Kongresses „Möglichkeiten und Chancen eines zukunftsorientierten Dienstrechts in Hessen“
Rede des Hessischen Ministerpräsidenten Koch anlässlich des Kongresses „Möglichkeiten und Chancen eines zukunftsorientierten Dienstrechts in Hessen“
Rede des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch
anlässlich des Kongresses „Möglichkeiten und Chancen
eines zukunftsorientierten Dienstrechts in Hessen“
Kurhaus Wiesbaden, 16. Mai 2007
Sehr geehrter Herr Kollege Bouffier,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Jentsch,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich freue mich, Sie heute Morgen alle hier begrüßen zu können. Der Innenminister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich um eine der Öffentlichkeit nur schwer vermittelbare Materie handelt. Dies gilt aber für diejenigen, die für den Staat Verantwortung tragen und seine Grundbedingungen zu gestalten haben, ausdrücklich nicht. Für mich birgt das Thema schon deshalb eine erhebliche Spannung, weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir neben den Fragen, die wir rund um das Thema Dienstrechtsreform in den nächsten Jahren diskutieren werden, auch entscheidende Weichenstellungen dafür vornehmen müssen, um Funktionsfähigkeit, Erfolg und Akzeptanz des modernen, demokratischen Staates auch zukünftig zu gewährleisten. Das ist keine triviale Frage. Deshalb ist das, was nicht sehr viele Menschen interessiert, möglicherweise dennoch bedeutend wichtiger als vieles, was bei oberflächlicher Lektüre von Zeitungen die meisten Menschen heute zu interessieren scheint. Die Reform des Dienstrechts wird uns in der Öffentlichkeit nie wie der Lebensweg von Eisbär Knut verfolgen, aber doch möglicherweise am Ende unsere Gesellschaft mehr prägen als die Bilder, die aus dem Berliner Zoo gesendet werden.
Deswegen habe ich mich auch in der Föderalismusreform sehr nachdrücklich mit den Fragen des öffentlichen Dienstrechts beschäftigt. Zunächst einmal bei der Fragestellung, wer über-haupt zuständig ist: Für mich bedeutet Föderalismus in der Form, die wir in Deutschland ge-wählt haben, dass die Administration staatlicher Entscheidungen weitestgehend nicht auf der Ebene der nationalen Institutionen stattfindet, die ja zu beträchtlichen Teilen für die Rahmenregelungen verantwortlich sind. Stattdessen vollzieht sich die Administration im Wesentlichen auf der Ebene der Länder und Kommunen. Für diese ist in toto der Landesgesetzgeber der richtige Ansprechpartner, da wir nicht jeweils ein eigenes Dienstrecht für jede einzelne Gemeinde schaffen können. Diese beiden Ebenen – Kommunen und Land – sind es, die gemeinsam die „Last“ der Verwaltung schultern. Der Bund mit einem Personal-kostenanteil, welcher bei rund zehn Prozent liegt, betrachtet die Frage der Personalentwicklung daher logischerweise und völlig berechtigterweise anders als ein Land wie Hessen, dessen Personalkosten 41 Prozent des Haushaltes ausmachen. Deshalb ist es nach meiner Auffassung auch richtig, dass diejenigen, die auf ihrer föderalen Ebene die demokratisch legitimierte Verantwortung für diese Aufgabe gewollt tragen, auch die Verantwortlichen für die Gestaltung der Rahmenbedingungen sind, unter denen sie diese Leistungen gegenüber den Bürgern erbringen. Und deshalb war in der Tat eine der Bedingungen, unter denen die Föderalismusreform für das Bundesland Hessen akzeptabel war, dass es eine Rückdelegation von beamtenrechtlichen Regelungsbefugnissen – mit Ausnahme einiger statusrechtlicher Rahmensetzungen, die selbstverständlich bundeseinheitlich sein müssen – auf die Landesparlamente gab.
