige haben jetzt an diesem Wochenende, um ein anderes Thema noch ganz kurz anzusprechen, den Eindruck bekommen, Sie wollen auch die SPD schützen. Warum haben Sie der SPD empfohlen, bei Möglichkeit einen neuen Parteivorsitzenden zu wählen?
Koch: Ich habe der SPD empfohlen, Klarheit zu schaffen. Die SPD ist in einer Situation, in der mit der permanenten Infragestellung von Kurt Beck natürlich auch ein Koalitionspartner in Schwierigkeiten gebracht wird. Wir wollen die Große Koalition, die eine sehr erfolgreiche Bilanz gerade im ersten halben Jahr dieses Jahres hat, zu einem Erfolg in der ganzen Wahlperiode machen, auch um Ausgangspositionen für die kommenden Bundestagswahlen für beide großen Parteien als Alternativen zueinander zu schaffen. Und wenn die SPD sich permanent wie ein Hühnerhaufen in internen Diskussionen verstrickt, dann dient das nicht Deutschland, dient aber auch nicht der Großen Koalition und dem Versuch von Angela Merkel, diese erfolgreiche Politik auch gemeinsam darzustellen. Ich hoffe, dass die SPD sich zusammenrappelt.
Müller: Also ist Kurt Beck eine Gefahr für die Große Koalition?
Koch: Nein, diejenigen, die so sind, dass sie alles, was Kurt Beck sagt, am nächsten Tag wieder infrage stellen, sind die Gefahr. Und vielleicht besteht ja eine Hoffnung, dass die das auch ein Stück einsehen. Wenn ich heute Morgen lese, dass man sich um Kurt Beck zusammenschart, ist das völlig in Ordnung. Die SPD bestimmt selbst, wie sie aussieht, aber sie sollte wieder ein Gesicht haben.
Müller: Das war der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Vielen Dank für das Gespräch, Herr Koch.
Koch: Danke. Wiederhören.
Müller: Wiederhören.