Koch: „Ziel muss im Interesse nachfolgender Generationen heißen: Haushalt konsolidieren.“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit der Rheinischen Post
RP: Helmut Kohl ist Kandidat für den Friedensnobelpreis. Wie begeistert bzw. unbeeindruckt sind Sie?
Koch: Ich glaube, dass es eine große Ehre für Helmut Kohl, aber auch für Deutschland ist, dass der Präsident der EU-Kommission den Vorschlag gemacht hat, Helmut Kohl mit dem Friedensnobelpreis auszuzeichnen. Der Vorschlag ist angesichts der immensen Leistungen Kohls bei der Einigung Europas und damit für die Sicherheit auch von unseren Kindern und Enkeln, auf dem Kontinent ohne Kriegsrisiko zu leben, wohlbegründet. Er trifft wahrscheinlich nur für wenige andere Friedensnobelpreis-Kandidaten so zu wie für Helmut Kohl.
RP: Warum äußert sich die CDU-Bundesvorsitzende Merkel vergleichsweise wenig leidenschaftlich?
Koch: Die Deutschen sind gut beraten, jetzt keine Kampagne zu starten, als gebe es einen Anspruch Deutschlands oder Helmut Kohls als Person auf diese höchste Auszeichnung.
RP: Warum ist die selbst ernannte Steuersenkungspartei CDU gegen Steuersenkungen?
Koch: Wir dürfen keine Latten auflegen, die wir nicht überspringen können. Wir haben in den nächsten zwei bis drei Jahren genug Probleme, das strukturelle Haushaltsdefizit zu beseitigen und gleichzeitig die Herausforderungen, die es von Verteidigung bis Betreuung gibt, zu finanzieren. Es gibt Bereiche, in denen der Staat chronisch unterfinanziert ist.
RP: Also, die Steuern bleiben hoch?
Koch: Die Steuerquote ist in der Summe bei uns im Vergleich zu anderen Industrieländern nicht zu hoch. Unser gemeinsames Ziel muss im Interesse nachfolgender Generationen heißen: Haushalt konsolidieren. Wenn wir dem Bürger einige Jahre lang bewiesen haben, dass wir das können und wenn sich die Einnahmen stabilisieren, haben wir auch die Autorität, über neue Steuersätze zu reden.
RP: So geht die CDU auch in die nächste Bundestagswahl?
Koch: Gefährlich für die Politik ist es, zurückzufallen in die Zeit der rot-grünen Bundesregierung, die permanent Erwartungen enttäuscht hat. Charakteristisch für die große Koalition ist, dass die Menschen sehen: Es passiert mit der Politik der kleinen Schritte ziemlich präzise das, was zuvor gesagt wurde.
RP: Bei der Neuregelung der Erbschaftssteuer hätte die Union doch wenigstens ein Zeichen setzen können Richtung Abschaffung wie in anderen Ländern auch?
Koch: Wir sind in einer Koalition mit der SPD, also ist das nicht realistisch. Es gibt für mich außer der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auch kein ernsthaftes Argument, die Erbschaftsteuer völlig zu streichen.
RP: Sie gehören doch sonst seit Jahren zu denjenigen in der CDU-Führung, die dafür plädieren, sich nicht bei jedem politischen Vorhaben der Union schon vorzeitig, gar vorbeugend gehorsam den Kopf des Berliner Koalitionspartners SPD zu zerbrechen?
Koch: Das stimmt. In Hessen tue ich alles, um genau das zu tun, was ich vorher angekündigt habe. Und auch hier sollte der Grundsatz gelten: Niemandem eine Hoffnung machen und ihn anschließend enttäuschen. Wir reden ja nicht über endlose Zeiten, vielmehr darüber, wie in den nächsten acht Monaten die Erbschaftsteuer reformiert werden soll. Und da bin ich mir sicher, dass am Ende nicht herauskommen wird, diese Steuer abzuschaffen. Sie hat im übrigen, so wie sich die deutsche Gesellschaft entwickelt hat, eine befriedende Funktion.
RP: Lenkt die CDU bei Forderungen der Sozialdemokraten nach einem Mindestlohn ein?
Koch: Selbst wenn es unpopulär ist: Diesen Rubikon können wir als CDU nicht überschreiten, auch wenn es mittlerweile in einigen Branchen Löhne gibt, die einem die Schuhe ausziehen. Einen Mindestlohn staatlich festzulegen, wäre aber ein Tabubruch. Der Staat darf nicht den Eindruck erwecken, als ob er korrekte Löhne definiere. Es wäre zudem eine Entmannung der Gewerkschaften.
RP: Viele Menschen im Mittelstand lesen täglich über exzellente Wirtschaftsdaten und fragen sich, wann der Aufschwung auch bei ihnen ankommt. Wissen Sie es?
Koch: Die leider erst teilweise größere Sicherheit des Arbeitsplatzes darf man bei der Lohndebatte nicht unterschätzen. Sie ist für das subjektive Wohlbefinden der Menschen von massiver Bedeutung. Die Lohnrunde bewegt sich jetzt vernünftigerweise an der Obergrenze des ökonomisch Tragbaren. Es tut sich was, und allmählich spüren die Menschen den Aufschwung. Aber sicherlich wird es noch ein halbes bis ein Jahr dauern, bis viele Arbeitnehmer sagen werden: Ja, vom Aufschwung kommt auch was bei mir an.
RP: Wird es einen Bundestagswahlkampf geben mit dem nur leicht variierten Alt-Slogan: Auf die Kanzlerin kommt es an?
Koch: Es gibt eine unbestreitbar wachsende Autorität der Kanzlerin, deswegen freut mich die Frage. Es wird einen Kampf zwischen den beiden großen Parteien geben, bei dem es um die Frage gehen wird, wer die politische Leitfunktion für dieses Land übernehmen soll: bürgerliche Politik oder linke Politik. Und natürlich hat das dann auch etwas mit Personen zu tun.
RP: Ist der Versuch des mutmaßlichen Merkel-Herausforderers Kurt Beck, mit einer Koalition aus SPD, Grünen und FDP die nächste Regierung zu führen, so abwegig?
Koch: Man muss Kurt Beck ernst nehmen. Was eine Koalition SPD, Grüne und FDP angeht: Ich bezweifle, dass die FDP bereit ist, sich politisch zu halbieren. Das wäre nämlich die Folge, wenn sie sich auf ein solches Bündnis mit Rot/Grün einließe.