Zugleich hatten wir – durchaus auch im Spannungsverhältnis mit dem Wahrer der Verfas-sung, dem Bundesverfassungsgericht – zu diskutieren, wie breit und elastisch die Gestaltungs-spielräume für das Beamtenrecht in Zukunft sein werden. In den Kreisen derer, die sich damit beschäftigen, gibt es kaum etwas, das öfter strapaziert wurde als die Grundsätze des Berufs-beamtentums in Artikel 33 des Grundgesetzes. Und die Frage bei der Föderalismusreform war nun, wie statisch diese Grundsätze sind. Die Formulierung des neu gefassten Artikels 33 hat dabei, denke ich, länger gedauert als die Diskussion über die eigentliche Grundsatzfrage: Wie kann man deutlich machen, dass uns die Tradition des Berufsbeamtentums wichtig ist, ohne dass daraus eine Verkrustung entsteht, die jegliche Weiterentwicklung als modernes Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis in Frage stellt oder schwierig macht? Eine solche Formulierung ist gefunden worden. Sie geht, wie ich finde, sehr behutsam an diese Frage heran: Indem nach wie vor die hergebrachten Grundsätze eine sehr große Bedeutung haben; indem aber auch deutlich ist, dass eine Veränderung unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stattfinden muss. Das bedeutet, dass nicht allein diese Grundsätze zählen, sondern dass man eben auch all jenes, was sich im Umfeld an Veränderungen vollzieht, in einen Abwägungsprozess einzube-ziehen hat. An der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sehen Sie, dass dies bislang nicht gerade zu „exzessiver Inanspruchnahme“ der Veränderungsmöglichkeiten ge-führt hat. Aber ich glaube auch, dass das Verfassungsgericht – genauso wie wir – nicht schlecht beraten ist, trotz des Wissens um die größeren Gestaltungsspielräume eine gewisse Behutsamkeit dahingehend walten zu lassen, wie damit umzugehen ist.
Daran würde ich gerne festhalten – bei aller Ergebnisoffenheit, welche dieser Prozess des Dialogs, den wir hier beginnen, haben muss. Wir reden über die Fortsetzung des Berufsbeam-tentums – und nicht über seine Abschaffung! Ich glaube, dass dies unter den politischen Kräf-ten, unter den Abgeordneten aller Fraktionen im Hessischen Landtag, nicht prinzipiell bestrit-ten wird. Wie viel davon dann aber im Beamtenrecht oder anderweitig zu regeln ist, das ist eine zweite Frage: Was kann man privat machen, was besser in zeitlich befristeten Struktu-ren? Über all das lässt sich diskutieren. Aber die Institution des Berufsbeamtentums steht aus meiner Sicht im Interesse des demokratischen Staates nicht zur Disposition. Das bedeutet: Egal, wie man mit den hergebrachten Grundsätzen in der Praxis umzugehen gedenkt – alles kann man mit dieser Institution nicht machen. Wenn nämlich die Grundbedingungen der Loy-alität, der Alimentationsverpflichtungen, des gegenseitigen Treueverhältnisses einen Sinn haben sollen, dann setzt dies bestimmte Grenzen in anderen Fragen der arbeitsrechtlichen Umgangsformen, die man miteinander pflegt. Und die Frage, die wir aus der Sicht der Lan-desregierung hier ausloten wollen, lautet, wo diese Grenzen verlaufen.
Wir haben dabei in Anbetracht der föderalen Struktur in der Tat zunächst eine eigene Verant-wortung. Ich finde es sehr richtig und wichtig, dass wir von Anfang an auch Vertreter des Bundes hierher eingeladen haben. Wir wollen schauen, was woanders passiert. Bei dieser Diskussion sagen wir ganz bewusst: Wir machen kein Wettrennen um das Gesetz. Es gibt Einige in der Bundesrepublik, die wollen die Ersten sein, die ein solches Gesetz beschließen. In vielen anderen Bereichen haben auch wir durchaus die Absicht, die Ersten zu sein. Ich bin an dieser Stelle etwas gelassener. Zwar leben wir in einer Zeit, die in ihrer Schnelllebigkeit nun mal davon ausgehen muss, dass wir nicht mehr dazu kommen, Jahrhundertgesetze zu verabschieden – die Zeiten des alten BGB sind vorbei. Aber ein Generationsgesetz muss das Beamtengesetz dennoch werden. Schließlich stellt es für einen Menschen eine Lebensent-scheidung dar, in eine Beamtenlaufbahn einzutreten; und es ist zweitens auch eine Frage, bei der man den Versuch unternehmen muss, dass ein solches Gesetz in seinen Prinzipien nicht im ständigen politischen Streit steht. Das ist schon deshalb eine große Herausforderung, weil ganz besonders bei uns in Hessen ja sonst eigentlich fast nichts außerhalb des politischen Streits steht. Es muss das Ziel sein, dass diejenigen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, auch wirklich wissen, dass es eine Kontinuität gibt. Obwohl sie keiner verfassungsändernden Mehrheit bedürfen, sondern mit einer Stimme Mehrheit im Parlament jederzeit geändert wer-den könnten, sollten bestimmte Dinge nicht dauernd neu infrage gestellt werden.
