Koch: „Die CDU muss nicht jeden Tag über ihre Renovierung nachdenken.“
Ministerpräsident Koch im Interview in „Berlin direkt“
ZDF: Zum Wirbel um Ihren Kollegen Oettinger heißt es von der Basis, dass das harte Eingreifen der Kanzlerin die Krise noch verschärft habe. Sie haben in dieser ganzen Sache bisher geschwiegen.
Roland Koch: Bei manchem, was in der CDU in den letzten Tagen nicht angenehm war, gehört zu den positiven Erscheinungen , dass wir nicht wie ein wilder Hühnerhaufen durcheinander gelaufen sind. Die Parteivorsitzende hat einen Führungsauftrag in der Partei. Sie hat ihn wahrgenommen, aber die Partei hat auch insgesamt eine Gelassenheit bewahrt, die notwendig ist, um sowohl ihr, als auch Günther Oettinger die nötige Handlungsfreiheit zu geben, um möglichst schnell eine solche schwierige Situation zu beenden. Jetzt konzentrieren wir uns auf die zukünftigen Dinge. Günther Oettinger ist und bleibt ein ausgezeichneter Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Die CDU in Deutschland ist eine geschlossene Partei.
ZDF: Die CDU-Basis will mehr Profil, auch das klassisch-konservative. Irgendwie müssen Sie das Traumziel 40 plus X erreichen. Oder ist die Große Koalition das Zukunftsmodell?
Koch: Zunächst denke ich, dass 40 plus X für die Union kein Traumziel ist, sondern in der Erfahrung ihres Lebens auf der nationalen Ebene und in den Ländern eine Größenordnung, die wir durchaus als normal empfinden, zu erreichen. Deshalb bleibt das unser ganz selbstverständliches Ziel. Das erreichen wir nur, wenn wir ein sehr großes Spektrum an Bürgerinnen und Bürgern mit einem programmatischen Angebot für uns gewinnen können. Da sind konservative, liberale und soziale Elemente nebeneinander, oft auch im Ringen miteinander. So wie sich das für eine Volkspartei gehört.
Aber die CDU muss nicht jeden Tag über ihre Renovierung nachdenken. Sondern wir müssen unsere Prinzipien leben, auch in einer Großen Koalition. Aber wir müssen auch den Menschen sagen, die Große Koalition ist nicht unser Traum. Sie ist eine Notlösung im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Aber es ist unser Ziel, wieder freier – das heißt auch wieder näher – an unseren eigenen programmatischen Überlegungen nach einer nächsten Bundestagswahl regieren zu können. Daran arbeiten wir mit unserer Grundsatzprogrammdiskussion, die wir zur Zeit haben.
ZDF: Die doppelte Staatsbürgerschaft fordert der Kieler Innenminister jetzt für gut integrierte Ausländer. Gleichzeitig hört man, im neuen CDU-Programm soll Deutschland als Einwanderungsland definiert werden. Muss Roland Koch jetzt seine Positionen ändern?
Koch: An der Frage, dass in den letzten Jahren sehr viele Menschen in unser Land gekommen sind, kann man gar nicht deuteln. Wenn man in unser Bundesland Hessen schaut: Wir sind durchaus stolz darauf, Vorreiter in den Bemühungen der Integration von Menschen, die zu uns gekommen sind, in unserer Gesellschaft zu sein. Aber dabei müssen die Bedingungen klar sein. Am Ende muss die Mehrheitsgesellschaft auch erwarten, dass man sich in die Regeln dieser Gesellschaft integriert – bei aller Toleranz gegenüber anderen Lebensformen.
Aus meiner Sicht, ist die Staatsbürgerschaftsfrage auch ein wichtiges Element zu sagen, wer sich denn endgültig entschlossen hat, bei seiner eigenen Geschichte und bei allem was er mitbringt, Deutscher zu werden. Gerade wer gut integriert ist, der sollte deutscher Staatsbürger werden. Aber es sollte dabei bleiben, die deutsche Staatsbürgerschaft ist nicht etwas, was man nebenbei hat. Deshalb kann die doppelte Staatsbürgerschaft auch nur eine Frage für Ausnahmen und nicht die Regel sein.
ZDF: Die neuen Erkenntnisse im Mordfall Buback: Soll die ganze RAF-Terrorgeschichte jetzt wieder neu aufgerollt werden und Christian Klar nun doch begnadigt werden?
Koch: Wir sollten alles in den Dimensionen lassen. Es ist für sich gesehen noch nicht besonders spannend, ob Menschen, die andere umgebracht haben, sich neu äußern, wer wen umgebracht hat. Mörder waren sie alle. Das muss auch die Hauptbeurteilung bleiben. Trotzdem: Es ist für die Geschichte Deutschlands wichtig, dass dieses einschneidende Kapitel an keiner Stelle im unklaren bleibt. Deshalb ist richtig, dass aufgeklärt wird, was aufklärbar ist. Es ist auch richtig, wer Mörder war, muss als Mörder verurteilt werden und auch ganz konkret für den Mord, den er begangen hat.