Da wir hier über sehr prinzipielle Dinge reden, muss dieser Konsens zumindest einmal inner-halb unseres Landes herrschen. Ich persönlich vertrete darüber hinaus jedoch nicht die Auf-fassung, dass wir à la Muster-Bauordnung am Ende dazu kommen müssen, dass mit Ausnah-me der Unterschrift, des Erscheinungsdatums und gewisser Quisquilien der Eitelkeit in allen Bundesländern im Prinzip alles gleich sein muss. Ich denke, dass es hierbei von Land zu Land durchaus unterschiedliche Traditionen gibt und dass die Gesetze an dieser Stelle eben auch signifikante Unterschiede aufweisen werden. Das steht heute schon fest. Das ist auch nicht schlimm. Man erkennt die Vielfalt der Landschaft schon relativ schnell am Beispiel des Be-soldungsrechts. Diese Vielfalt haben wir gewollt, sonst hätten wir den Verfassungsartikel so nicht beschlossen. Sie ist im Sinne der „Suche nach den besten Lösungen“ auch richtig und angemessen unter dem Gesichtspunkt, dass die Herausforderungen in den einzelnen Regionen der Bundesrepublik Deutschland eben durchaus unterschiedlich sind. Die Prioritätensetzungen sind in einer Ballungsraumregion andere als in einer Region, die eher peripher liegt – und das darf sich dann auch in einer unterschiedlichen Gesetzgebung ausdrücken.
Es wird eine Herausforderung sein, bei der ich uns – die Regierungen aller 16 Länder, aber auch unsere Mitarbeiter – dazu auffordere, Gelassenheit und Toleranz zu wahren. Da gibt es beispielsweise die Notwendigkeit von Übergangsregelungen für Beamte, die von einem Land in ein anderes wechseln. Je unterschiedlicher Systeme sind, desto toleranter müssen die Über-gangsvorschriften sein. Darin sind wir in Deutschland extrem ungeübt. Und aus meiner Sicht, deshalb sage ich es ausdrücklich, gehören solche Toleranzen konstitutiv zu der Debatte, die wir hier führen. Vielfalt in der Ausgestaltung und Wahrnehmung eigener Rechte erfordert mit Rücksicht auf die Betroffenen eine Toleranz bei den Möglichkeiten, von dem einen in das andere System überzugehen. Wir sind nun einmal eine Zertifikatsgesellschaft. Bei uns zählt Erfahrung oft weniger als irgendein Zeugnis. Das ist in unserer Gesellschaft so – und das Ver-waltungsrecht, gerade im Bereich des Beamtenrechts und der Konkurrentenklagen, hat daraus ein El Dorado gemacht. Aber wir müssen aufpassen, dass wir das nicht übertreiben. Darin liegt eine Herausforderung. Ich nenne hier das Beispiel der Einstellung neuer Lehrer. In der Bundesrepublik Deutschland sind wir immer noch nicht vollständig in der Lage zu erklären: Wer in einem anderen deutschen Bundesland Lehrer geworden ist, kann auch in diesem Bun-desland Lehrer sein – egal, welche Kurse er belegt, welche Seminare er besucht oder wie ge-nau er seine Prüfung abgeschlossen hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser ein signifikant schlechterer Lehrer ist als derjenige, den wir selbst in unserem Land ausgebildet haben, dürfte doch so gering sein, dass es für die Komplexität der gegenseitigen Anerkennungsverordnun-gen überhaupt keine Rechtfertigung gibt. Aber dennoch beschäftigen wir Stäbe mit solchen Dingen, quälen uns und schaffen Angleichungen, die aus meiner Sicht nicht notwendig sind. Deshalb sagte ich es eingangs: Wer über mehr föderale Individualität redet und daraus nicht eine hermetische Abschottung der jeweiligen Region erreichen will, der muss bereit sein, sehr offenherzig mit den Übergangsmöglichkeiten von dem einen in das andere System umzuge-hen. Da wird am Ende auch nicht jeder Cent nachzurechnen sein, wie ich das gelegentlich in Vermerken lese. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass alle Beamten an einen bestimmten Ort drängen und niemand an einen anderen, ist über die Lebenszeit eines solchen Systems nicht sehr hoch – auch wenn schon die Verteilung zwischen Nord- und Südhessen manchmal nicht ganz einfach ist.
Wenn man dann die einzelnen Fragen angeht, muss jedes Land auch seine Schwerpunkte set-zen. Wir erfinden das Rad nicht neu. Wir können auch nicht alles gleichzeitig machen. Das ist die Frage, worauf man sich konzentriert. Was sind also unsere Schwerpunkte? Darüber müs-sen wir sehr offen diskutieren. Wir müssen dabei die Punkte finden, die unter dem Gesichts-punkt der Wichtigkeit und der potenziellen Einigungsfähigkeit von vornherein eine möglichst große Übereinstimmung aufweisen. Wir wollen ganz sicher nicht, dass sich alle Beteiligten darauf einigen, dass alles gleich wichtig ist, man sich aber über Nichts einigen kann und es deshalb besser ist, dass alles so bleibt wie bisher. Das wäre dann ein Ergebnis, mit dem das Parlament nichts anfangen kann. Priorisierung bedeutet nämlich, dass irgendjemand zwischen Priorität und Posteriorität – was der etwas unbekanntere und unbequemere Begriff ist, weil es das Nachrangige bezeichnet – vernünftig versuchen muss zu gewichten.
Sie haben heute drei zentrale Themen auf der Agenda: Versorgung, Besoldung und Laufbahn-recht. Ich glaube, diese sind für den Anfang klug gewählt. Sie sind nicht abschließend, aber sie führen uns hin zu unterschiedlichen Elementen. Haben wir für die jeweiligen Berufsgrup-pen in angemessener Weise die richtigen Antworten? Für den Polizeibeamten, die Polizeibe-amtin, die Lehrerin, den Lehrer, die allgemeine Verwaltung? Passen die Regelungen, nach denen wir Mitarbeiter rekrutieren, nach denen wir sie motivieren und sie ihre Leistung auch tatsächlich anerkannt finden? Reichen die heutigen Instrumente aus? Grußworte sind ja dafür da, dass sie am Ende auch zur Provokation dienen können. Insofern kann ich sagen: Mir kom-men Zweifel, wenn ein Gymnasiallehrer mit einer über 80 Prozent liegenden Wahrscheinlich-keit davon ausgehen kann, dass wenn er mit A 13 den Dienst beginnt, er am Ende seiner Be-rufstätigkeit den Dienst auf derselben Besoldungsstufe wieder verlässt. Ich glaube nicht, dass dies einem modernen, vernünftigen System von Arbeitsorganisation entspricht. Es stammt aus einer Zeit, in der die Sicherheit der Alimentierung alles andere überwog.
Man darf zwar nicht unterschätzen, was die Sicherheit der Alimentierung auch heute noch bedeutet, aber unsere Gesellschaft wird Anerkennung immer stärker auch durch Entwick-lungsmöglichkeiten und Gehalt suchen. Unsere Gesellschaft wird, ob wir das wollen oder nicht – ich persönlich finde es auch nicht schlimm –, flexibler werden, so dass es in anderen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens keine Lebensbiografien mehr geben wird, wie sie im Beamtenrecht normal sind. Die Arbeitgeber, die 40 Jahre als Unternehmen bestehen, werden eine extreme Seltenheit außerhalb des öffentlichen Dienstes darstellen. Die Arbeitsverhältnis-se, wie auch die Gewichtung zwischen Zertifikat und Lebenserfahrung, werden sich gewaltig verändern. Das alles ist nicht schlimm, sondern nur anders. Und die Frage lautet nun, wie man die Dinge dementsprechend organisiert. Ich verstehe, dass die berufsständischen Organisatio-nen diese Frage unglaublich spannend finden – aber nur unter der Bedingung, dass sich zu-nächst einmal nichts an den Gehaltsstrukturen ändert. Das ist legitim, das ist ein Interesse, das wir in allen Übergängen mit haben. Wir müssen nur festlegen, wie wichtig uns der Status quo, wie bedeutend der Übergang, wie wichtig die Zukunft ist und was wir für das Eine oder An-dere bereit sind zu investieren und zu leisten. Wir müssen darüber reden, was wir gut oder schlecht finden. In dem weiten Spektrum von einer gestuften Laufbahnordnung bis hin zur Leistungsprämie gibt es endlose Verflechtungen und Interessen. Aber dass wir das Thema völlig ignorieren, scheint mir fahrlässig. Wir reden in diesem Umfeld über eine beträchtliche Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Landes. Und da kann es uns nicht egal sein, ob die hergebrachten Grundsätze zwischen Motivation und Führungslehre noch zu-kunftsfähig sind oder nicht – und unter welchen Bedingungen man das ändern kann.
Das betrifft genauso den Punkt der Versorgung. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie der Staat mit seinen Institutionen am Arbeitsmarkt teilnehmen soll. Welche Leute gewinnen wir? Wie muss ihre Qualifikation sein? Da gibt es die Frage, in welchem Alter man noch in den Staatsdienst eintreten darf, bei der wir ja angesichts der Not sehr tolerant geworden sind. Unter dem Gesichtspunkt aber, bis zu welchem Alter man noch aus dem Staatsdienst in die freie Wirtschaft wechseln kann, sind wir unter den derzeitigen versorgungsrechtlichen Rege-lungen extrem unflexibel.
Die Personalrekrutierung ist in den unterschiedlichsten Bereichen heute extrem schwierig, weil wir zu bestimmten Preisgestaltungen dieses Systems die Arbeit nicht kaufen können, die wir gerne hätten. Aber es ist auch so, dass Menschen, die sich für eine Beamtenlaufbahn ent-scheiden, wissen, dass sie sich damit ab einem gewissen Lebensalter jeglicher anderer Zu-kunftsoption berauben, weil ein vernünftiger Ausstieg in Anbetracht der dann fälligen Nach-zahlungen in die Rentenversicherung nicht zumutbar ist. Wir haben ja gelegentlich sogar sol-che Situationen, in denen Unternehmen kommen, die einen Mitarbeiter haben wollen und dann nach den Kosten für diesen Wechsel fragen. Was soll ich denn dann sagen, wenn der Mitarbeiter das 36. oder 37. Lebensjahr überschritten hat? Wenn er nicht gerade im Lotto ge-wonnen hat, gibt es kaum noch eine Chance, diesen Ausstand betriebswirtschaftlich zu recht-fertigen. Nach dem alten hessischen Grundsatz, „Was wir haben, haben wir – und geben es nicht mehr her!“, ist diese Denkweise aus Sicht des Staates ja möglicherweise gar nicht so verkehrt. Wenn wir uns dem Wettbewerb öffnen, bedeutet das ja auch, dass ein Mitarbeiter eher danach schaut, ob er anderswo mehr verdienen könnte. Insofern stellt diese Öffnung auch ein Risiko dar, wenn diejenigen, die auf dem Markt den höchsten Wert haben, immer garan-tiert den öffentlichen Dienst verlassen und wir damit einen Verfall an Potenzial haben, den wir durch neue Leute kaum ersetzen können. Solange wir darauf antworten, „Hast du einmal nachgerechnet, was es dich kostet, wenn du uns verlässt?“, können wir diese Problematik et-was gelassener betrachten. Aber über diese Fragen müssen wir reden. Da gibt es keine ver-bindliche Antwort, kein „wahr“ oder „falsch“ – auch zwischen den Bundesländern nicht. Da werden sich Bundesländer strategisch unterschiedlich entscheiden – übrigens auch wieder durchaus unter geografischen Gesichtspunkten. Mein Kollege Ringstorff in Mecklenburg-Vorpommern sieht diese Frage unter dem Gesichtspunkt der Analyse seiner Chancen im Standortwettbewerb in der Tat anders als ich, und das ist legitim.
Die Themen Laufbahn, Versorgung, Leistungsbeurteilung sind alle sehr spannend, aber si-cherlich nur der Anfang. Der alte Spruch, dass, wenn der Pförtner in der Justizvollzugsanstalt neu besoldet wird, man am Ende die Besoldung des Staatssekretärs beim Bundespräsidenten verändert hat, ist ja nicht ganz falsch. Denn tatsächlich hängt in unserem System alles mit allem irgendwie zusammen, weil unsere Balance- und Gerechtigkeitsüberlegungen am Ende an vielen Stellen greifen. Trotzdem wünsche ich Ihnen und uns, dass wir gemeinsam den nö-tigen Mut für Veränderungen aufbringen; dass wir nicht wie so oft mit der Fähigkeit von kun-digen Menschen alle Probleme auflisten und dagegen die Chancen immer nur wenige Spie-gelstriche haben. Wir müssen uns stattdessen entschließen, einige Dinge, die wir für wichtig halten, am Ende auch wirklich zu wollen, Schwierigkeiten zu bewältigen und ein paar Risiken des Lebens einzugehen. Damit meine ich jetzt nicht individuelle Risiken, sondern durchaus Risiken im Hinblick auf die Steuerung eines Staatsapparates. Wer glaubt, er könne auf Num-mer sicher gehen, setzt das Derzeitige uneingeschränkt fort – doch dafür ist es nicht attraktiv genug. Es muss Veränderungen geben. Wie weit wir sie verantworten wollen, wie voll wir den Mund nehmen, wie groß die Risiken sind, die wir im Einzelnen eingehen, wie öffentlich kommunizierbar und verständlich – auch gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern –, das sind alles sehr relevante Kriterien. Deshalb will ich zum Abschluss erneut sagen: Die Absicht der Hessischen Landesregierung besteht in diesem Zusammenhang darin, den Weg auszuloten, wie man ein Hessisches Beamtengesetz, das eine Generation überdauern soll, mit großen politischen und parlamentarischen Übereinstimmungen schaffen kann. Viel-leicht nicht in Übereinstimmung bis zum letzten Komma, aber jedenfalls in den Grundprinzi-pien, die ein ganzes Stück weit tragfähig sein müssen. Dafür müssen wir wissen, was uns Fachleute raten, Betroffene sagen, die politische Öffentlichkeit sagt – und auch, was im Rah-men des Diskurses in Rede steht. Das alles geschieht immer unter dem Dach und der Voraus-setzung dessen, was unsere Verfassungsordnung zulässt; und unter der Prämisse, dass wir das Berufsbeamtentum in Zukunft fortsetzen wollen.
Unter diesen Gesichtspunkten wird es dabei bleiben, dass dieses Thema in 30-Sekunden-Fernsehspots zwischen Abendessen und Unterhaltungsfilm nicht viel Platz finden wird. Aber vielleicht ist das auch gut so. Diejenigen, die sich damit beschäftigen, wissen, dass wir von der Qualität und Motivation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in beachtlichem Maße abhängig sind. Auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger dieses Staates beruht zu ei-nem sehr beachtlichen Teil darauf, dass sie bei aller Kritik des Tages, die modern ist, irgend-wie ein inneres Gefühl haben, dass dieses System funktioniert. Wir haben es uns zur Übung gemacht, nur noch die Lust am gegenseitigen Kritisieren auszuleben, und wir haben Medien, die ihre Verkaufserfolge ausschließlich aus Kritik ziehen. Dennoch verfügen die Menschen jenseits dieses alltäglichen Ärgers über ein bestimmtes Grundgefühl, dass, wenn sie zur Be-hörde gehen, wenn die Polizei kommt, wenn sie im Ort mit dem Bürgermeister oder mit dem Schulleiter sprechen, dass das irgend etwas ist, was ihnen eher Vertrauen einflößt, als dass es ihnen Angst macht. Und wenn richtig ist, dass jeder Mensch täglich versucht, möglichst viele Unsicherheiten in Sicherheiten zu verwandeln, dann ist diese Tatsache, dass das Beamtentum Sicherheit bietet, ein durchaus kostbares Gut, das wir verbessern und nicht zerstören wollen, weder gegenüber unseren eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch gegenüber der Öf-fentlichkeit.
Unter dieser Überschrift hoffe ich auf eine lebhafte Diskussion – auch auf viel Streit, sonst entsteht nämlich nichts Gescheites –, aber am Ende auch auf eine möglichst große Bandbreite an Alternativen. Das erreichen wir wohl kaum bis heute Abend. Dieser Prozess dauert eher Jahre als Tage. Aber man muss damit anfangen. Und ich finde, nachdem die Föderalismusre-form nun ja auch schon wieder fast ein Jahr vergangen ist, hatte jeder genug Zeit, sich darauf vorzubereiten. Es ist gut, dass wir damit anfangen, und ich danke Ihnen, dass Sie dabei mit-machen. Herzlich willkommen und viel Erfolg!